Freitag, 29. März 2024

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Anti-Doping-Gesetz
Justizminister für Strafen ab dem ersten Milligramm, der ersten Pille

Es werde ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland geben, sagte Justizminister Heiko Maas (SPD) im Deutschlandfunk. Doping im Spitzensport solle strafbar sein - unabhängig von der Menge verbotener Substanzen. Die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit ist einer der strittigen Punkte an dem Anti-Doping-Gesetz.

Heiko Maas im Gespräch mit Hajo Seppelt und Robert Kempe | 31.08.2014
    Vor pinkfarbenem Hintergrund schaut Justizminister Heiko Maas in die Kamera
    Justizminister Heiko Maas: "Wenn irgendwann die Leute den Eindruck haben, da wird sowieso nur noch betrogen, werden sich auch viele vom Breitensport bis zum Profisport davon abwenden." (dpa / Hannibal Hanschke)
    Hajo Seppelt: Herr Minister Maas, wir reden heute über Doping. Sie sind der Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz, Sie sind aber auch Sportler. Und wenn wir über Doping reden, dann muss ich Sie natürlich am Anfang erst mal was fragen, was mit Doping zu tun hat: Da Sie ein begeisterter Triathlet sind, haben Sie jemals schon verbotene Substanzen genommen?
    Heiko Maas: Niemals. Ich kann das auch sagen, ohne Gefahr zu laufen, in ein paar Jahren dann tränenüberströmt mal eine Pressekonferenz zu geben, indem ich das zurückhole. Das hat sich aber auch, ehrlich gesagt, bei mir nie gelohnt, denn ich verdiene mit Sport kein Geld. Ich mach es irgendwie aus Spaß. Und auch wenn das im Amateurbereich heute weiter verbreitet ist, Doping, als der eine oder andere glaubt, das hat mich nie gereizt.
    Seppelt: Sie sind also auch nie in Versuchung geraten?
    Maas: Nein. Wenn Bier nach dem Wettbewerb nicht dazugehört, bin ich nie in Versuchung geraten.
    "Wenn alle anderen es machen, sinkt die Hemmschwelle ganz schnell"
    Seppelt: Ich frage das deshalb, weil natürlich Sie sich auch mit der Psyche von Sportlern gelegentlich beschäftigen müssen, Sie haben ja auch schon mit Athleten gesprochen. Können Sie ein Stück weit nachvollziehen, warum es im Hochleistungssport dazu kommt, dass Athleten manipulieren?
    Maas: Ja, ich kann das sogar sehr gut nachvollziehen, auch wenn ich es nicht billige. Das ist sozusagen für viele Athleten die einzige Einkommensquelle, sie bestreiten mit dem Geld, das sie da verdienen, ihren Lebensunterhalt. Und das lässt den einen oder anderen auch schon mal dazu kommen, Dinge zu machen, die nicht legal sind. Es ist aber auch so, dass zumindest in der Vergangenheit durchaus unterschiedlich in den einzelnen Sportarten die Athleten selber wussten, dass Doping sehr verbreitet ist in ihrer Sportart, und eigentlich dachten, wenn die anderen es alle machen, dann kann ich es eigentlich auch machen, dann ist es noch nicht einmal ein richtiger Wettbewerbsvorteil, sondern eher ein Nachteil, wenn ich selber nicht dope. Und das alles immer im Zusammenhang mit der Tatsache, dass sie damit ihren Lebensunterhalt verdient haben, da kann man schon, wie ich finde, nachvollziehbarerweise sich einigermaßen hineinversetzen, auch wenn man es nicht gut heißt. Aber es geht um Geld, um Lebensunterhalt, und wenn alle anderen es machen, dann sinkt die Hemmschwelle ganz schnell.
    Robert Kempe: Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgelegt, dass man schärfere Regelungen im Kampf gegen Doping prüfen will. Seitdem, kann man sagen, schaut der gesamte Sport gebannt auf den Justizminister. Hätten Sie mal gedacht, dass der Sport ein Fall für den Justizminister wird?
