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Anti-Brexit-Proteste
Der berühmteste Demonstrant in Großbritannien

Steve Bray protestiert besonders kreativ gegen den Brexit. Beinahe täglich taucht er mit Plakaten und Fahnen in Westminister auf. Wann immer die großen Fernsehsender live schalten, drängt Bray sich ins Bild. So ist er häufiger zu sehen als viele der Abgeordneten.

Von Friedbert Meurer | 20.11.2018
    "Der Brexit kommt nie, er wird gestoppt werden", glaubt Steve Bray und demonstriert unermüdlich gegen den Brexit.
    "Der Brexit kommt nie, er wird gestoppt werden", glaubt Steve Bray und demonstriert unermüdlich gegen den Brexit. (Deutschlandfunk / Friedbert Meurer)
    Vor dem Eingang zum Kongresszentrum in Liverpool begrüßt eine junge Frau freundlich den Mann mit der großen EU-Fahne. Steve Bray, 49 Jahre alt, trägt dazu farblich passend einen blauen Hut mit der Aufschrift "Stop Brexit" auf gelbem Hintergrund. Den Hut hat Steve Bray für 28 Pfund bei Ebay ersteigert und dann den Schriftzug aufgeklebt. Seit über einem Jahr protestiert Steve Bray bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Hut und Fahne gegen den Brexit. Er meint:
    "Seit dem Referendum sind über zwei Jahre vergangen. Die Labour-Partei hat jede Opposition gegen den Brexit vermissen lassen. Aber jetzt begehren die Mitglieder von Labour auf und erzählen ihrem Anführer, was sie wollen."
    Umfragen haben gerade gezeigt, dass eine große Mehrheit von Labour-Mitgliedern ein zweites Referendum fordere - wie Steve Bray. Seit September 2017 steht er jeden Sitzungstag von Unter- und Oberhaus vor dem Palast von Westminster.
    Ständig im Bild
    Letzte Woche war er während der vielen Live-Schaltungen ständig im Fernsehen bei BBC oder Sky News zu sehen. Steve Bray mag manchen nerven, zum Beispiel die Kameraleute, weil er ständig mit seinen Plakaten durchs Bild läuft. Steve Bray:
    "Ja, ja, in der Hauptsache nerve ich die Tories, vor allem die Gruppe von Jacob Rees-Mogg. Ich verstehe das hier als Humor, aber sie wissen nicht, wie man mit Satire umgeht. Sie können streiten, aber Satire irritiert sie."
    So jemanden wie ihn sah man früher an Speaker's Corner im Hyde Park. Steve Bray kommt aus Port Talbot, einer Stadt in Süd-Wales, die für ihre Stahlwerke bekannt ist. 57 Prozent haben in Port Talbot für den Brexit gestimmt. Als Bray feststellte, dass am Rathaus von Port Talbot nur die britische und die walisische Flagge wehten, ein dritter Fahnenmast aber leer war, hisste er heimlich nachts die EU-Fahne in Port Talbot.
    Der Kampf um die EU-Fahne
    Die Verwaltung ließ die blaue Fahne abhängen. Eine Woche später schlich Steve Bray wieder nachts zum Rathaus und zog die blaue EU-Fahne erneut hoch. Steve Bray ist unermüdlich - und in Westminster inzwischen bekannt wie ein bunter Hund.
    "Vom Fenster aus können mich die Lords im Old Palace Yard sehen. Auch die Unterhaus-Abgeordneten sehen meine Plakate tagein, tagaus. Sie kennen mich alle und versuchen, mir aus dem Weg zu gehen."
    Viele vermuten, dass Bray arbeitslos ist, weil er so viel Zeit hat. Nein, er sei Münzsammler und verdiene damit sein Geld. Manche entgegnen dann, er ist also ein Bettler? Nein, Numismatiker, kontert Steve Bray dann, sein Fachgebiet sind Münzen aus der Tudor-Zeit. Gelegentlich werde er als Verräter beschimpft, weil er den Willen der 52 Prozent des Referendums missachte. Es mache ihm nichts aus, peinlich zu wirken. Die britische Regierung sei noch viel peinlicher als er. Er erklärt:
    "Jetzt sehen die Leute, was für ein Desaster der Brexit wirklich wird. Es hat lange gedauert, jetzt wachen sie auf. Der Brexit kommt nie, er wird gestoppt werden."
    Inzwischen schließt man auch in Westminster ein zweites Referendum nicht mehr aus. Zum Schluss erzählt Steve Bray, wie ihm ein Lord, ein Mitglied des Oberhauses, einmal 20 Pfund geschenkt hat, damit er sich einen Drink kaufen kann. Steve Bray hat das Geld angenommen - und davon weitere blaue EU-Fahnen gekauft.