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Anschlag auf Jüdisches Museum Brüssel 2014
Mutmaßlicher Attentäter vor Gericht

Am 24. Mai 2014 erschoss ein Franzose mit algerischen Wurzeln im Jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen. Die Tat war der erste Anschlag in Europa mit einem Bezug zur Terrormiliz IS. Knapp vier Jahre später muss sich der mutmaßliche Attentäter und ein Mitangeklagter nun vor Gericht verantworten.

Von Paul Vorreiter | 10.01.2019
    Israelische Flaggen vor dem jüdischen Museum in Brüssel am Montag, 26. Mai 2014
    Vier Jahre nach dem Anschlag auf das Jüdisches Museum in Brüssel beginnt der Prozess gegen zwei Franzosen (dpa / Belga/ Anthony Dehez )
    Der Brüsseler Justizpalast, in dem heute die Anklage verlesen werden soll, ist nur wenige Gehminuten vom Tatort entfernt. Es geht in dem Prozess um den ersten Anschlag mit Bezug zur Terrororganisation "Islamischer Staat" in Europa.
    Es ist der 24. Mai 2014: Ein Mann betritt das Jüdische Museum Brüssel im Innenstadtviertel Sablon und eröffnet das Feuer. Er tötet zwei israelische Touristen und eine Praktikantin. Ein Museumstechniker erliegt später seinen schweren Schussverletzungen. Der damalige Ministerpräsident Elio di Rupo zeigt sich über die Tat schwer erschüttert.
    Die Tat erschüttert Belgien schwer. Der damalige Ministerpräsident Elio di Rupo sagte:
    "Die belgische Regierung ist tief schockiert über dieses Drama. Wir verurteilen diese extreme Gewalt scharf. Es wurde ein sehr symbolischer Platz getroffen, das belgische, jüdische Museum."
    Der Hauptangeklagte wird wenige Tage nach der Tat in Südfrankreich festgenommen, als er mit den Tatwaffen aus einem Fernbus steigt.
    Als Teenager erstmals im Gefängnis
    Der inzwischen 33-jährige Franzose mit algerischen Wurzeln ist früh auffällig. Mit 16 Jahren ist er zum ersten Mal im Gefängnis. Vor dem Angriff auf das Museum soll er in Syrien als selbst ernannter Gotteskrieger an der Geiselnahme von Journalisten beteiligt gewesen sein.
    Auf dem schwarz-weißen Überwachungsbild einer Kamera ist ein Mann mit Schirmmütze zu sehen, der ein Gewehr trägt.
    Das Bild einer Überwachungskamera zeigt den Attentäter von Brüssel. (picture alliance / dpa / Belgian Federal Police / Handout)
    Die Betroffenen sind bei dem Prozess ebenso als Zeugen geladen. Auch angeklagt ist ein mutmaßlicher Helfer, der die Waffen besorgt haben soll.
    Der Anschlag auf das Jüdische Museum löst in Belgien eine Sicherheitsdebatte aus. Anfang 2015 gelingt es zunächst, im ostbelgischen Verviers offenbar einen Anschlag zu vereiteln. Die Föderalregierung überarbeitet daraufhin einen Aktionsplan gegen Radikalisierung.
    Ziel ist es, das Kompetenzwirrwarr zwischen den einzelnen politischen Ebenen Belgiens zu ordnen. Ein nationaler Sicherheitsrat wird eingerichtet, der zwischen den Diensten koordinieren soll. Die sollen – ob auf örtlicher oder föderaler Ebene - gemeinsam eine Terroristendatei pflegen.
    Molenbeek - Hochburg islamistischer Extremisten
    Im März 2016 wird Brüssel von dem Doppelanschlag auf dem Flughafen und in einer U-Bahnstation im Europaviertel erschüttert. Schnell richtet sich der Fokus von Ermittlern und Medien auf das Viertel Molenbeek, das als Hochburg von islamistischen Extremisten gilt. Als bekannt wird, dass sich die Terroristen in den sog. Stadtteilen am Brüsseler Kanal, zu denen auch Molenbeek gehört, verstecken konnten, vor Behörden und Polizei; wird der sogenannte Kanalplan eingeführt.
    Dabei prüfen Polizisten in Wohnungen, ob darin tatsächlich auch diejenigen wohnen, die angegeben haben, dort zu wohnen. Tausende Menschen müssen daraufhin aus Bevölkerungsregistern gestrichen werden. Heute kämpft Belgien immer noch mit dem Image, gegen islamistischen Terror zu wenig ausrichten zu können. Vergangene Woche war es einem Syrien-Rückkehrer gelungen, Autopsie-Berichte zum Brüsseler Doppelanschlag aus der Gerichtsmedizin zu klauen.
    Aber nicht nur die Frage nach der Sicherheit treibt Belgien um. Seit dem Anschlag auf das jüdische Museum geht es auch darum, wie jüdisches Leben in dem Land geschützt werden kann.
    "Der Anschlag hatte zur Folge, dass sich die jüdischen Bürger gefragt haben, was auf sie nun zukommt und ob sie in dem Land noch leben können", mahnte Serge Rozen, ein Jahr nach dem Anschlag, der damalige Präsident des Dachverbands belgischer jüdischer Organisationen.
    Antisemitismus in der EU nimmt zu
    Heute ist die Frage aktueller denn je: Eine Umfrage der EU-Agentur für Grundrechte ergab vor wenigen Wochen: Ein Großteil der jüdischen Bevölkerung in der EU nimmt einen gesteigerten Antisemitismus wahr.
    Für jüdische Einrichtungen in Belgien gilt die zweithöchste Terrorwarnstufe. Im Museum in Brüssel sind nach dem Attentat die Sicherheitsvorkehrungen drastisch erhöht worden. Besucher gehen durch eine Sicherheitsschleuse, Taschen und Mäntel müssen an der Garderobe abgegeben oder in den Spinden verstaut werden. Die Folgen des Anschlags bleiben sichtbar:
    "Die Sache wird nie ganz abgeschlossen sein. Und sie ist es manchmal doch, denn bei der Arbeit kann man nicht jeden Morgen an den Anschlag denken", sagt die Direktorin des Jüdischen Museums in Brüssel, Pascale Alhadeff, im belgischen Fernsehen. Sie setzt große Hoffnungen in den heute beginnenden Prozess:
    "Für uns ist das ein ganz wichtiger Prozess. Wir wollen, dass die Wahrheit über den Anschlag ans Licht kommt. Wir vertrauen voll und ganz auf die Justiz."
    Mehr als 100 Zeugen sollen gehört werden
    Mehr als 100 Zeugen sollen in dem Prozess gehört werden, der voraussichtlich bis März dauern wird. Die beiden Angeklagten werden in der nächsten Woche im Gericht befragt. Der Hauptverdächtige streitet ab, in das Attentat verwickelt zu sein.