    Maas: Nein, ist er auch nicht, ehrlich gesagt. Im Übrigen mache ich das Anti-Doping-Gesetz, das wir machen wollen, zusammen mit meinem Kollegen Herrn de Maizière, der als Innenminister für den Sport zuständig ist. Also, das machen wir schon zusammen. Allerdings ist das Thema Doping jetzt schon so lange ein Thema, es gibt aus unterschiedlichen Bundesländer eigene Gesetzesentwürfe für ein Anti-Doping-Gesetz, das heißt, das ist ein Thema, mit dem sich vor allen Dingen auch die Justizminister befasst haben, weil es darum geht, Doping strafbar zu machen. Dafür sind nun einmal die Justizminister zuständig. Man kann sagen, es ist schlimm, dass es überhaupt so weit kommen musste, gibt es aber in anderen europäischen Ländern auch. Und wir wollen das jetzt, nachdem viel darüber geredet worden ist, durchaus unterschiedlich und kontrovers, wir wollen das jetzt zu Ende bringen, was wir im Koalitionsvertrag ja nur angelegt haben, nämlich zu überprüfen, wie wir das machen können. Und deshalb wird es jetzt ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland geben.
    Heiko Maas und Thomas de Maizière
    Heiko Maas und Thomas de Maizière: "Das Gesetz machen wir zusammen." (dpa/Wolfgang Kumm)
    "Doping soll strafbar werden"
    Kempe: Ende des Jahres wollen Sie es ungefähr vorstellen, einen ersten Entwurf. Man kann davon ausgehen, dass noch länger dann darüber diskutiert werden wird, auch weil natürlich andere Ministerien noch daran beteiligt sind, das heißt, es wird auch in die Ausschüsse gehen, das könnte eine Zeit lang dauern auch bei der kontroversen Debatte. Können Sie mal vielleicht grob umzeichnen, was werden die Eckpfeiler des kommenden Anti-Doping-Gesetzes oder Ihres Entwurfes sein?
    Maas: Es soll ein eigenes Stammgesetz werden, das heißt, wir wollen ein Gesetz, das wir Anti-Doping-Gesetz nennen werden, zusammenbinden, in dem auch die Vorschriften, die jetzt noch im Gesundheitsbereich - also beim Betäubungsmittelrecht und so weiter - verankert sind, alle zusammengefasst werden, es soll ein Gesetz geben, das sich mit dem Thema Doping auseinandersetzt. Doping soll strafbar werden, das heißt, mit Geldstrafe oder auch mit Freiheitsstrafe geahndet werden, und wir wollen das sehr umfassend machen. Das heißt, es geht nicht nur um die, die das Zeug in den Verkehr bringen, sondern auch um die, die es nutzen, also die Sportlerinnen und Sportler. Das heißt, wir wollen wirklich eine breit angelegte Initiative gegen Doping auf rechtlicher Basis, und zwar im Rahmen des Strafrechtes auf den Weg bringen, und ich finde, es ist jetzt auch an der Zeit.
    Kempe: Können Sie mal darstellen - weil, das wird ja immer viel debattiert - auf welchen Füßen dieses Anti-Doping-Gesetz stehen soll?
    Maas: Es gibt ganz unterschiedliche schützenswerte Rechtsgüter. Für mich ist die Integrität des Sportes von besonderer Bedeutung, auch deshalb, weil mit Sport heutzutage viel Geld verdient wird. Das heißt, wir gehen in den Bereich des Betrugs, dort, wo gedopt wird, verschaffen sich einzelne Sportler, wenn sie ihren Lebensunterhalt damit verdienen oder wenn sie Preisgelder einstreichen, einen Vorteil, der nichts anderes ist als Betrug gegenüber anderen. Sicherlich spielt auch die Gesundheit von Sportlerinnen und Sportlern eine Rolle, wobei man auch da eigentlich sagen muss, da ist eigentlich jeder selber für verantwortlich. Aber wenn der Druck so groß wird, dass Doping, wie das ja vielleicht in der einen oder anderen Sportart sehr weit verbreitet ist, dass man schon fast einen Wettbewerbsnachteil hat, wenn man nicht dopt, dann wird man ja sozusagen gezwungenermaßen auch seine Gesundheit in Mitleidenschaft ziehen müssen, wenn man irgendwie Erfolg haben will oder überleben will. Also, Schutzgüter gibt es genug, die Integrität des Sports ist für mich allerdings herausragend.
    "Wird die Strafverfolgungsbehörde vor große Probleme stellen"
    Seppelt: Das Thema, das heiß diskutiert wird in den letzten Jahren, war ja immer die Frage der sogenannten uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit, das heißt, die Frage, ob man mit einer Pille Anabolika beispielsweise bereits sich strafbar machen kann oder ob Mindestmengen dann im Besitz desjenigen sein müssen. Wie ist Ihre Haltung dazu?
