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Arbeiten im stillgelegten Atomkraftwerk

Barsebäck 1 und 2 sind die bislang einzigen Reaktoren, die nach dem schwedischen Beschluss zum Atomausstieg vom Netz genommen wurden. Und vielleicht die letzten, denn längere Laufzeiten der verbliebenen Reaktoren sollen wieder möglich werden. Für das stillgelegte Barsebäck 2 kommt das zu spät, trotzdem verharren noch 200 Angestellte an ihrem Arbeitsplatz. Warum?

Von Alexander Budde | 19.02.2009
    "Hier sehen wir das Reaktorgebäude und das Pumpenhaus. Die beiden Siedewasserreaktoren lieferten je 600 Megawatt, genug Strom für 600 000 Menschen. Die letzte Anlage haben wir 2005 abgestellt. Aber wir sind immer noch 200 Leute hier. Einsam fühle ich mich nicht. "

    Lars-Gunnar Fritz hat sein halbes Berufsleben im Atomkraftwerk Barsebäck verbracht. Nach der Havarie von Harrisburg schlugen die Emotionen hoch, erinnert sich der Techniker. Vor dem Zaun marschierten die Atomgegner auf und einige seilten sich gar von der gewaltigen Fassade ab. Heute geht es eher still und beschaulich zu.

    Sonje Johansson verliert sich in den Weiten des Kontrollraums, der beleibte Schwede blickt auf viele nutzlose Instrumente. Irgendwo in den Tiefen der Anlage sind noch Pumpen in Betrieb.

    "1975 habe ich hier angefangen - und schon damals wurde hitzig über die Kernkraft diskutiert. Wir trauten wir uns kaum, unseren Nachbarn und Freunden von unserer Arbeit zu erzählen. Aber zugleich waren wir stolz, mit so einer fortschrittlichen Technologie zu arbeiten. Und wenn die Anfeindungen zunahmen, dann haben wir uns hier drinnen nur noch mehr angestrengt."

    Als gäbe es ein Morgen, haben sie einfach immer weiter gemacht.
    Es gibt einen schwunghaften Handel mit ausgedienten Installationen. Der technische Nachwuchs übt sich an Ventilen, Kränen, Schaltpulten. Praktische Simulation - garantiert ohne Restrisiko. Auch die Technik schreitet voran.

    Magnus Täcklind und seine Ingenieurs-Kollegen entwickeln in Barsebäck Komponenten für die Modernisierung der Kraftwerks-Filiale Ringhals. Sie wird seit einigen Jahren massiv aufgerüstet. Dank milliardenschwerer Investitionen der großen Energieversorger Eon, Fortum und Vattenfall produzieren die zehn verbliebenen Meiler in Schweden heute mehr Strom als früher die zwölf. Laufzeitverlängerungen von 20 bis 30 Jahren sind geplant.

    "Allein in unserer Konstruktionsabteilung haben wir im letzten Jahr drei Dutzend Leute eingestellt. Junge Talente klopfen bei uns an. Nicht zuletzt wegen der Finanzkrise und dem Niedergang in anderen Branchen."

    Kraftwerks-Chef Leif Öst schaut von seinem Schreibtisch aus über die dunklen Wasser des Öresunds und auf ein Spalier von Windmühlen vor dem Strand von Kopenhagen. Die Demontage "seines" Reaktors wird er nicht mehr erleben, im nächsten Jahr geht er in Pension.

    "Die Stilllegung haben wir nie verstanden, das war halt ein politischer Beschluss. Aber weil wir unseren Stolz haben, wollten wir die Anlage bis zur letzten Minute vorbildlich betreiben. Und jetzt wollen wir zeigen, wie man ein Atomkraftwerk so schnell, sicher und billig wie möglich entsorgen kann."

    Sie strahlen einen überraschenden Optimismus aus, die Abgewickelten von Barsebäck. In seinem beschaulichen Bungalow, rund 20 Kilometer vom Reaktor gelegen, rätselt Nils Lewan über den jüngsten Klimawandel in Sachen Atom.
    Womöglich war die Stilllegung des Meilers nur ein Pyrrhussieg, fürchtet der pensionierte Geographieprofessor. Doch den könne ihm und seinen vier Enkeln niemand mehr nehmen, schmunzelt der Anti-Atom-Veteran.

    "Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir Schweden von großen Katastrophen verschont bleiben. Aber was soll mit dem Strahlenmüll geschehen? In ein paar Jahrzehnten gibt es ein Endlager, versprechen uns die Techniker. Aber wie soll ich da noch meinen Enkelkindern in die Augen sehen?"