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Anlage-Experte über Tesla
"Eine Privatisierung bedeutet nicht zwangsweise ein Aus"

Tesla-Gründer Elon Musk plant den Rückzug von der Börse, um wieder mehr Kontrolle über sein Unternehmen zu erlangen, sagt Anlage-Experte Ingo Speich von Union Investment im Dlf. Auch wenn die Finanzierung dieses Vorhabens schwierig sei, könne Tesla dennoch deutsche Autobauer weiter unter Druck setzen.

Ingo Speich im Gespräch mit Claudia Wehrle | 08.08.2018
    Ein kirschroter Tesla Roadster wird im Inneren einer grauen Space X Rakete präsentiert.
    Tesla ist seit 2010 an der Börse gelistet. Die Aktionäre brauchten aber starke Nerven: Der Kurse der Aktie schwankte in den vergangenen Monaten stark. (picture alliance / newscom)
    Claudia Wehrle: Dass Unternehmen von der Börse genommen werden sollen oder gar von der Börse genommen worden sind, das ist ja durchaus schon passiert. Ich denke da beispielsweise an den PC-Hersteller Dell oder an die Beate Uhse-Gruppe. Aber Tesla, das wäre schon eine ganz andere Dimension. Kurz vor dieser Sendung habe ich mich mit Ingo Speich über Tesla unterhalten. Ingo Speich arbeitet bei Union Investment und ist dort unter anderem für den Bereich nachhaltiges Investment zuständig. Von Ingo Speich wollte ich zunächst wissen, warum denkt Tesla denn über einen solchen Schritt nach?
    Ingo Speich: Herr Musk ist ein genialer Gründer und er hat das Unternehmen maßgeblich in den letzten Jahren geprägt. Er verhält sich allerdings auch immer noch so, als gehörte ihm das Unternehmen alleine. Und das ist natürlich schwierig, weil das Unternehmen an der Börse gelistet ist. Es gibt andere Aktionäre und Herr Musk ist mit 20 Prozent nur ein Minderheitsaktionär. Und deshalb neigt er wohl zu dem Schritt zu sagen, "Ich nehm' es von der Börse".
    Transparenz bei Tesla oft mangelhaft
    Claudia Wehrle: Mit anderen Worten, er will sich nicht mehr in die Karten schauen lassen?
    Ingo Speich: Die Transparenz von Tesla war in der Vergangenheit schon nicht optimal und die Unternehmensführung von Tesla ist recht desolat. Also Unternehmensführung im Sinne von Transparenz gegenüber Aktionären, Kommunikationsformen. Er hat gestern auch diese Meldung zuerst über Twitter geschickt, das ist ja auch keine reguläre Börsenkommunikation. Das ist alles infrage zu stellen. Und das spiegelt sich im Endeffekt jetzt in dieser Handlung wieder.
    Claudia Wehrle: Daimler, VW und Co. schreiben schwarze Zahlen mit ihren ganz klassischen Modellen. Tesla mischt die Autobranche zwar auf, tut aber vor allem Eines, nämlich Riesen-Verluste schreiben.
    Profitabilität lässt auf sich warten
    Ingo Speich: Also ich selbst hatte die Gelegenheit vergangene Woche in Nevada eine Fabrik von Tesla zu besuchen und man hat dort wirklich einen Gründergeist gespürt und Aufbruchsstimmung, die eigentlich so in der Autobranche zumindest nicht reflektiert wird. Und das ist im Endeffekt der Punkt: Das Unternehmen expandiert weiter, die Fabriken werden vergrößert und das kostet alles Geld. Und dieses Geld hatte man sich an der Börse beschafft in der Vergangenheit und man muss natürlich jetzt auch zeigen, dass man profitabel wird. Und dieser Schritt fehlt eben. Und deshalb war auch der Aktienkurs in den vergangenen Monaten recht schwankungsintensiv.
    Claudia Wehrle: Tesla von der Börse zu nehmen klingt einfach. Wie soll's finanziert werden?
    Ingo Speich: Die Finanzierung ist sehr schwer. Herr Musk kann das nicht alleine stemmen. Er muss einige andere Investoren in der Hinterhand haben, die bereit sind, für das Unternehmen zu zahlen, sodass er weiterhin mit einem 20-prozentigen Anteil beteiligt sein kann.
    Kapitalbedarf bleibt weiter hoch
    Claudia Wehrle: Tesla geht es finanziell nicht gut; mit einer Privatisierung würde Musk die Möglichkeiten zur Kapitalbeschaffung weiter einschränken. Könnte das letztendlich das Aus für Tesla bedeuten?
    Ingo Speich: Eine Privatisierung bedeutet nicht zwangsweise ein Aus für Tesla. Was richtig ist, dass Tesla enormen Kapitalbedarf haben wird, auch in der Zukunft. Man kann also als Unternehmen, das nicht mehr an der Börse gelistet ist, nicht mehr so schnell den Kapitalmarkt anzapfen und einfach neue Aktien rausgeben, neue Aktionäre reinnehmen, das ist schwierig. Was Tesla allerdings machen kann, es kann natürlich Vermögensgegenstände veräußern oder auch Teile von Tesla wieder an die Börse bringen in einem zweiten Schritt und dadurch Gelder einnehmen. Da wäre eine Möglichkeit. Oder aber die neuen Kapitalgeber müssen Tesla stützen.
    Claudia Wehrle: Geben Sie Tesla eine Zukunft?
    Deutsche Hersteller weiter unter Druck
    Ingo Speich: Tesla ist in jedem Fall ernst zu nehmen. Also die Produktentwicklung ist noch recht jung, da werden natürlich auch Fehler gemacht. Die Fehler sollte man dem Unternehmen auch zugestehen, aber sie sind auf einem enormen Wachstumsfeld, was die Automobilbranche revolutionieren wird. Und sie werden auch sicherlich ein ernsthafter Gegner für viele etablierte Autohersteller bleiben.
    Claudia Wehrle: Was heißt das dann für VW, Daimler und Co.?
    Ingo Speich: VW, Daimler, BMW müssen an ihrer Elektro-Strategie arbeiten, sie müssen zeitnah für den Massenmarkt fähige Produkte auflegen, die also jetzt nicht im Premiumbereich angesiedelt sind, also nur für wenige erschwinglich sind. Sondern die Elektromobilität muss im Prinzip ins breite Volk gebracht werden und daran arbeitet man auch. Und die großen Autokonzerne, gerade hier in Deutschland, sind nicht zu unterschätzen, weil sie haben tiefe Taschen, sie haben enorme Entwicklungsbudgets und haben auch erkannt, dass sie dort etwas machen müssen. Von daher auf beiden Seiten gibt es durchaus Argumente, die dafür sprechen, weiter an die Unternehmen zu glauben.