    Maas: Ich will dem Gesetzesentwurf nicht vorgreifen, vor allen Dingen, weil ich den ja nicht alleine vorlege. Aber es geht uns nicht nur um die Sportler, die das Zeug nehmen, sondern es geht auch um diejenigen, die damit unterwegs sind. Der "Motoman" von Lance Armstrong und so weiter. Und da ist für mich, ehrlich gesagt, die Schwelle sehr, sehr niedrig. Also, ob wir überhaupt dahinkommen, Mindestmengen festzulegen, oder ob, wie ich richtigerweise finde, eine uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit schon Gegenstand des Gesetzes ist, das werden wir in den kommenden Wochen sicherlich noch beraten. Aber ich finde, je weitergehender die Regelung ist, umso besser.
    Seppelt: Wer sind denn diejenigen, die Ihnen da sagen, das mit der uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit geht möglicherweise nicht so ohne Weiteres?
    Maas: Es geht eigentlich gar nicht so sehr darum, dass es einzelne Gruppen gibt. Es wird durchaus in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, na ja, das Ganze muss ja auch verfolgbar sein, das heißt, außerhalb des beruflichen Sports, der ja ein abgegrenzter Bereich ist, im Amateursport jeden Bodybuilder, der was nimmt, irgendwie zu verfolgen, das wird die Strafverfolgungsbehörde vor große Probleme stellen. Und deshalb wird durchaus aus der Argumentation gesagt, lasst uns mal Mindestmengen festlegen, weil, diese kleinen Mengen, unabhängig davon, dass es nur bedingt kontrollierbar ist, das werden wir gar nicht wirklich dann auch ahnden können, selbst wenn wir ein Gesetz dafür haben. Dennoch denke ich, dass es ganz schwierig sein wird, Mindestmengen festzulegen, denn die Mindestmengen sind ganz unterschiedlich je nachdem, um welche Substanzen es geht. Ich glaube, dass man das nicht richtig auflösen kann, und deshalb, finde ich, sollte das eigentlich uneingeschränkt gelten.
    Lance Armstrong bei der Tour de France im Juli 2009
    "Es geht auch um diejenigen, die mit Substanzen unterwegs sind" - wie der "Motoman" von Lance Armstrong. (picture alliance / dpa / Christophe Karaba)
    Seppelt: Um es dem Hörer mal ganz deutlich zu machen. Das heißt also, wenn jetzt ein Athlet, ein Berufssportler meinetwegen, wenn der mit einer Pille im Gepäck erwischt wird oder meinetwegen auch im Körper, im Organismus durch eine Dopingkontrolle, dann wäre das möglicherweise aus Sicht des neuen Anti-Doping-Gesetzes ausreichend für einen Straftatbestand?
    Maas: So ist es. Wenn es etwas ist, was auf der Dopingliste steht und eine leistungsfördernde Substanz ist, und zwar anerkanntermaßen und auch bewiesenermaßen, dann hat das nichts im Körper eines Sportlers oder auch nicht in seiner Tasche verloren, und dann würde das Anti-Doping-Gesetz greifen.
    Kempe: Wenn man Juristen zuhört, die ja nun schon oftmals darüber debattiert haben, bekommt man das Gefühl, jeder hat eine eigene Meinung zum Anti-Doping-Gesetz. Das heißt?
    Maas: Das ist bei Juristen nicht nur beim Anti-Doping-Gesetz so, dass es immer unterschiedliche Meinungen gibt.
    "Werden einen Gesetzesentwurf vorlegen, der mehrheitsfähig ist"
    Kempe: Wo sich allerdings viele einig sind, ist, dass bei einer uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit dies gegen den Grundsatz der straflosen Selbstschädigung verstoßen könnte. Das heißt, ich darf mich eigentlich selbst verletzen, ich darf mich selbst verstümmeln - alles straffrei. Können Sie mal erklären, wie so was in Deutschland aber funktionieren könnte, eine uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit eben auch unter diesen Körperverletzungsgesichtspunkten?
    Maas: Es geht um den Sinn und Zweck dessen, warum man das macht. Wenn sich jemand selber irgendwie verletzt, um sich selber einen Gefallen zu tun oder was auch immer, oder weil er es für nötig hält, dann interessiert das die Allgemeinheit nicht. Wenn allerdings Substanzen eingenommen werden, die nicht in erster Linie den Sinn haben, sich zu verletzen, sondern sich einen Vorteil zu verschaffen, weil ich gerade an einem Sportwettbewerb teilnehme, dann ist das ein völlig anderer Sachverhalt und dann ist das natürlich, wie ich finde, auch etwas, was man gesetzlich regeln kann, und zwar auch im Strafrecht.
    Kempe: Wie sicher sind Sie denn, dass Sie diese uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit, für die Sie plädieren, dass Sie die durchbekommen können? Man weiß, dass gerade in der Union viele Zweifel daran bestehen, auch jetzt noch. Wie glauben Sie, dass Sie das mit Ihrem Koalitionspartner durchbekommen?
