Freitag, 19. April 2024

Archiv

Annäherung von Israel und Saudi-Arabien
CDU-Außenpolitiker Hardt: Neue Perspektive auf Frieden im Nahen Osten

Die wachsende Aggression des Iran gegenüber Israel schweiße die Kräfte im Nahen Osten zusammen, sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Jürgen Hardt im Dlf. Diese Entwicklung sei eine Chance für eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts, die auch die Europäer nutzen sollten.

Jürgen Hardt im Gespräch mit Jürgen Hardt | 04.04.2018
    Der Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt (CDU) im Bundestag in Berlin
    Der Terrorismus sei die Geißel der Nahost-Region, sagte Jürgen Hardt (CDU) im Dlf. Dennoch bestehe eine Chance auf Frieden in der Region, unter anderem durch die vorsichtige Annäherung von Israel und Saudi-Arabien. (dpa / Kay Nietfeld)
    Silvia Engels: Der saudische Kronprinz Salman gilt als starker Mann in Saudi-Arabien. Umso mehr ließ aufhorchen, dass er in einem Interview neben der altbekannten Forderung nach einem Palästinenserstaat auch erstmals eine Anerkennung Israels in Aussicht stellte. Am Telefon ist nun Jürgen Hardt von der CDU. Er ist der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Hardt!
    Jürgen Hardt: Guten Morgen, Frau Engels!
    Engels: Jahrzehntelang kannten wir im Nahost-Konflikt die Spannung zwischen Israel und den meisten arabischen Staaten. Die Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien ist im Hintergrund zwar schon länger im Gang, aber wird das jetzt wirklich zum Durchbruch?
    Hardt: Ich bin nicht besonders erstaunt über die neue Entwicklung, weil wer aufmerksam zugehört hat bei der Rede des israelischen Ministerpräsidenten auf der Münchener Sicherheitskonferenz vor zwei Monaten, der hat ja genau diese Töne vernommen. Dort hat Netanjahu gesagt, dass er glaubt, dass in der gegenwärtigen Situation im Nahen Osten auch eine Perspektive für neue Verhältnisse zu den arabischen Staaten, auch zu Saudi-Arabien, liegt, und möglicherweise auch zu den Palästinensern.
    Das, was die Kräfte zusammenschweißt, ist die wachsende Aggression Irans gegenüber Israel, die ja sowohl die Hisbollah im Libanon unterstützen als auch in Syrien mit Kräften aktiv sind als auch natürlich im Gazastreifen die Terroristen dort unterstützen. Und ich glaube, dass die gemeinsame Vorstellung, dass der Iran sich in der Region weiter ausbreiten und an Herrschaft gewinnen könnte, dass diese Vorstellung sowohl für Saudi-Arabien als auch für Israel, aber auch für viele andere in der Region, zum Beispiel Jordanien, eine schlechte ist, und das bringt zusammen.
    Chance nutzen und Vermittlung anbieten
    Engels: Kann es aber im europäischen oder im deutschen Interesse sein, die Frontstellung in der Region gegen Teheran noch zu vertiefen?
    Hardt: Das ist die Frage, ob diese mögliche neue Zusammenarbeit, die dann vielleicht auch in eine friedlichere Zukunft der Palästinenser mit den Israelis münden könnte, dass diese neue Perspektive möglicherweise nur deshalb möglich wird, weil es eine gemeinsame weitere Frontstellung gegen Iran gibt. Das wäre schade.
    Ich glaube aber, wir sollten jetzt die Chance wirklich nutzen und unsererseits als Europäer anbieten, dass wir im Falle, dass es tatsächlich eines Tages bei einem Gespräch über eine Friedenslösung im Nahen Osten zwischen Israel, Palästina und den anderen Staaten der Region kommt, dass wir als Deutsche dort bereit sind, auch zu helfen und zu vermitteln und dass wir vor allem auch den Palästinensern sagen, wenn sie sich auf eine Friedenslösung mit Israel einlassen, dass wir dann auch für den Aufbau Palästinas unsererseits die Hand ausstrecken.
    Ich würde mir wünschen, dass das, was Salman jetzt gesagt hat, von allen Parteien in Israel, in der Knesset in Jerusalem, positiv bewertet wird und dass es nicht zu einer parteipolitischen Auseinandersetzung in Israel über diese Frage kommt, denn diese Frage ist existenziell für die Sicherheit Israels. Deswegen wäre es gut, wenn die israelische Politik dies geschlossen begrüßen würde.
    "Klar auf der Seite der Zweistaatenlösung"
