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Antibakterielle Kleidung belastet Umwelt und Mensch

Antibakterielle Stoffe in Textilien lassen keinen Geruch zu. Klingt erst einmal gut, doch eine schwedische Studie hat herausgefunden, dass die Inhaltsstoffe negative Folgen für Mensch und Umwelt haben können.

Von Agnes Bührig | 07.02.2012
    Ein heller Sportbekleidungsladen in der Innenstadt von Stockholm. Maria Palm hat sich ein Regal mit Jogginghosen vorgenommen und guckt die Inhaltsangaben der Textilien durch. Auf einem Etikett findet sie den Hinweis "geruchsabweisend". Hier stecken vermutlich antibakterielle Substanzen im Stoff, sagt Palm, die bei der Umweltorganisation "Naturskyddsföreningen" auf Verbraucherfragen spezialisiert ist:

    '"Antibakterielle Stoffe in Textilien haben in letzten Jahren stark zugenommen. Die Hersteller versuchen, immer neue Verkaufsargumente zu finden. Jetzt wollen sie uns weismachen, dass man mit antibakteriell behandelten Kleidern nicht stinkt."

    Doch die beworbenen Substanzen halten sich nicht lange im Stoff. Das kam bei einer Untersuchung der staatlichen Chemikalienagentur von Schweden heraus. Die Behörde hatte 30 verschiedene Bekleidungsstücke waschen lassen und den Verbleib von bakterienhemmendem Silber sowie den Chlorverbindungen Triklosan und Triklokarban nach mehreren Waschgängen gemessen. Fazit: Bereits nach drei Waschgängen war in einem Großteil der Kleidung mehr als die Hälfte der Biozide herausgewaschen. Das habe deutliche Folgen für die Umwelt, sagt die Leiterin der Studie, Anne-Marie Johansson:

    "Alle drei Biozide sind giftig für Wasserorganismen. In Studien wurde nachgewiesen, dass Triklosan und Triklokarban die Fortpflanzung stören können. Die untersuchten Stoffe werden sehr langsam abgebaut, im Falle des Silbers gar nicht. Mehr antibakterielle Stoffe im Wasserkreislauf können dazu führen, dass die Antibiotikaresistenz weiter zunimmt. Da sehen wir ein Gesundheitsrisiko für den Menschen."

    Zudem ist nicht klar, ob die Zusätze den Schweißgeruch mindern. In einer Studie der Textilhochschule Boras, westlich von Göteborg, ließen Forscher Probanden an benutzten Trainingsjacken riechen, die je zur Hälfte aus Material mit und ohne Biozidzusätzen bestand. Einen markanten Unterschied machten sie nicht aus. Im Bundesumweltamt in Deutschland hält man diese Art der Desinfektion ebenfalls für verzichtbar. Mensch und Umwelt würden unnötigerweise mit Chemikalien belastet, hieß es dort in einer Stellungnahme gegenüber dem Deutschlandfunk. Sollte man antibakterielle Substanzen in Kleidung also verbieten? Eine schwierige Frage, sagt Anne-Marie Johansson:

    "Schweden ist innerhalb der EU für die Gefahreneinschätzung von Silber als Biozid zuständig. Dänemark untersucht Triklosan. Wir müssen abwarten, was die generelle Analyse dieser Stoffe ergeben wird. Das dritte in unserer Studie untersuchte Biozid, Triklokarban, zum Beispiel ist innerhalb der EU bereits verboten."

    Mitte Januar verabschiedete das EU-Parlament eine Verordnung zu Biozidprodukten. Demnach dürfen ab September 2013 nur noch biozidbehandelte Produkte in der EU auf den Markt kommen, die eine Zulassung haben. Schon heute gilt jedoch eine EU-Direktive, die vorschreibt, dass Biozide nur eingesetzt werden dürfen, wenn sie absolut notwendig sind. Doch genau dies festzustellen, tut sich die Chemikalienagentur schwer, kritisiert Maria Palm von Naturskyddsföreningen:

    "Studien wie die der Chemikalienagentur, die nicht klären, ob Biozide in Kleidung absolut notwendig sind, so wie es die Verordnung vorschreibt, sind erbärmlich. Die Behörde könnte den Einsatz der antibakteriellen Stoffe verbieten - allein aufgrund der Direktive."

    Auch im Sportgeschäft in Stockholm ist wenig über die Notwendigkeit von Bioziden in Sportbekleidung die Rede. Sie könne sich gern bei den Herstellern informieren, bietet eine serviceorientierte Verkäuferin an. Ein Angebot, das mit der neuen EU-Biozidverordnung 2013 Pflicht wird. Ob mehr Transparenz im Umgang mit Bioziden dazu führt, dass sie dann sparsamer eingesetzt werden, wird sich zeigen.