    Maas: Deshalb sage ich ja, das wird nicht von mir hier bestimmt. Das ist ein Thema, da gibt es unterschiedliche Auffassungen, meine dazu ist bekannt. Das müssen wir miteinander regeln. Wir wollen ein Anti-Doping-Gesetz, ich glaube, das hat sich mittlerweile ... ist wirklich so zu erkennen und das ist auch mittlerweile, glaube ich, bei dem einen oder anderen Sportverband, da hat sich die Sicht etwas verändert. Und deswegen werden wir einen Gesetzesentwurf vorlegen, der auch mehrheitsfähig ist in der Regierungskoalition. Deshalb reden wir ja auch noch darüber.
    Seppelt: Es ist ja interessant zu beobachten, wie sich das in den letzten Jahren verändert hat, sowohl im organisierten Sport - da vielleicht noch nicht ganz so schnell - wie aber vor allem jetzt auch in der Politik. Es gab ja durchaus auch sehr viele Stimmen aus dem Innenministerium, die eher zurückhaltend waren, was ein Anti-Doping-Gesetz betrifft. Wenn wir noch mal über die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit reden: Kann es sein, dass gerade aus den - ich sage mal - mittleren Etagen des Innenministeriums, dass da vielleicht noch der eine oder andere rechtspolitische Zweifel besteht?
    Maas: Wenn das so ist, ist das auch vollkommen in Ordnung, so ist das aber auch üblich, wenn wir über Gesetze reden. Wir wollen ja die Probleme, die es gibt, nicht unter den Teppich kehren, sondern wir wollen sie ausdiskutieren und wir wollen dann ein vernünftiges Gesetz, das auch anwendbar ist, das auch wirkt, auf den Weg bringen. Deshalb habe ich gar kein Problem mit Einwänden, die es da gibt. Wir müssen sie, wenn wir uns politisch darauf verständigt haben, wir wollen so was, wir müssen das dann auflösen. Insofern bin ich da für jeden Hinweis, auch wenn er kritisch ist, sogar dankbar, damit wir nachher ein gutes Gesetz auch zustande bekommen, und nicht nach Erlass des Gesetzes dann Probleme deutlich werden, die wir vorher nicht gesehen haben und vorher hätten eigentlich sehen können.
    "Wird viele negative Folgen haben für unsere gesamte Gesellschaft"
    Kempe: Lassen Sie uns mal über das andere Rechtsgut reden, das auch in der Diskussion ist, Integrität des Sports. Da kann man sich dann im Entfernten Fairness, Chancengleichheit, also moralische Komponenten vorstellen. Kann so was ein Strafgesetz überhaupt regeln, kann so etwas überhaupt greifen bei solchen ja eher ethischen Aspekten?
    Maas: Ich gehöre zumindest nicht zu denen, die der Auffassung sind, dass ethische Gesichtspunkte nicht auch Grundlage von gesetzgeberischen Richtungsentscheidungen können. Wenn wir - und das ist etwas, womit wir uns zumindest sehr intensiv beschäftigen - insbesondere über den Profibereich reden, dann geht es eben nicht nur um Ethik, sondern dann geht es auch um Geld, um Betrug, der dadurch stattfindet. Das sind alles Schutzgüter, die man auch im Strafrecht, ja auch in anderen Straftatbeständen bereits schützt.
    Kempe: Aber es gibt ja zum Beispiel kein Gesetz, was die Fairness in der Wirtschaft oder die Moral in der Wirtschaft berücksichtigt!
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    "Wir werden einen Gesetzesentwurf vorlegen, der auch mehrheitsfähig ist in der Regierungskoalition." (Boris Roessler / dpa)
    Maas: Na ja, Gesetze müssen halt schon ausreichend bestimmt sein. Also, rein um die Fairness in der Wirtschaft zu schützen, sofern man da überhaupt so was kennt, das sei mal dahingestellt. Aber wenn wir uns zum Beispiel über die Entwicklung auf den Finanzmärkten Gedanken machen und sehen, was dort in der Vergangenheit geschehen ist: Da sind ja auch nach der Finanzmarktkrise Regularien eingeführt worden, die jetzt nicht unbedingt etwas damit zu tun haben, dass den einen Geld genommen wurde, ohne dass es dafür irgendeine Begründung gab, sondern dass das System an sich bestehen bleibt. Und das wollen wir auch. Die Integrität des Sports ist, glaube ich, eine Voraussetzung dafür, dass der Sport und all das Positive, was damit zusammenhängt, eine Zukunft hat. Denn wenn irgendwann die Leute den Eindruck haben, da wird sowieso nur noch betrogen und das ist nur noch eine große Show, es ist nichts mehr authentisch, werden sich auch viele vom Breitensport bis zum Profisport davon abwenden, und das wird viele negative Folgen haben für unsere gesamte Gesellschaft. Das wollen wir nicht.
