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Arbeit, Integration, soziale Sicherung

Wenn er sich vorstellt, nennt er sich kurz der "Hartz IV.-Professor". Seit Ende 2010 unterrichtet Professor Rainer Göckler in Stuttgart den neuen Studiengang "Arbeit, Integration und soziale Sicherung", allgemeinsprachlich als Hartz IV. bekannt.

Von Michael Brandt | 18.01.2011
    Professor Rainer Göckler ist an der Dualen Hochschule Stuttgart der Leiter des Studiengangs "Arbeit, Integration, Soziale Sicherung" und augenzwinkernd räumt er ein, ja er sei der Hartz IV.-Professor:

    "Der Studienzweig heißt "Arbeit, Integration und soziale Sicherung", aber das prägt sich eben viel besser ein. Der Ausdruck stammt von meinen Kindern, die wollten wissen, was ich eigentlich mache und die hatten damals in der Schule gerade Hartz IV. auf dem Plan und sagten: 'Ah, jetzt weiß ich, du bist Hartz-IV.-Professor'."

    In diesem Semester hat der Hartz IV.-Studiengang Premiere, in der Fakultät für Sozialwesen der dualen Hochschule Baden-Württemberg. Der Professor hat sich in der vorigen Woche mit seinen sechs Studierenden zur ersten Lehrveranstaltung getroffen, und es geht naheliegenderweise darum, was sie von Hartz IV. halten.

    "Wenn ich jetzt Hartz IV. beziehen würde, finde ich natürlich total gut, dass es das gibt, bevor ich auf der Straße stehe und betteln müsste. Anstatt gar nix zu haben, sind die 359 Euro sehr viel für eine Person. Es gibt auch Leute mit Sanktionen, die dann auch mal mit 200 Euro auskommen müssen, und da sieht man schon den Unterschied."

    Bevor die Studierenden an die Uni nach Stuttgart gekommen sind, haben sie alle bereits eine dreimonatige Praxisphase hinter sich. Alex zum Beispiel war beim Landratsamt und beim Jobcenter Esslingen.
    "In meiner Schulzeit habe ich schon sämtliche soziale Projekte mitgemacht und den Zivi habe ich auch sinnvoll genutzt und mir war klar, dass ich auch später mal was am Menschen machen will. Von diesen neuen Studiengang habe ich sehr kurzfristig erfahren, und er hat mich sofort interessiert - und jetzt sitze ich hier."

    Wenn die Studierenden nach drei Jahren ihren Bachelor in der Tasche haben, sind sie einerseits vollwertig ausgebildete Sozialpädagogen und können sich überall dort eine Stelle suchen, wo diese Ausbildung gefragt ist. Andererseits sind sie auf den Umgang mit Arbeitslosen und deren Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt spezialisiert, so Professor Rainer Göckler:

    "Sozialarbeiter, die hier fertig sind, arbeiten bei Bildungsträgern, bei Beschäftigungsträgern, zum Beispiel im Rahmen von Ein-Euro-Jobs, sie arbeiten bei Arbeitslosenberatungsstellen, in Jobcentern in den Agenturen und in den Kommunen."

    In vielen Fällen allerdings werden die Partner der Hochschule, die sozialen Träger oder die Kommunen, bei denen die Studierenden jetzt den Praxisteil ihres Studiums absolvieren, Interesse daran haben, dass die Absolventen auch nach dem Studienabschluss bei ihnen bleiben, denn genau sie haben Bedarf an den Spezialisten.

    Und genau diese Institutionen haben sich den Studiengang schon seit Jahren gewünscht – genauso wie Göcklers Studierende.

    "Die Studierenden haben immer wieder reklamiert, dass sie sich nicht richtig aufgehoben fühlen. Daraus hat die Fakultät dann die Schlussfolgerung gezogen, dass man prüfen muss, ob sich ein eigener Studiengang in diese Gebiet lohnt. Daraufhin ist diese Stelle hier ausgeschrieben worden und ist von den Kooperationspartnern aus der Praxis auch sehr, sehr gut angenommen worden. Sie haben es gefordert. Das fehlt hier."

    Beziehungsweise es fehlte, denn jetzt gibt es ja die erstens sechs Studenten und nach Göcklers Wunsch sollen es in den kommenden Semestern deutlich mehr werden. Er rechnet mit 30 Studierenden pro Semester.

    Göcklers Vita steht übrigens geradezu exemplarisch für die Verbindung von Praxis und Theorie, wie sie in dem Studiengang vermittelt werden soll. Er kommt aus dem Sozialamt, wo er Berufsberater war, war dann bei der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit und hat dort unter anderem Fallmanager ausgebildet und wurde schließlich zum Hartz IV.-Professor berufen:

    "Mir gefällt, dass ich genau das machen kann, was ich immer wollte, nämlich Praxis-Theorie-Transfer. Ich komme aus der Praxis, ich war Berufsberater und glaube, ich krieg das ganz gut zusammen."