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Anreiz zur Forschung

Gerade mal ein Prozent ihres Gewinns stecken im Schnitt die Firmen in Sachsen-Anhalt in den Bereich Forschung und Entwicklung. "Grottenschlecht" nannte die neue Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin Birgitta Wolff, CDU, die Forschungsförderung durch Privatfirmen. Die Regierung will das nun ändern.

Von Susanne Arlt | 16.05.2011
    Grottenschlecht - dieses Wort will Birgitta Wolff, neue Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin von Sachsen-Anhalt, zwar nicht mehr in den Mund nehmen. Aber sie hält an ihrem Vorwurf fest, dass die Privatwirtschaft in den Bereich Forschung und Entwicklung viel zu wenig investiert. Nur rund ein Prozent ihres Gewinns in diesen Bereich zu stecken, sei einfach zu wenig. Langfristig werde sich das sehr negativ auf die Wertschöpfung des Landes auswirken, glaubt Birgitta Wolff. Darum will sie die Wirtschaftsförderung in den kommenden fünf Jahren qualitativ umsteuern. Künftig sollen vor allem Betriebe bezuschusst werden, die neue Produkte und Verfahren erforschen und entwickeln.

    "Hier ist nach dem Fall der Mauer häufig so investiert worden und wahrscheinlich auch so gefördert worden, dass einfach sehr schnell viele Arbeitsplätze entstanden, um eben die Massenarbeitslosigkeit in den Griff zu kriegen. Und da sind häufig einfach verlängerte Werkbänke, also Produktionsstandorte hier entstanden, die man ja damals auch dringend brauchte. Aber der Nachteil ist natürlich, dass dort vor allem produziert wird, da wird nicht entwickelt, da werden keine Marketingstrategien gemacht. All das passiert in den Muttergesellschaften, die eben nicht in Sachsen-Anhalt sind."

    Die Wirtschaft kritisiert die Pläne. Jedes Unternehmen, das dauerhafte und sozialversicherungspflichtige Jobs schaffe, sollte unterstützt werden, findet beispielsweise die Industrie- und Handelskammer in Halle. Jürgen Ude, Vizepräsident der IHK in Magdeburg, gibt zu Bedenken, dass in Sachsen-Anhalt vor allem klein- und mittelständische Unternehmen angesiedelt seien. Diese Unternehmen hätten einfach nicht die finanzielle Kraft, viel Geld in die Forschung und Entwicklung zu stecken. Trotzdem wünscht auch er sich seitens der Wirtschaft mehr Forschergeist:

    "Ja klar, natürlich. Und genau darum geht es doch, Strukturen zu schaffen, dass man auch diese Firmen einfängt. Man muss sie auch begeistern können, Forschung und Innovation zu machen. Weil auch diesen kleinen Firmen auch für die Zukunft klar sein muss, dass man nur mit hochwertigem Personal, auch ein bisschen mit Innovationscharakter, eigentlich den Standort Deutschland für die Zukunft sichern kann - auch unseren Standort hier in Sachsen-Anhalt."

    Jürgen Ude setzt auf eine bessere Vernetzung der Unternehmen. Ganz ähnliche Pläne verfolgt auch Birgitta Wolff. Die CDU-Politikern möchte, dass vor allem gut ausgebildete junge Menschen im Land bleiben. Unternehmer sollten sich mehr für die örtliche Hochschullandschaft interessieren, sagt sie. Darum will die Ministerin Kooperationen zwischen den Hochschulen und den Unternehmen mittels sogenannter Transfergutscheine fördern. Diese Zertifikate in Höhe von 400 Euro könnten an die örtliche Hochschule ausgegeben werden. Voraussetzung dafür ist, das ein Studierender beispielsweise seine Abschlussarbeit in Zusammenarbeit mit einem ansässigen Betrieb verfasst.

    "Das heißt die Hochschule hätte ein bisschen was davon, das Unternehmen hätte was davon, und vor allem, die würden zum ersten Mal miteinander reden. Und mit so einem Gutscheinsystem könnte man wahrscheinlich auch erst mal kleinere Betriebe mit den örtlichen Hochschulen ins Gespräch bringen. Und die Erfahrung zeigt, wenn einmal dann ein Unternehmer erfolgreich mit so einem jungen Absolventen zusammengearbeitet hat, dann sind die zum Teil ganz verblüfft, was diese jungen Leute alles für Ideen haben, was die alles können. Und man hat dann schon einmal einen Kontakt, und das ist genau das, was wir wollen. "

    Noch immer verdient man in den alten Bundesländern wesentlich mehr als in Ostdeutschland. Im Schnitt liege das Entgeltniveau in Sachsen-Anhalt lediglich bei 81 Prozent der im Westen gezahlten Löhne und Gehälter, sagt Birgitta Wolff. Firmen, die forschen und entwickeln, würden in der Regel höhere Löhne zahlen und meist Arbeitsplätze für Akademiker schaffen. Als Beispiel nennt die CDU-Politikerin Ingenieure. Bis zu 80 Prozent der Absolventen verließen Sachsen-Anhalt, weil sie kein adäquates Unternehmen im Land fänden. Das soll sich nun durch die neue Wirtschaftsförderung ändern.

    "Das wäre mittelfristig auch wichtig, dass wir zu einer Unternehmenslandschaft kommen, in der es eigentlich der Normalfall ist, sich selbst tragende unternehmerische Aktivitäten zu entfalten. Dass es eben nicht unbedingt normal ist in einer sozialen Marktwirtschaft, dass für wirklich alles und jedes an unternehmerischer Aktivität die Möglichkeit besteht, öffentliche Mittel zu bekommen. Das ist nicht wirklich systemkonform, und das kann man auch nicht dauerhaft durchhalten."