    Seppelt: Sie haben den Begriff Bestimmtheit eben schon angesprochen, dieser Grundsatz muss natürlich bei einem Gesetz gelten, sonst gibt es kein Gesetz. Fragen wir mal so: Was konkret ist denn eigentlich auch am Ende zu berücksichtigen in Bezug auf den Personenkreis? Denn wir reden ja hier durchaus von möglicherweise Berufssportlern, wir reden von Menschen, die Geld verdienen durch Sport. Das muss ja klar definiert sein, wer ist eigentlich betroffen? Die verschiedenen Vorschläge oder Entwürfe, die bisher kursieren, sind ja durchaus unterschiedlich formuliert.
    Maas: Ja, aber da habe ich, ehrlich gesagt, keine Befürchtung, dass wir das nicht vernünftig regeln können. Wir wollen das insbesondere für den Bereich des Profisports regeln, das heißt also dort, wo Geld fließt, für sportliche Leistungen. Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, da kann man ansetzen bei Kaderathleten, bei denen, die irgendwie öffentlich gefördert werden, die Geld bekommen für Wettbewerbe, also dort, wo Preisgelder ausgeschrieben werden oder wo der Lebensunterhalt damit verdient wird. Also, wo offensichtlich das die Existenzgrundlage ist für jemanden. Das ist der Punkt, um den es uns geht, und den werden wir auch, wie ich finde, vernünftig regeln können. Es gibt dazu zugegebenermaßen unterschiedliche Möglichkeiten, wir haben uns noch auf keine festgelegt.
    "Es bedarf eines Kausalzusammenhangs"
    Seppelt: Es gibt in Österreich ein Anti-Doping-Gesetz oder ein Gesetz gegen Sportbetrug, und da wird es zum Beispiel sehr schwierig. Denn viele sagen, dass in Österreich das mal ein guter Vorschlag war, am Ende ein totes Gesetz. Da konnte man nämlich irgendwann nicht mehr klar erkennen, kann man denn eigentlich klar einen kausalen Zusammenhang herstellen zwischen einem gedopten Athleten und dem Gewinn des Preisgeldes? Ganz simpel gesprochen: Da wird einer Dritter beim Stadtmarathon, gewinnt meinetwegen 10.000 Euro, wird dann später des Dopings überführt. Aber woraus kann man ableiten, dass diese 10.000 Euro, die er da gewonnen hat, ursächlich auf den Besitz oder die Einnahme des Dopingmittels zurückzuführen waren? Da ist man in Österreich wirklich gescheitert und hat festgestellt, man kommt damit nicht weiter. Solche Bedenken müsste man in Deutschland ja eigentlich auch haben.
    Maas: Das ist richtig, es bedarf eines Kausalzusammenhangs, wenn wir das Strafrecht bemühen. Das müssen wir in diesem Gesetz regeln, das wird man auch nicht aussparen können. Wir kennen die Erfahrung in Österreich, aber auch das halte ich für regelbar, wenn es ein paar Richtungsentscheidungen, Grundsatzentscheidungen geben wird. Wir sagen ja auch - das ist ja zum Beispiel im Gesetzesentwurf in Baden-Württemberg so geregelt -, dass lediglich bestraft wird, wenn im Wettbewerb gedopt wird. Das ist natürlich nicht ausreichend, wenn man sich die Dopingpraktiken ansieht, denn da ist es ja genau umgekehrt, es wird vorher gedopt und es wird versucht, rechtzeitig wieder abzusetzen. Also, das müssen wir schon vernünftig regeln, dass es einen Kausalzusammenhang gibt.
    Kempe: Weil wir gerade im Ausland sind: Es gibt ja eine Reihe europäischer Länder, die seit längerer Zeit ein Anti-Doping-Gesetz haben, Italien, Frankreich, Spanien die bekanntesten sicherlich. Orientieren Sie sich ein wenig auch an den ausländischen Strafrechten, an den ausländischen Anti-Doping-Gesetzen? Das heißt, schauen Sie da irgendwohin, wo Sie denken, da läuft es gut oder weniger gut, oder so wollen wir es machen?
