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Antwort auf die atomare Bedrohung

Das atomare Wettrüsten der Supermächte USA und UdSSR hat die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg an den Rand der Vernichtung gebracht. Doch trotz der Bedrohung blieb der Konflikt vergleichsweise überschaubar: Der Atomwaffensperrvertrag begrenzte die Zahl der Atommächte. Heute vor 40 Jahren unterzeichneten die USA, Großbritannien und die Sowjetunion den Vertrag.

Von Matthias Rumpf | 01.07.2008
    "Nach einem Vierteljahrhundert voller Gefahren und Angst haben endlich Vernunft und Verstand die Oberhand gewonnen und werden dazu beitragen, Angst und Gefahren so weit wie möglich zu reduzieren."

    US-Präsident Lyndon B. Johnson sparte nicht mit Pathos als er im Weißen Haus am 1. Juli 1968 seine Unterschrift unter den Atomwaffensperrvertrag setzte. Ähnliche Zeremonien fanden am selben Tag in London und Moskau statt. Die Freude schien berechtigt, denn zum ersten Mal wurde der Welt ein Abkommen präsentiert, das die Verbreitung von Atomwaffen effektiv begrenzen sollte. Drei Bestimmungen dienten diesem Ziel:

    1. Alle Staaten, die vor dem 1. Januar 1967 keine Atombombe gezündet haben, verzichten dauerhaft und überprüfbar auf die Herstellung und den Besitz von Kernwaffen.

    2. Allen Mitgliedsstaaten steht dafür die friedliche Nutzung der Kernenergie offen.

    3. Die Atomwaffenstaaten versprechen, ihre Nuklearwaffen abzurüsten.


    Knapp zehn Jahre hatten die Vorbereitungen und Verhandlungen für diesen Vertrag gedauert. Auslöser waren die erfolgreichen Atomtests durch Frankreich und China. Beide Länder hatten weitgehend unabhängig von den Supermächten ihre Waffen entwickelt, und es bestand die Gefahr, dass weitere Länder folgen würden. Auch deshalb waren die atomwaffenfreien Staaten bereit, das Nebeneinander von Atommächten und Nicht-Nuklearstaaten zu akzeptieren, das der Vertrag ihnen abverlangte. Unterstützung fand dieser Vorstoß auch in der DDR.

    "Es ist Wunsch und Vorschlag der Deutschen Demokratischen Republik, dass die beiden deutschen Staaten einen internationale verbindlichen Vertrag abschließen, dessen Ziel es ist, die Lagerung von Kernwaffen auf ihrem Territorium auszuschließen","

    sagte der damalige DDR Außenminister Otto Winzer, als er in Moskau den Sperrvertrag unterzeichnete. In Bonn zögerte die Große Koalition mit dem Beitritt. Zwar hatte die Bundesrepublik schon 1954 gegenüber den Westalliierten auf die Herstellung von Atomwaffen verzichtet, nicht aber auf den Besitz und die Lagerung.

    Vor allem CDU und CSU wollten keinen umfassenden Verzicht auf Kernwaffen, der auch gegenüber der Sowjetunion verbindlich war. Der Einmarsch der Warschauer Pakt Staaten in die CSSR und eine Bestimmung in der UNO-Charta, die den Siegermächten besondere Rechte gegenüber den sogenannten Feindstaaten des Zweiten Weltkriegs einräumte, waren die Argumente, diese Position zu verteidigen. Rainer Barzel, damals Vorsitzender der CDU und CSU-Fraktion nach einer Fraktionssitzung im August 1968.

    ""Wir haben gesehen, dass die sowjetische Regierung in einem Aide Memoire an die Bundesregierung Bezug genommen hat auf die Artikel 53 und 107 der UNO-Satzung und sich dadurch die Rechte vorbehält, in jeder Weise hier zu intervenieren. Und nachdem wir nun gesehen haben, wie das in der Tschechoslowakei aussieht, glauben wir, dass eine Meinungsbildung unserer Fraktion in der Frage des Atomsperrvertrages voraussetzt, dass diese Frage der in Anspruch genommenen Interventionsposition gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geklärt ist."

    Unter sozial-liberaler Regierung trat die Bundesrepublik schließlich im November 1969 dem Sperrvertrag bei und ebnete damit auch den Weg für die Ostpolitik Willy Brandts. Gleichzeitig erhielt Bonn im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe der NATO indirekt Zugang zu auf deutschem Boden gelagerte Atomwaffen der USA und darf über deren Einsatz mitbestimmen.

    Der Sperrvertrag selbst entwickelte sich mit derzeit 189 Vertragsstaaten zum umfassendsten, aber gleichzeitig fragilen Instrument der Rüstungsbegrenzung. So haben die Atommächte ihr Versprechen zur nuklearen Abrüstung bisher kaum erfüllt und modernisieren ihre Arsenale weiter. Indien und Pakistan sind als Nicht-Unterzeichnerstaaten zu Atommächten geworden. Israel, ebenfalls kein Vertragsstaat, hat sich nie zur Atommacht erklärt, verfügt aber nach herrschender Expertenmeinung ebenfalls über Kernwaffen. Nordkorea hat 2003 den Austritt aus dem Sperrvertrag erklärt und behauptet, einsatzfähige Atomwaffen zu besitzen. Und zumindest die Vertragsstaaten Südafrika, Libyen und Iran haben zeitweise heimlich an der Entwicklung von Kernwaffen gearbeitet.