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Antimaterie vor der Haustür

Kosmologie.- Eines der Postulate der Kosmologie besagt, dass beim Urknall zu gleichen Teilen Materie und Antimaterie entstanden sein muss. Nun haben italienische Wissenschaftler solche Antimaterie im All nachgewiesen: Offenbar kommt sie gleich vor unserer kosmischen Haustür vor.

Von Guido Meyer | 16.08.2011
    Seit fünf Jahren fliegt PAMELA um die Erde – und zwar huckepack. PAMELA steht für "Payload for Antimatter-Matter Exploration and Light-Nuclei Astrophysics". Es handelt sich also um eine Nutzlast, die unter anderem Antimaterie im All aufspüren soll. PAMELA befindet sich an Bord eines russischen Forschungssatelliten und umrundet die Erde in einer Höhe zwischen 300 und 600 Kilometern. Und siehe da: PAMELA ist fündig geworden.

    "Wir haben Anti-Protonen entdeckt, die in einem Ring um die Erde gefangen sind. Sie bewegen sich vom Nordpol zum Südpol und wieder zurück."

    Piergiorgio Picozza vom Nationalen Institut für Nuklearphysik der Universität von Rom Tor Vergata hat sich mit seinem Team die PAMELA-Daten der südlichen Hemisphäre genauer angeschaut. Dabei stießen die Astronomen auf 28 Anti-Protonen. Auf ihrem Weg um die Erde nähern sie sich der Oberfläche auf bis zu 200 Kilometern. Ihre Bewegungsrichtung wird dabei bestimmt vom Erdmagnetfeld.

    "Das Erdmagnetfeld verhält sich wie ein Dipol, so wie beispielsweise ein Stabmagnet. Seine Magnetfeldlinien führen von seinem Nordpol zum Südpol und wieder zurück. Entlang dieser Linien bewegen sich die von uns entdeckten Anti-Protonen. Sie verlassen dabei nie die Atmosphäre. Sie werden vom Erdmagnetfeld eingefangen und bleiben dann in diesem gefangen."

    Dieser Ring aus Elementarteilchen ist als Van-Allen-Gürtel bekannt, der sich um die Erde legt. Auch dass in ihm Positronen den Planeten umkreisen, die Anti-Teilchen der Elektronen, ist bereits nachgewiesen worden. Neu ist nun jedoch die Entdeckung von rund 2000 Mal schwereren Anti-Protonen. Nur – woher kommen sie? Klar scheint zu sein: Sie kommen nicht aus den Tiefen des Alls. Sie entstehen vielmehr gleich hier.

    "Teilchen der kosmischen Strahlung reagieren mit der irdischen Atmosphäre. Dabei entsteht ein Paar aus Protonen und Anti-Protonen, die dann im Prinzip für immer die Erde umrunden könnten. In der Realität jedoch treffen sie meist nach wenigen Minuten auf andere Moleküle in der Atmosphäre, reagieren mit ihnen und werden zerstört. Statt positiv geladenen Protonen können auch ein Neutron und ein Anti-Neutron entstehen. Dieses Teilchen-Paar ist elektrisch neutral und instabil. Es zerfällt in ein Elektron und wiederum ein Anti-Proton, was die Messinstrumente auf PAMELA dann nachweisen können."

    Die Forscher glauben, dass die bislang entdeckten 28 Anti-Protonen nur die Spitze des "Anti-Eisberges" sind. Insgesamt dürften Milliarden solcher Elementarteilchen im Van-Allen-Gürtel um die Erde kreisen. Was schön wäre für Raumfahrtkonstrukteure, die schon lange von einem Anti-Materie-Antrieb für Raumschiffe träumen. Mit solchen enormen Vorräten gleich vor der kosmischen Haustür müsse dies kein Ding der Unmöglichkeit bleiben, glaubt Piergiorgio Picozza.

    "Man müsste diese Anti-Protonen in Raketenmotoren umleiten können. Die gegenseitige Vernichtung von Materie- und Anti-Materie-Teilchen würde dann die Energie zum Antrieb des Raumschiffs bereitstellen."

    Die Erdumlaufbahn also als künftiger Zwischenstopp zum Auftanken, bevor es tiefer hinaus ins All geht.