    Maas: Natürlich sehen wir, was es in anderen Ländern gibt, wir haben das auch verfolgt, was in Spanien mit Fuentes lief, wir haben auch verfolgt, was mit Ferrari in Italien lief, er ist ja dann auch in einem zweiten Verfahren wieder freigesprochen worden. Also, das gucken wir uns durchaus an. Allerdings habe ich nicht unbedingt den Eindruck, dass man sich das zum Vorbild nehmen sollte, wobei es zum einen um das Gesetz geht, das Gesetz muss handwerklich so sein, dass es auch anwendbar ist, das andere ist natürlich, was machen die Strafverfolgungsbehörden aus solchen Gesetzen. Das scheint mir doch in unterschiedlichen Staaten auch sehr unterschiedlich gehandhabt zu werden.
    "Sportgerichtsbarkeit wird dadurch nicht negativ in Mitleidenschaft gezogen"
    Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Bach
    Ex-DOSB-Präsident Thomas Bach stand dem Gesetz lange kritisch gegenüber. (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    Seppelt: In Deutschland gab es ja, wie schon zwischenzeitlich erwähnt, durchaus Kritik oder auch Widerstand gegen ein Anti-Doping-Gesetz, vor allem aus den Reihen des organisierten Sports, allen voran der frühere DOSB-Chef Thomas Bach, jetzt Präsident des IOC, auch Michael Vesper, der Generaldirektor des DOSB, standen dieser Sache lange kritisch gegenüber. Jetzt hat man ein bisschen den Eindruck, bei so viel Gegenwind, den der DOSB bekommt, dann wechselt man am Ende mit fliegenden Fahnen ein Stück weit auch das Revier, in dem man sich vorher aufgehalten hat, und dann ins andere rein. Wie waren Ihre Kontakte zum DOSB?
    Maas: Wir haben auch ein Gespräch geführt, wobei das nicht in der Weise war, dass wir uns da abschließend jeweils gesagt haben, wie wir uns dazu verhalten, wir haben uns da mal ausgetauscht. Es hat sich, glaube ich, auch vor allen Dingen in den Sportverbänden - bei den Sportlern sowieso, Sie werden kaum noch einen Sportler finden, der auch hinter verschlossenen Türen der Auffassung ist, dass das alles nichts brächte -, bei den Sportverbänden oder insbesondere beim Deutschen Olympischen Sportbund ist immer die Frage der Sportgerichtsbarkeit thematisiert worden. Also, es ist gesagt worden, na ja, ist schwierig, wir haben eigentlich ein relativ schnelles Verfahren, A- und B-Probe, beide positiv wird der Sportler sofort gesperrt und aus dem Verkehr gezogen für die Sportwettbewerbe, wenn es ein Verfahren vor den Ermittlungsbehörden, vor ordentlichen Gerichten gibt, das wird viel länger dauern und das wird die Sportgerichtsbarkeit möglicherweise dazu bringen zu sagen, na ja, wir können nicht irgendwie vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit entscheiden, denn ansonsten werden wir nachher schadensersatzpflichtig, wenn dort anders geurteilt wird, und wir haben eine andere Beweislastregel. Also, vor ordentlichen Gerichten muss sozusagen die Anklagebehörde beweisen, dass jemand sich strafbar gemacht hat, in der Sportgerichtsbarkeit ist es genau umgekehrt. Also, das kann ich nachvollziehen, das wollen wir auch nicht, dass die Sportgerichtsbarkeit oder die Sportstrafen ausgehebelt werden. Aber das haben wir in anderen Bereichen auch und das halte ich absolut für regelbar.
    Kempe: Können Sie da mal Beispiele nennen?
    Maas: Na ja, es ist ja irgendwie so, es kann ja zum Beispiel im Fußball, wenn jemand irgendwie ein schweres Foul während des Fußballspiels begeht und wird mit einer Roten Karte gesperrt und dann anschließend für fünf oder sechs Spiele, besteht ja grundsätzlich auch die Möglichkeit, jemanden wegen Körperverletzung dann noch zu verfolgen, auch das ist irgendwie kein Problem oder führt nicht dazu, dass irgendwie Sperren zurückgenommen werden, wenn es ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung gäbe ... Ist da nicht sehr praktisch, deshalb glaube ich, dass das kein Problem geben wird und dass die Sportgerichtsbarkeit dadurch auch nicht negativ in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn wir ein Anti-Doping-Gesetz haben.
    Seppelt: Spielen Sie möglicherweise auch auf die Tatsache an, dass es in bestimmten Berufsgruppen ja auch das Disziplinarrecht gibt, das heißt auf der einen Seite die Möglichkeit, einen Angestellten zu sanktionieren und gleichzeitig auch die strafbare Handlung des Angestellten, hat sie denn stattgefunden, vor einem ordentlichen Gericht zu behandeln?
