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Antarktis
Das Moos ist los am Südpol

Die Antarktis wird grüner - dank Moos. An manchen Stellen haben sich bereits dicke Teppiche gebildet. Als typische Pionierpflanzen sind Moose die ersten, die karges Land zurückerobern. Am Südpol sorgt der Klimawandel dafür, dass sie immer bessere Bedingungen vorfinden.

Von Lucian Haas | 19.05.2017
    Der Taylor-Gletscher in der Antarktis.
    Forscher beobachten seit den 1950er-Jahren ein vermehrtes Mooswachstum in der Antarktis. (AFP/ Mark Ralston)
    Die Antarktis gilt gemeinhin als der weiße Kontinent – wegen seiner riesigen Eiskappe. Doch auch dort finden sich im Sommer eisfreie, durch Pflanzenwuchs ergrünte Flecken.
    "Tatsächlich ist dann nur ein sehr kleiner Teil der Antarktis eisfrei, insgesamt betrachtet 0,3 Prozent. Der Großteil davon liegt wiederum auf der Antarktischen Halbinsel, die südlich von Südamerika über 1000 Kilometer aus dem antarktischen Kontinent nach Norden herausragt."
    Für Forscher eine echte Herausforderung
    Matthew Amesbury ist Geograf an der University of Exeter in England. Seit Jahren studiert er die Bildung von Mooren und das Wachstum von Moosen überall auf der Welt. Die Antarktis ist sein klimatisch härtester Forschungsstandort. Auch dort wachsen in manchen gletscherfreien Regionen Moose. Sie bilden dicke, grüne Teppiche.
    "Die Moosteppiche können bis zu drei Meter dick werden. Die dicksten haben wir auf Elephant Island gefunden, ganz im Norden der Antarktischen Halbinsel. Sie überziehen dort die Landschaft und sind mit ihrer satt-grünen Farbe ein echter Kontrast zur ansonsten weißen Umgebung. Weiter im Süden ist es kälter. Dort bilden sich nur vereinzelt kleine Moosflecken, vielleicht 30 bis 40 Zentimeter dick und nur ein paar Meter im Durchmesser. "
    Lesen im Moos
    Die Moos-Teppiche wachsen jedes Jahr ein klein wenig in die Höhe. Matthew Amesbury hat an fünf Standorten, über 600 Kilometer von Nord nach Süd auf der Antarktischen Halbinsel verteilt, Probenrohre in die Moos-Matten getrieben und so Bohrkerne herausgezogen. Aus der Dicke der Jahresschichten der Moose kann er ablesen, wie sich die Wachstumsbedingungen mit der Zeit entwickelt haben – vergleichbar mit der Analyse von Jahresringen bei Bäumen.
    "Uns hat vor allem interessiert, wie die Moose auf Veränderungen des Klimas reagiert haben. Jeder unserer Moos-Bohrkerne reicht 150 Jahre zurück. In den Proben können wir erkennen, dass die Moose anfangs sehr gleichmäßig und langsam gewachsen sind. Aber ab den 1950er-Jahren zeigt sich eine deutliche Steigerung der Wachstumsrate. Über die gesamte Antarktische Halbinsel zeigt sich eine bedeutende Reaktion der Moose auf das Klima."
    Die Antarktis insgesamt hat sich seit den 50er-Jahren relativ gleichmäßig um rund 0,5 Grad Celsius pro Jahrzehnt erwärmt. Die Moose zeigten allerdings keine genauso lineare Wachstumssteigerung, sondern es gab einen deutlichen Entwicklungssprung.
    "Wir gehen davon aus, dass für die Moosteppiche eine Art Klimaschwelle überschritten wurde, auf die sie reagieren. Das könnte mit der Verfügbarkeit von Wasser zusammenhängen. Denn Wasser ist sehr wichtig für das Wachstum aller Pflanzen, inklusive der Moose, mit denen wir arbeiten."
    Ist es zu kalt, bleibt Wasser gefroren und steht den Pflanzen nicht zur Verfügung. Je wärmer es in der Antarktis wird, desto besser werden die Wachstumsbedingungen. Und da der globale Klimawandel anhält, ist diese Entwicklung auch in der Antarktis wahrscheinlich noch lange nicht am Ende. Matthew Amesbury hat anhand der vorliegenden Analysen extrapoliert, wie sensibel die Moose auf weitere Temperaturänderungen reagieren könnten.
    "Die Sensitivitätsanalyse zeigt, dass die antarktische Halbinsel deutlich grüner werden wird, wenn die Erwärmung weiter anhält. Das heißt, die Moose wachsen schneller und werden sich auch in weitere Regionen ausdehnen. Durch den Klimawandel ziehen sich die Gletscher auf der antarktischen Halbinsel schnell zurück. Moose sind gut darin, die frei werdenden Flächen zu besiedeln. Wir erwarten also ein Ergrünen der Antarktischen Halbinsel."
    Entwicklung mit weitreichenden Folgen
    Diese Entwicklung könnte lokal weitreichende Auswirkungen auf die antarktische Tier- und Pflanzenwelt haben. Allerdings dürfte aus dem weißen Kontinent nicht bald schon ein grüner Kontinent werden. Der größte Teil der Antarktis ist mit einem kilometerdicken Eispanzer überzogen und wird noch lange zu kalt für Moose und erst recht für andere Pflanzen bleiben.