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Anspruch und Wirklichkeit

Der Kostendruck auf die Hochschulen ist seit Jahren gewachsen - und auch der politische Druck seitens der Landesregierungen. Teilweise hat dieser Druck zu Kooperationen oder sogar zu Fusionen geführt. In Hannover hat jetzt das Hochschulinformationssystem (HIS) zu einer Veranstaltung zu diesem Themenkomplex eingeladen.

Von Michael Hollenbach | 01.03.2006
    Der Andrang im hannoverschen Leibnitzhaus war groß. Aus ganz Deutschland waren Rektoren, Kanzler und Mitarbeiter der Univerwaltungen angereist, um sich über Erfahrungen mit Kooperationen und Fusionen auszutauschen. Auf besonderes Interesse stieß dabei der Bericht von Reinhard Ambrosy, dem Kanzler der neugegründeten Universität Duisburg-Essen. Auf politischen Druck der nordrhein-westfälischen Landesregierung war es im Januar 2003 zu der Fusion der Gesamthochschulen in Essen und Duisburg gekommen. Die beiden Gesamthochschulen hatten sich lange gegen diese Fusion gewehrt, die alles andere als harmonisch verlief:

    "Ich glaube, dass die offenen Wunden immer dann zu Tage treten, wenn man Diskussionen mit Symbolcharakter führt, das ist bis heute noch so bei Fragen: wo ist der Sitz der Hochschule, wie heißt die Hochschule? Wenn man aber auf konkrete Fragestellungen eingeht, dann kommt für alle Beteiligten die neue Perspektive dieser neugegründeten Hochschule heraus. "

    Die konkreten Fragenstellungen beschäftigen sich mit der Zusammenlegung der ehemaligen Fakultäten und Studienfächer, die zahlreiche Parallelen aufwiesen; mit der Zusammenarbeit der ehemals getrennten Verwaltungen und mit der Effizienzsteigerungen zentraler Einrichtungen. Durch die Zusammenlegungen seien die einzelne Fachbereiche größer und leistungsstärker geworden, meint Kanzler Reinhard Ambrosy:

    "Das bedeutet, dass Professoren sich stärker spezialisieren können, wir erwarten von daher auch stärkere Forschungsleistungen. Das hat jetzt noch nicht gegriffen, wir warten enttäuscht, dass wir bei der Exzellenz-Initiative, die gerade aufgelegt worden ist, nicht reüssiert haben, ich bin sicher, wenn das zwei, drei Jahre später wiederholt wird, sind wir mit dabei."

    Außerdem – das sah eine Vereinbarung mit der Landesregierung vor - konnte das eingesparte Geld wieder in die neue Universität gesteckt werden - mit dem Ergebnis, dass neue Institute wie das für Hochschul- und Qualitätsentwicklung und ein Zentrum für interdisziplinäre Studien gegründet wurden. Doch insgesamt fällt das Sparpotential bei Kooperationen und Fusionen wesentlich geringer aus als von der Politik erwartet, sagt Friedrich Stratmann vom Hochschulinformationssystem. Das HIS hat in den vergangenen Jahren einzelne Hochschulen beim Prozess der Fusionierung oder der Kooperation begleitet:

    " Die Synergieeffekte sind eben kostenmäßig schwer zu bewerten, weil, wenn man von dem simplen Wegfall einzelner Leitungsstellen absieht, es im einzelnen schwierig ist, genau auszumachen, was der Synergieeffekt ist. 47:44: Die Politiker sollten bei der Fusion nicht so sehr auf die Kostenersparnis sehen, sondern sie sollten auf die Innovationen und Veränderungsmöglichkeiten sehen, die in einer solchen neuen Einrichtungen gesehen werden."

    Zum Beispiel wie in Berlin: dort kooperieren drei kleinere künstlerische Hochschulen im Verwaltungsbereich. Die Kooperation ermöglicht den Hochschulen beispielsweise den Einsatz neuer Software, die sich eine Hochschule allein nicht hätte leisten können.

    Deutlich wurde bei der Tagung in Hannover, dass viele Probleme oft gar nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. Nicht selten geht es Verlustängste, um Eitelkeiten und kleinkarierte Machtkämpfe. Deshalb – so die Erfahrung aus der Praxis - seien Beteiligungsmodelle sehr wichtig, damit sich bei einer Fusion oder Kooperation möglichst keiner ausgeschlossen fühle. Eine Erfahrung, die auch der Vizepräsident der Lüneburger Universität Frank Chantelau gemacht hat. Im Nordosten Niedersachsen haben die Fachhochschule Nordostniedersachsen und die Universität Lüneburg fusioniert. Vor allem auf Seiten der früheren Universität habe es Ängste um einen Prestigeverlust gegeben. Doch war die Fusion in Nordostniedersachsen eigentlich ohne Alternative, sagt Chantelau – vor allem vor dem Hintergrund einer Internationalisierung des Studienangebots:

    "Vorteile kann man darin erkennen, dass wir sehr weit sind im Angebot der neuen Studiengänge, also Bachelor und Master, das war eine gesetzlich formulierte Erwartung an die neue Hochschule sicherlich ist es auch so, dass durch die Fusion das Betreuungsverhältnis Lehrende-Studierende verbessert werden konnte. "

    Auch wenn der politische Druck auf viele Hochschulen wächst, zu kooperieren oder zu fusionieren, einen Masterplan für diesen Weg gibt es nicht. Das sagt auch Reinhard Ambrosy, der Kanzler der Fusionsuni Duisburg-Essen:

    "Ich meine aber, dass es sehr wichtig ist, dass man die Ausgangsbedingung analysiert, ich glaube, dass Fusionen sehr viel Beschäftigung mit sich selbst bringen, und das erst die positive Bilanz im Laufe der Jahre erfolgt."