    Maas: Genau, das ist so. Und das, was die Sportverbände moniert haben, ist ja, dass auch in solchen Disziplinarverfahren oft die Disziplinarverfahren ausgesetzt werden, bis ein ordentliches Gericht entschieden hat, und dann schließt man sich dieser Entscheidung an. Das wollen die Sportverbände nicht, das kann ich auch nachvollziehen, dazu werden wir allerdings eine Lösung finden. Ich glaube auch nicht, dass das überhaupt praktisch werden wird.
    "Der Staat will nicht den Sport regeln"
    Kempe: Wie beurteilen Sie denn eigentlich den Umgang des organisierten Sports in den letzten Jahren mit der Dopingproblematik? Wie haben Sie denn auch aus Ihrer Position als Freizeitsportler, vielleicht jetzt nicht nur als jetziger Minister, den Umgang des organisierten Sports mit den Dopingproblemen wahrgenommen?
    Maas: Na ja, es hat bei dem einen oder anderen vielleicht ein bisschen länger gedauert. Ich glaube, man hat oftmals auch zu viel reagiert als agiert auf öffentlichen Druck, etwa durch das, was im Radsport ja ausgelöst worden ist, das ist ja dann auch ... Ich meine, das Thema Doping ist in allen Sportarten ein Thema gewesen, auch schon vor dem Radsport und auch schon vor dem Festina-Skandal bei der Tour de France. Und irgendwann ist halt auch der öffentliche Druck so groß geworden, dass sich, wie ich finde, die Sportverbände auch noch einmal in unterschiedlichem Ausmaße mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Sicherlich hat sich etwa die UCI, also der Weltradsportverband nicht mit Ruhm bekleckert, bis jetzt zum Glück mal dann ein Wechsel an der Spitze erfolgt ist. Andere haben das aber, wie ich finde, ganz vernünftig gemacht. Auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass im Moment auch innerhalb der Verbände das kein großer Streitpunkt mehr ist, dass man Doping etwas entgegensetzen muss, wenn man die Öffentlichkeitswirksamkeit des Sports auch erhalten will. Und deshalb: Hat vielleicht ein bisschen zu lange gedauert, aber so, wie das im Moment läuft, finde ich das eigentlich sehr erfreulich.
    Kempe: Wo hört denn Ihrer Meinung nach die Verantwortung des Staates für den Sport auf und wo fängt sie an?
    Maas: Der Staat hat zunächst einmal die Verantwortung, Sport zu fördern, wie ich finde, das tut er ja auch, den Breitensport, aber auch den Spitzensport. Der Staat hat aber, wenn er fördert, finde ich, auch nicht nur eine Verantwortung, sondern auch eine Verpflichtung dafür zu sorgen, dass das, was aus der Förderung entsteht, nach den Grundsätzen der Fairness und auch der Gerechtigkeit läuft. Und das ist über das Thema Doping in nicht unerheblichen Bereichen des Sportes nicht mehr der Fall gewesen, deshalb, finde ich, gibt es auch ein Recht für den Staat, dort einzugreifen. Der Staat will nicht den Sport regeln, sondern er will nur den Missbrauch bekämpfen, den es im Sport über Doping gibt.
    Seppelt: Ist das vielleicht auch so eine Art Allianz, wenn man so möchte, zwischen den verschiedenen Ministerien in Deutschland, die sagen, so geht es nicht weiter im Sport, wir können dieses Problem nicht mehr so liegenlassen, weil der Sport es nicht alleine lösen kann?
    Maas: Ja, wir versuchen es ja mit dem Sport. Und es hat halt in den einzelnen Verbänden bei den einen ein bisschen länger gedauert als bei den anderen. Aber letztlich ist die Diskussion auch innerhalb der Verbände geführt worden, die sich miteinander ausgetauscht haben, und das hat dazu geführt, dass, ich glaube, es niemanden mehr gibt, der sich öffentlich noch gegen Maßnahmen stellt, die sich mit dem Thema Doping auseinandersetzen. Und dass die Politik eine Grundsatzentscheidung getroffen hat, die steht auch in dem Koalitionsvertrag dieser Bundesregierung, dass wir ein Anti-Doping-Gesetz machen werden, das hat, glaube ich, auch der Letzte kapiert.
    Seppelt: Es ist ja nicht Ihr Beritt, über die Sportförderung nachzudenken als Justizminister, das ist eine Angelegenheit des Bundesinnenministeriums. Dennoch die Frage an Sie als Sportler: Glauben Sie, dass man die Sportförderung nicht viel stärker auch ein Stück weit an die Frage oder an die Bemühungen des Sports knüpfen muss, wirkliche Anti-Doping-Bemühungen effektiv zu gestalten?
