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Anton Alexander von Werner
Repräsentant des Wilhelminismus

Ein großes Historiengemälde machte ihn berühmt: "Die Proklamation des Deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal zu Versailles 1871" markierte die Wende im Leben des am 4. Januar 1915 verstorbenen Malers Anton Alexander von Werner. Mit dem Gemälde begann sein Aufstieg zum wilhelminischen Kunst-Funktionär.

Von Rainer B. Schossig | 04.01.2015
    "Die Proklamation des Deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal zu Versailles am 18. Januar 1871": Die erste Fassung des Gemäldes von Anton von Werner
    "Die Proklamation des Deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal zu Versailles am 18. Januar 1871": Die erste Fassung des Gemäldes von Anton von Werner (Imago/Imagebroker)
    "Eine Reihe von Soldaten und Offizieren in schmutzigen Stiefeln in einem französischen Salon, wo ein uniformierter Bariton Lieder vorträgt, von einem anderen Soldaten am Flügel begleitet. Die Burschen schüren das Feuer im Kamin, davor General Moltke bequem in den Sessel gelehnt; selbst die Quartierwirtin erfreut sich an der Gemütlichkeit der gutmütigen Eroberer."
    Der Kunsthistoriker Richard Hamann über ein frühes Gemälde des preußischen Hofmalers Anton von Werner. Es zeigt den Sieg über Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg 1871 nicht als Heldentat, sondern als biedermeierliche Idylle. Von Werner war damals als malender Kriegsberichterstatter hinter den deutschen Linien tätig.
    Kurz nach dem Feldzug lädt Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere 100-Tage-Kaiser, Anton von Werner ein, der Kaiserproklamation beizuwohnen, und der Augenzeuge macht den Staatsakt vom 18. Januar 1871 zum Gegenstand seines Gemäldes: "Die Proklamation des Deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal zu Versailles": martialisch erhobene preußische Säbel vor den Spiegeln des Bourbonen-Schlosses, eine Phalanx goldbetresster Gala-Uniformen, Pickelhauben und gewichster Stiefel, zentral im Bild Bismarck, der "Eiserne Kanzler", im weißen Parade-Kleid. Alles jubelt dem frisch gebackenen Kaiser Wilhelm I. zu.
    Anton Alexander von Werner wurde am 9. Mai 1843 in Frankfurt an der Oder geboren. Der Sohn einer alten märkischen Offiziersfamilie studierte Malerei an der Berliner und an der Karlsruher Kunstakademie.
    Funktionär der Kunst
    Trotz ausgedehnter Studienjahre in Frankreich und Italien prägte die malende Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg sein weiteres künstlerisches Werk; sein konservativ-höfischer Realismus ähnelte dem des greisen Malers Adolph von Menzel, den er neidlos als den Größeren anerkannte. Bei dem Schriftsteller Theodor Fontane kam Menzel jedoch bedeutend besser weg:
    "Was ihn mir so wert macht ist, dass Menzel - anders als so viele ,Historiker mit dem Pinsel' - den künstlerischen Akzent seiner Bilder sehr bewusst auf das Hineinragen des Großen ins Kleinleben legt, sie also gleichsam als Akklamation des Herrschers durch sein Volk malt, was mir weit mehr bedeutet als alles militärische Gepränge in der, Spiegel-Galerie' zu Versailles."
    Fontanes indirekte Kritik an Anton von Werner war für Kenner unüberhörbar. Die oberflächliche Pracht seiner Malerei machte von Werner zum wilhelminischen Kunst-Funktionär und -Administrator. Er nahm Einfluss auf die Baupolitik der Reichshauptstadt ebenso wie auf die Beschickung der Weltausstellungen in Paris und Melbourne, wo er sich mit sechs eigenen Arbeiten in Szene setzte. Sein Gönner, Kaiser Wilhelm II., war ein eingeschworener Reaktionär.
    In seiner berüchtigten "Rinnsteinrede" zur Eröffnung der Berliner Siegesallee griff er die künstlerische Moderne frontal an:
    "Wenn die Kunst, wie es jetzt vielfach geschieht, weiter nichts tut, als das Elend noch scheußlicher darzustellen, wie es schon ist, dann versündigt sie sich am deutschen Volk. Soll die Kultur ihre Aufgabe voll erfüllen, dann muss sie bis in die untersten Schichten des Volkes gedrungen sein.
    Das kann sie nur, wenn die Kunst die Hand dazu bietet, wenn sie erhebt, statt dass sie in den Rinnstein niedersteigt."
    Unangefochten durch den Kunststreit seiner Epoche, hat Anton von Werner Dutzende von Gemälden pompöser Haupt- und Staatsaktionen, wie etwa die Einweihung des Richard-Wagner-Denkmals im Tiergarten, gemalt und maßgebliche politische Persönlichkeiten portraitiert. 1875 wurde er Mitglied der preußischen Landeskunstkommission, der einflussreichsten Institution im preußischen Kunstleben, die auf ganz Deutschland ausstrahlte.
    Ablehnung durch die deutsche Kunstkritik
    Anton von Werner starb am 4. Januar 1915 in Berlin im Alter von 71 Jahren. Als ästhetischer Repräsentant des Wilhelminismus wurde er nach der Novemberrevolution von der deutschen Kunstkritik einhellig abgelehnt. Dennoch macht die erstaunliche handwerkliche Qualität seiner Malerei, insbesondere ihre dokumentarische Exaktheit, sein Oeuvre bis heute interessant.