    Engels: Aber gehen wir noch mal Punkt für Punkt durch. Sie haben es eben angedeutet, gerade in der Palästinenserfrage könnte auch hier etwas in Bewegung geraten. Wie sehen Sie da die deutsche Rolle? Kann man sich vorstellen, dass Europa oder gar Deutschland, nachdem sich ja die USA ein wenig zurückgezogen haben aus der Unterstützung für die Palästinenser, hier einzuspringen?
    Hardt: Wir stehen als deutsche Politik klar auf der Seite der Zweistaatenlösung. Wir glauben, dass eine Friedenslösung in der Region nur dauerhaft sein kann, wenn die Palästinenser ihren Staat bekommen, dessen Grenzen und dessen Sicherheit garantiert ist, aber natürlich auch der jüdische Staat Israel nicht nur durch die Palästinenser, sondern auch durch die anderen Staaten der Region in seinem Existenzrecht anerkannt wird. Denn deswegen ist ja das, was Salman gesagt hat, so wichtig. Wir glauben, dass die Jerusalem-Frage übrigens nur im Zusammenhang mit einer solchen Lösung zu klären ist. Deswegen haben wir Deutsche gesagt, wir werden nicht dem amerikanischen Beispiel folgen und die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen. Das haben im Übrigen alle EU-Mitgliedsstaaten so einheitlich formuliert, weil wir klar zu der Politik stehen, die wir auf der Grundlage von UN-Resolutionen seit vielen Jahren und Jahrzehnten verfolgen.
    Und wenn wir in der Frage geschlossen bleiben und sagen, für eine Zweistaatenlösung als Friedenslösung der Zukunft für die Region gibt es unsere volle Unterstützung, und wenn wir dafür die israelische Politik gewinnen können, dann wäre das wirklich ein mächtiger Schritt nach vorn, und dann wäre vielleicht ein wichtiger Konflikt, ein großer Konflikt auf dieser Erde, einer Lösung näher.
    "Dieser Terrorismus muss ausgemerzt werden"
    Engels: Aber derzeit sieht es ja gar nicht so aus. In Israel selbst ist ja seit Ostern der Palästinenserkonflikt wieder eskaliert. Bei von der Hamas organisierten Protesten im Gazastreifen an der Grenze zu Israel erschossen ja erst jüngst israelische Soldaten mindestens 18 Menschen. Gestern starb nach palästinensischen Angaben ein weiterer 25-Jähriger. Wie findet sich denn hier überhaupt ein Ausweg? Denn der Akteur Saudi-Arabien mag eine Rolle spielen, aber was tun, wenn Israel überhaupt nicht zugeht auf die Palästinenser?
    Hardt: Wir erleben ja immer wieder, dass friedlicher Protest im Gazastreifen, der möglicherweise sich auch an gerechtfertigten Missständen festmacht, dass der gekapert wird durch terroristische Kräfte, durch radikale Kräfte, die dann diese Demonstrationen zu gewaltsamen Demonstrationen umschlagen lassen und die israelische Armee weiß sich dann nicht anders zu helfen, als mit Waffengewalt dagegen vorzugehen. In welcher Weise das verhältnismäßig war, können wir von Deutschland aus nicht beurteilen. In jedem Fall war es ein Rückschlag, auch im Verhältnis Israels zu den Menschen im Gazastreifen.
    Denn die Botschaft muss ja sein, wenn ihr bereit seid, als Menschen im Gazastreifen und in Palästina euch zu lösen von den terroristischen Kräften und einen friedlichen Weg in die Zukunft zu gehen, dann habt ihr die Unterstützung der gesamten Welt für diesen Prozess. Und diese Botschaft muss klar und unmissverständlich kommen, sonst fürchte ich, dass das israelische Volk alle Lippenbekenntnisse zu Frieden und einer friedlichen Lösung für die Region nicht ernst nehmen wird.
    Der Terrorismus ist eine Geißel der Region, insbesondere eben auch im Gazastreifen, im Übrigen auch für die Palästinensische Autonomiebehörde, die ja ihrerseits keine Kontrolle mehr über dieses Teilgebiet Palästinas hat. Von daher muss dieser Terrorismus ausgemerzt werden, und die israelische Regierung wäre, glaube ich, gut beraten, gelassen auf diese Dinge zu reagieren und eben nicht neu zu eskalieren. Aber das ist unheimlich schwer gesagt von Deutschland aus, wo wir die Situation nicht kennen, wo wir die konkrete Situation, in der sich die Soldaten befunden haben, nicht kennen. In Israel wird diese Sache mit Sicherheit aufbereitet und diskutiert werden, denn Israel ist ja ein pluralistisches, freies Land mit einer freien Presse, wo so etwas dann auch thematisiert wird und diskutiert wird.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.