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Antisemitismus-Vorwürfe
Streit zwischen Polen und Israel eskaliert

Nach dem Konflikt zwischen Warschau und Jerusalem über den Holocaust sagte Polens Regierung seine Teilnahme am Gipfel der Visegrad-Staaten in Israel ab. Eine Niederlage für Israels Premier Benjamin Netanjahu - und ein weiterer Schaden für das schon länger angespannte Verhältnis der Länder.

Von Tim Aßmann | 18.02.2019
    Das israelische Kabinett mit Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Transportminister Yisrael Katz (links)
    Die Äußerungen von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Außenminister Israel Katz sorgten für Empörung in Warschau (EPA/GALI TIBBON / POOL )
    Das israelische Außenministerium fasste sich sehr kurz. Es werde kein vollständiges Treffen der Visegrad-Staaten in Jerusalem geben, teilte ein Ministeriumssprecher mit. Die Zusammenkunft trage nun nicht mehr den Titel Visegrad-Gipfel, da nicht alle Staaten dieser Gruppe vertreten seien. Die Entscheidung der polnischen Regierung, keine Delegation nach Israel zu schicken, kommentierte der Außenamtssprecher in Jerusalem nicht.
    Dabei war doch sein neuer Chef Auslöser der polnischen Absage. Am Sonntag, nur Stunden nach seiner Ernennung zum Außenminister, hatte Israel Katz in einem Fernsehinterview den Satz gesagt, der in Polen für Empörung sorgte. Katz zitierte den lange verstorbenen israelischen Premierminister Itzhak Schamir, der einst über die polnische Rolle im Holocaust gesagt hatte, die Polen hätten den Antisemitismus mit der Muttermilch aufgesogen. Am Morgen legte Katz dann in einem Radio-Interview nach.
    "Man kann sich diplomatisch verhalten, aber man kann die historische Wahrheit nicht ändern. Die Polen kollaborierten mit den Nazis und nahmen an der Vernichtung der Juden im Holocaust teil. Das ist die einzige Wahrheit. Der Antisemitismus gehörte zu den Polen. Vor und während dem Holocaust und auch danach."
    Beziehung zwischen Polen und Israel schon länger angespannt
    Stunden später kam dann die Konsequenz aus Polen. Ministerpräsident Mateus Morawiecki erklärte, sein Außenminister werde nicht nach Jerusalem reisen. Die Aussagen des israelischen Außenministers Katz seien komplett inakzeptabel.
    "Wir können uns selbstverständlich nicht erlauben, solche rassistischen Auftritte zu akzeptieren. Die gestrigen Worte sind ein Beispiel für Anti-Polonismus, rassistischen Anti-Polonismus. Wir können damit nicht einverstanden sein und werden darauf reagieren."
    Zuvor hatte Morawiecki selbst seine Teilnahme abgesagt – als Reaktion auf Äußerungen von Israels Regierungschef Netanjahu. Dieser hatte in der vergangenen Woche an einer Nahost-Konferenz in Warschau teilgenommen und er war mit der Aussage zitiert worden, Polen hätten mit den Nazis kooperiert.
    Netanjahus Büro erklärte, der Premierminister habe von manchen Polen und nicht vom polnischen Volk gesprochen, aber da war es schon zu spät. Ministerpräsident Morawiecki cancelte seine Visegrad-Reise und nach den Aussagen von Minister Israel Katz kommt nun gar keine polnische Delegation nach Jerusalem.
    Benjamin Netanjahu wird zwar Gespräche mit seinen Amtskollegen aus Ungarn, der Slowakei und Tschechien führen, aber eben nicht im Rahmen eines Visegrad-Gipfels. Stattdessen wird in Israel nun weiter heftig über das Verhältnis zu Polen diskutiert.
    Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind gespannt, seitdem in Warschau im vergangenen Jahr ein Gesetz verabschiedet wurde, das verbietet, dem polnischen Staat oder Volk eine Mitschuld an den Taten der Nazis zu geben.
    "Löschen der Erinnerung an den Holocaust"
    Shahar Rahmani ist Holocaust-Forscher und er begleitet israelische Schülergruppen regelmäßig auf Fahrten ins ehemalige Konzentrationslager Auschwitz. Zum umstrittenen Interview von Außenminister Katz sagte Rahmani nun im Fernsehkanal des israelischen Parlaments:
    "Ich weiß nicht ob es diplomatisch gewesen ist, sich so auszudrücken. Aber so, wie die Polen versuchen, ihre Ehre nach eigenem Verständnis wieder herzustellen, dürfen wir Juden nicht schweigen, denn letztendlich stellt dies einen Teil des Löschens der Erinnerung an den Holocaust dar."
    Für Israels Premierminister Netanjahu stellt das Platzen des Visegrad-Gipfels eine diplomatische Niederlage dar. Netanjahu steht unter Korruptionsverdacht und er kämpft bei den Wahlen im April ums politische Überleben. Für den Fall, dass er wegen der Anschuldigungen zurücktreten muss oder die Wahlen verliert, stehen in Netanjahus eigener Likud-Partei mehrere potenzielle Nachfolger bereit: Einer davon ist Außenminister Katz.

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