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Anregung zum Nachdenken über Israel und Iran

Per Facebook schickt ein israelisches Paar Liebesgrüße aus Israel an die Iraner und stößt damit auf positive Resonanz. Das sei zwar nur ein Gag, zeige aber, "dass in Israel auch normale Menschen leben", sagt der israelische Publizist Moshe Zimmermann.

Moshe Zimmermann im Gespräch mit Christoph Schmitz | 28.03.2012
    Christoph Schmitz: Der Grafikdesigner Roni Edri und seine Frau Michal Tamir in Tel Aviv, sie schicken "Liebesgrüße aus Israel" - in den Iran per Facebook. Dorthin, wo Präsident Ahmadinedschad keine Gelegenheit auslässt, um Israel das Existenzrecht abzusprechen. Einer möglichen Bedrohung mit atomarer Wucht will Israel zuvorkommen, und so sieht die Liebesgrüße-Aktion von Edri und Tamir in Tel Aviv wie eine Friedensinitiative von unten aus. Etwa 40.000 Grüße von der Art wie "Wir wollen mit euch reden und Kaffee trinken" sind schon verschickt worden, rund 3000 Antworten von iranischer Seite kamen bislang zurück mit dem Tenor: "Iran liebt Israel". Den israelischen Historiker und Publizisten Moshe Zimmermann habe ich gefragt, was er von dieser Liebesbriefe-Sache hält.

    Moshe Zimmermann: Das ist zwar nur ein Gag, aber trotzdem zeigt es, dass in Israel auch normale Menschen leben, nicht nur Leute, die darauf bedacht sind, den nächsten Krieg zu entfesseln. Die israelische Politik ist eben die Politik von "Brinkmanship", das heißt eine Politik des äußersten Risikos, und dafür steht der Verteidigungsminister. Aber in der Bevölkerung gibt es auch Menschen, die behaupten, so weit möchte man nicht gehen. Deswegen ist diese Aktion von Roni Edri und Michal Tamir eher zu begrüßen.

    Schmitz: Wie wird denn diese Aktion überhaupt in der Öffentlichkeit in Israel aufgenommen?

    Zimmermann: Das ist etwas Kurioses und über Kuriositäten berichtet man im israelischen Fernsehen, auch in den Zeitungen. Alles was mit Facebook zu tun hat, wird auch selbstverständlich zum Thema. Deswegen hat man diese Initiative auch erwähnt. Ich kann nicht sagen, dass das im Mittelpunkt des Geschehens ist und dass die Leute in Israel aufgerüttelt wurden, nachzudenken über die Lage zwischen Israel und Iran oder zwischen Israel und den Nachbarn. Aber es ist ein Signal, es hat eine Signalfunktion.

    Schmitz: Glauben Sie denn, dass diese Sympathiebekundungen von Mensch zu Mensch, von beiden in beide Richtungen die Lage wirklich besänftigen könnte. Oder hat es eine rein symbolische Funktion, die am Lauf der Dinge nichts verändern wird?

    Zimmermann: Also die Politik machen die Politiker und die Politik kann so gemacht werden, weil die Mehrheiten dahinter stehen - die Mehrheiten im Iran und die Mehrheiten in Israel. Deswegen ist das, was hier aus dieser Ecke kommt, etwas, was ganz am Rande geschieht. Das kann die Lage und die Beziehungen nicht beeinflussen. Es ist aber ein Signal dafür, dass man es auch anders haben könnte. Und das ist eben wichtig bei dieser Aktion.

    Schmitz: Was könnte denn das Signal bewirken, vielleicht auch nur mittelfristig?

    Zimmermann: Das bewirkt mindestens bei einer etwas breiteren Minderheit das Nachdenken über die Lage und über die Beziehungen zwischen Israel und den Nachbarn, über das Thema Feindschaft und über das Thema atomare Waffen. Die Regierung in Israel, auch die Regierung in Iran versuchen, ihre Bevölkerung zu überzeugen, dass hier nur eine Alternative steht: Die Iraner, die müssen die Bombe haben, weil eben Israel so gefährlich ist, und Israel sollte behaupten oder die Israelis sollten behaupten, dass in dem Moment, wo die Iraner die Atomwaffe haben, Israel vor dem Ende steht. Und diese Botschaften muss man irgendwie hinterfragen. Und solche Initiativen helfen dabei, diese Botschaften zu hinterfragen. Ist es tatsächlich so weit gekommen, ist es tatsächlich eine Frage von entweder oder, sollte man so eine Risikopolitik betreiben oder nicht? Und da kann man wieder sagen, so begrenzt die Wirkung auch sein mag, es ist doch eine positive Wirkung.

    Schmitz: Sagt der Historiker und Publizist Moshe Zimmermann über die Internet-Liebesbriefe-Aktion aus Israel.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.