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Apples iBeacon
Das kontrollierte Einkaufen

Mit iBeacon will Apple die Nutzer durch Supermärkte und Einkaufszentren navigieren. Das könnte das Konsumverhalten grundlegend verändern. Vor der Einführung der Neuheit in Europa geben sich Hersteller und Tester allerdings bedeckt.

Von Sven Töniges | 02.08.2014
    Passanten tragen in der Münchner Innenstadt ihre Einkäufe.
    Werden wir bald beim Betreten eines Geschäfts auf Schritt und Tritt von Push-Nachrichten traktiert? (dpa / Frank Leonhardt)
    Es ist eine Technik, die das Potenzial zum nächsten ganz großen Ding in der mobilen IT-Welt hat; oder zum nächsten Rohrkrepierer. Erstaunlich beiläufig stellte Apple im vergangenen Jahr ein neues Feature seines mobilen Betriebssystems iOS7 vor – eine Idee, der mancher Beobachter zutraut, zum Totengräber des bisherigen Standards der Nahfeld-Kommunikation, der NFC, zu werden. iBeacon heißt das neue Positionierungssystem, benannt nach dem englischen Wort Beacon, Leuchtfeuer; und wie Leuchttürme können die kleinen, auf Bluetooth-Low-Energy basierenden Sender vorbeiziehende Smartphones ausmachen – zentimetergenau. iBeacons ermöglichen eine weitaus präzisere Standortbestimmung als die bisher verbreiteten Techniken wie WLAN oder GPS. Alexander Oelling vom Berliner Startup Sensorberg, einem der iBeacon-Vorreiter hierzulande:
    "NFC basierte ja darauf, dass man sein Handy mit entsprechenden Lesegeräten verbindet. Bluetooth funktioniert kontaktlos. NFC wurde von Apple nicht unterstützt, Apple hat seit mehreren Jahre daran gearbeitet, Bluetooth so zu erweitern, dass es wenig Strom braucht und dass man diese Technologie in neue Dienste erweitern kann. Von Indoor-Kommunikation bis eben auch Marketing-Nachrichten und Coupons."
    Punktgenaue Navigation zum Sonderangebot
    Gerade der Einzelhandel und die Marketing-Branche wittern bei iBeacon Morgenluft. Apple selbst machte den Vorreiter und stattete seine 254 US-Filialen mit den kleinen Leuchtfeuern aus. US-Warenhausmarktführer Macys zog nach und spielt Kunden Informationen und Neuheiten aufs Smartphone, zum Beispiel wenn sie in die Nähe eines bestimmten Produkts kommen. Oder der Kunde wird per iBeacon punktgenau durch den Laden zu einem Angebot navigiert.
    Nun kommt die Technik auch nach Europa und Deutschland. Seit Juni bestückt der Coupon-Dienst Gettings in einem Feldversuch 150 Läden in der Düsseldorfer Innenstadt mit iBeacon-Sendern. Sie sollen gezielte Werbebotschaften versenden, dem Kunden "standortbezogene Kaufanreize" zu bieten. Für ein Interview zum Thema stand die E-Plus Tochter Gettings leider nicht zur Verfügung.
    Auch die Marketing-Branche hat mitbekommen, dass kritischere Stimmen iBeacon auch das Potenzial einer monströsen Nervensäge zusprechen. Werden wir bald beim Betreten eines Geschäfts auf Schritt und Tritt von Push-Nachrichten traktiert?
    Harald Summa, Geschäftsführer des Internet-Branchenverbands Eco, traut es iBeacon zu, den mobilen Markt komplett umzukrempeln. Wenn denn die Marketing-Branche nicht überreißt.
    "Diese Nervensägen sind durchaus denkbar. Das ist eine Frage der Marketingleute, wie extrem sie das nutzen werden. Mit iBeacon wurde eine grundlegende Möglichkeit geschaffen, und jetzt liegt es an den Markteilnehmern, etwas daraus zu machen."
    Der deutsche iBeacon-Pionier Alexander Oelling widerspricht. Das Empfangen von Nachrichten setze eine entsprechende, bewusst installierte App voraus.
    "Das heißt, der Nutzer wird nicht sinnlos beim Einkaufen von irgendwelchen Nachrichten bombardiert, sondern, wenn er in einem Supermarkt ist, wird er nur von den Markenprodukten, von denen er die App installiert hat, Nachrichten empfangen können."
    Davon ab verstelle die Debatte ums Marketing den Blick auf die vielen anderen Anwendungsmöglichkeiten zum Beispiel der Heimnavigation, also etwa das Steuern von Heizung oder Licht; das Dirigieren von Bahnfahrern zum Richtigen Gleis oder das Führen durch ein Museum.
    Aus einem aber macht auch Apple keinen Hehl: Der Konzern drängt auf den Riesenmarkt des mobilen Bezahlen. Dabei könnte iBeacon so etwas wie das Missing Link darstellen. Spätestens dann dürften iBeacon-Anwendungen allerdings auch neue Datenschutzängste wecken.