    Maas: Das ist jetzt nicht ungeschickt, mich als Sportler anzusprechen, aber ich werde als Sportler nicht mehr davon profitieren, wenn der Staat mehr den Sport fördert. Ich glaube schon, dass es auch innerhalb der Politik ein Bewusstsein dafür gibt, dass wir da was tun müssen. Es wird durchaus noch unterschiedlich beurteilt, ich weiß aber, dass das bei dem Kollegen de Maizière auch da ganz oben auf der Agenda steht. Es ist aber auch nicht so, dass wir Geld für alles und jeden hätten, sondern wir müssen die Mittel, die wir haben, auch gezielt einsetzen. Da wird das Thema Bekämpfung von Doping und so weiter auch dazugehören, tut es ja auch jetzt schon. Aber da bin ich, so wie ich den Kollegen de Maizière kenne, mir sehr sicher, dass das Notwendige auch in Zukunft im Rahmen unserer Möglichkeiten getan wird.
    "Entwurf auf jeden Fall noch im Laufe dieses Jahres fertig"
    Kempe: Den Gesetzentwurf wollen Sie Ende des Jahres vorstellen, haben Sie im Sommer angekündigt. Können Sie ungefähr abschätzen, wie lang wird die Beratung im Bundestag dauern, das heißt, wann wird ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland in Kraft treten?
    Maas: Das habe ich mir ganz abgewöhnt, Einschätzungen darüber zu geben, wie lange die Beratungen dauern. Wir haben uns festgelegt, dass wir eins machen, und zwar ein Stammgesetz, ein Anti-Doping-Gesetz. Wir wollen das ordentlich auf den Weg bringen, wir wollen das mit den Betreffenden, mit den Betroffenen besprechen, das gilt für Sportlerinnen und Sportler, mit denen wir ohnehin schon in intensiven Gesprächen sind, aber auch mit den Verbänden. Und nach den Vorarbeiten, die es bisher gibt, glaube ich, dass wir einen Entwurf auf jeden Fall noch im Laufe dieses Jahres fertig bekommen, der muss dann sicherlich auch noch mal politisch diskutiert werden, der muss ja dann auch irgendwann in die Gremien, ins Kabinett und in den Bundestag, und dort wird er auch sicherlich beschlossen werden. Und wichtig ist für mich, dass das sicherlich in absehbarer Zeit geschieht, das heißt, wir wollen, da wir dafür in der Verantwortung sind, den Entwurf jetzt vorlegen innerhalb dieses Jahres, und mit den Gremien, die wir dafür brauchen, also das Kabinett wie auch der Bundestag, ein Gesetzgebungsverfahren dann zügig auf den Weg bringen.
    Seppelt: Sie wissen, dass Journalisten immer Daten und Fakten hören wollen oder Zeiträume. Können wir davon ausgehen, wir sitzen jetzt hier im August 2014 zusammen, können wir davon ausgehen, dass in einem Jahr etwa wir in Deutschland ein Anti-Doping-Gesetz haben?
    Maas: Das würde ich sehr begrüßen. Da ich aber letztlich darüber nicht entscheide, sondern der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, kann ich das ganz sicherlich jetzt hier nicht zusagen. Aber ich kann zumindest zusagen, dass ich meinen Teil dazu beitrage, dass das zügig und schnell über die Bühne geht. Aber ich sage auch, das ist ein Thema von nicht unerheblicher Tragweite, das muss ordentlich vorbereitet werden von denen, die da in der Verantwortung sind, also von uns in der Regierung. Das ist ein Thema, das muss aber auch ordentlich und transparent diskutiert werden mit den politischen Parteien, mit denen im Bundestag, die es beschließen sollen, aber auch mit Sportlerinnen und Sportlern und den Verbänden. Und da kommt es mir auch nicht auf einen Monat an. Lieber ein Gesetz, das auf eine breite Zustimmung stößt, nicht nur in der Öffentlichkeit, die haben wir ganz sicherlich, sondern auch bei denjenigen, mit denen wir es nachher umsetzen.
    Seppelt: Ich weiß, die Kanzlerin hat momentan andere Dinge zu tun, trotzdem die Frage: Was denkt die darüber?
    Maas: Da würde ich die einfach mal selber fragen.
    Seppelt: Aber es kommt auf jeden Fall, ganz sicher?
    Maas: Ja, es steht im Koalitionsvertrag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.