Donnerstag, 28. März 2024

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Anspiel - Teestunde bei Händel
Zu Gast im Salon des Meisters

Händels Opern und sein Oratorium "Messias" werden heute überall und sehr oft gespielt. Weniger prominent sind seine kleiner besetzten Werke. Dorothee Mields und die Freitagsakademie haben einige aufgenommen: lohneswerte Entdeckungen.

Von Christoph Vratz | 06.01.2021
    Eine Frau mit langen, glatten Haaren trägt ein smaragdgrünes Kleid. Im Hintergrund Füße großer Säulen und ein Garten.
    Neben Werken von Händel singt Dorothee Mields auch eine Arie aus Henry Purcells Oper "The Fairy Queen". (Harald Hoffmann)
    Musik: Händel - Venus & Adonis
    Venus and Adonis – der berühmte Stoff um die Trauer der schönen Göttin um den getöteten Jüngling und die Verwandlung seines Blutes zur Rose. Die Vorlage stammt aus Ovids "Metamorphosen". Georg Friedrich Händel hat dieses Thema für seine erste Komposition in englischer Sprache genutzt.
    Vier kurze Sätze umfasst diese Kantate für Sopran, Oboe und Basso continuo, zwei Rezitative, zwei Arien – nichts Opulentes, vielmehr eine kleine Kostbarkeit. Zumal in der neuen Darstellung durch Dorothee Mields und die "Freitagsakademie". Die Sopranistin und das Ensemble um Oboistin Katharina Suske laden zur Teestunden bei Händel, genauer: in die Brook Street Nr. 25 im Stadtteil Mayfair von London.
    Musik: Händel - Concerto à quattro in d-moll (II)
    Das Haus, in das Händel 1710 erstmals einzog, steht noch heute: Weiße Fenster, rote Backstein-Einfassung und graue Klinker – innen drin ein Händel-Museum. Seite an Seite steht übrigens das Haus, in dem Jimi Hendrix in den späten 1960er Jahren einige ziemlich turbulente Monate zugebracht hat. Facettenreiche Musikgeschichte auf wenigen Quadratmetern…
    In der Brook Street komponierte Händel einen Großteil seiner Werke, Opern, den "Messias", die "Wassermusik" und vieles mehr. Schließlich lebte er hier bis zu seinem Tod 1759.
    Musik: Händel - Triosonate in G-Dur (III)
    Wie es damals in Händels Salon geklungen haben könnte, zeigen Dorothee Mields und die "Freitagsmusik" nun auf ihrer neuen CD. Sie haben kleinere Fundstücke zusammengetragen, die heute etwas im Schatten von Händels großen Bühnenwerken stehen: vokale und instrumentale Kammermusik, darunter ein "Concerto à quattro" und eine Trio-Sonate für Oboe, Violine und Bass-Begleitung.
    Musik: Händel - Triosonate in G-Dur (IV)
    Die Instrumentalstücke allein wären schon eine Empfehlung der CD wert, denn die Freitagsmusik spielt wunderbar agil und sensibel aufeinander abgestimmt, rhythmisch beschwingt in den schnellen und aussagekräftig in den langsamen Sätzen.
    Doch da ist ja noch Sängerin Dorothee Mields. Sie singt schlicht hinreißend.
    Musik: Händel - Mi palpita il cor (IV)
    Die Kantate "Mi palpita il cor" hatte Händel zwar schon in seiner frühen Zeit in Italien begonnen, doch in London noch einmal überarbeitet. Sie handelt von der unglücklichen Liebe eines jungen Mannes zur Nymphe Clori. Dorothee Mields singt das mit staunenswerter Leichtigkeit. Außerdem leben ihre Töne von einer hohen Prägnanz: kein Verhauchen, kein Anschärfen, kein Schleifen – die Töne sind einfach da, natürlich und organisch. Bei winzigen Wendungen, etwa ins Melancholische, setzt Mields keine imaginären Ausrufezeichen, sondern ändert mit ganz subtilen Mitteln die Farben: "Was Schmerzen sind, was Qualen sind,/ wird meine Seele nicht länger wissen."
    Dass es auch mit viel Humor geht, zeigt das "Bacchus"-Lied aus den "English Folk Songs". Selten hat jemand mit so viel Geschmack einen über den Durst getrunken.
    Musik: Händel - Bacchus
    Daneben bietet die CD auch Ausschnitte aus den "9 Deutschen Arien": Vertonungen pietistisch-empfindsamer Gedichte, die der Aufklärer Barthold Heinrich Brockes verfasst hat: "Flammende Rose, Zierde der Erden".
    Musik: Händel - Flammende Rose
    Auch in den Arien überzeugen die Mitglieder der "Freitagsakademie" durch Genauigkeit und Feinsinn. Gleiches gilt auch für Dorothee Mields, einschließlich kleiner Verzierungen und kleinster Abtönungen. Unter dem Strich also eine Aufnahme, die für glühende Händelianer ein Muss darstellt und die selbst Händel-Skeptiker locken und überzeigen dürfte. Auch aufnahmetechnisch erfüllt diese CD höchste Ansprüche.
    "Handel’s Tea Time"
    Dorothee Mields - Sopran
    Die Freitagsakademie
    Label: Deutsche Harmonia mundi