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Arbeitsmediziner
Stickoxid-Belastung am Arbeitsplatz nicht mit Straßenverkehr vergleichbar

Am Arbeitsplatz gelten sehr viel höhere Grenzwerte für Stickoxide als im Straßenverkehr. Doch diese werden auch ganz anders abgeleitet als die für den Straßenverkehr, sagte Thomas Gebel von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Dlf. Denn die Belastung am Arbeitsplatz sei begrenzt.

Thomas Gebel im Gespräch mit Jule Reimer | 29.01.2019
    Ein Schweißer verbindet zwei Metallteile.
    Ein Schweißer verbindet zwei Metallteile. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Jule Reimer: Die Debatte um Grenzwerte für Luftschadstoffe und die damit verbundenen Fahrverbote kommt nicht zur Ruhe. O-Ton der Regierung: Man wolle sich um eine wissenschaftliche Klärung bemühen. Dabei gibt es umfangreiche wissenschaftliche Belege, und ausgerechnet die Kritiker der Grenzwerte haben bislang keine wissenschaftlichen Belege für ihre Thesen vorgelegt. Erstaunlich für den Laien ist jedoch der sehr, sehr unterschiedlich hohe Grenzwert für Stickoxide am Straßenrand im Vergleich zu denen am Arbeitsplatz. Vor dieser Sendung fragte ich den Professor für Toxikologie, Thomas Gebel, von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, an welchen Arbeitsplätzen die Luftschadstoffbelastung mit Stickoxiden oder Feinstaub besonders hoch ist.
    Thomas Gebel: Stickoxide entstehen hauptsächlich als Produkte unerwünschter Nebenreaktionen bei Verbrennungsprozessen.
    Reimer: Das heißt, Schweißer zum Beispiel.
    Gebel: Stellen Sie sich vor: Kfz-Mechaniker, man hat Dieselaggregate an Arbeitsplätzen, auf Baustellen, Rüttelplatten, überall dort sind ja Verbrennungsmotoren zugange, in der Stahlverarbeitung. Also das sind ja überall eigentlich Expositionen.
    Zeitliche Begrenzung der Belastung am Arbeitsplatz
    Reimer: Am Straßenrand soll ich im Jahresmittel nicht mehr als 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft von Stickoxiden aufnehmen, am Arbeitsplatz dürfen es aber 950 Mikrogramm je Kubikmeter sein. Wieso darf ich am Arbeitsplatz einer solchen Gefährdung ausgesetzt sein, wenn Stickoxide so gefährlich sind?
    Gebel: Punkt eins, so gefährlich ist ja dann wieder eine andere Frage. Wir reden hier über ein Reizgas. So gefährlich ist Stickstoffdioxid zum einen nicht. Beide Werte, sowohl in der Umwelt als auch am Arbeitsplatz, sind so abgeleitet, dass sie im Allgemeinen vor Schädigungen schützen sollen. Der Unterschied liegt jetzt nun daran, dass wir in der Umwelt ja auch die vorerkrankten Personen, die ganz alten Personen, die kleinen Kinder, die Säuglinge schützen wollen und dass wir in der Umwelt natürlich auch davon ausgehen, dass wir rund um die Uhr unser ganzes Leben belastet sind. Am Arbeitsplatz ist die Belastung ja maximal acht Stunden am Tag, 40 Stunden die Woche und dann nur die Lebensarbeitszeit, also nicht das ganze Leben, und daraus resultieren dann unterschiedliche Höhen der Werte, die aber beide so abgeleitet sind, dass da keine Gesundheitsgefährdung bei auftreten.
    Reimer: Gilt das bei Feinstaub genauso?
    Gebel: Das ist bei Feinstaub genauso.
    Asthmatiker reagieren früher
    Reimer: Jetzt gibt es aber auch an Industriearbeitsplätzen und dem Handwerk Menschen mit Asthma.
    Gebel: Das ist richtig. Wir hatten damals bei den Diskussionen - und das betrifft auch Schwefeldioxid - schon die Erkenntnis, dass Asthmatiker empfindlicher gegenüber Schwefeldioxid und auch Stickstoffdioxid reagieren. Es handelt sich beim Stickstoffdioxid eigentlich um jetzt eine Reaktion, dass, ich sage mal einfach, die Atemwege sich etwas verengen, und da reagieren Asthmatiker früher oder bei niedrigeren Belastungen als es ein Nichtasthmatiker tut. Da ist aber auch der Unterschied, wie ein Asthmatiker reagiert - es gibt milde und schwere Asthmatiker - grundsätzlich unterschiedlich. Das sind auch nur wenige Prozent der Personen, die da betroffen sind. Man hat im Prinzip dann aber auch gesagt am Arbeitsplatz, wir können die Grenzwerte nicht so ableiten, dass wir hier, ich sage mal, noch den empfindlichsten vorerkrankten Asthmatiker mit schützen, vor dem Hintergrund natürlich, dass die Effekte, die auftreten, dann für diese Person ja auch nicht von schwerem Ausmaß sind.
    Betroffene Personen woanders einsetzen
    Reimer: Was kann ich denn dann tun, wenn ich betroffen bin an meinem Arbeitsplatz, beziehungsweise, wo muss der Arbeitgeber vielleicht auch vorbeugen?
    Gebel: Na ja, ich meine, Sie können immer dann Maßnahmen treffen, dass Sie so eine Person in einer anderen Tätigkeit einsetzen, dass Sie die Tätigkeitszeit reduzieren. Im Prinzip ist das - wie gesagt, es handelt sich um ganz, ganz wenige Personen, die hier betroffen sind - eigentlich nicht ein großes Problem.
    Reimer: Sehen Sie in Ihrem Bereich einen Bedarf für eine Überprüfung der Werte oder eine Absenkung?
    Gebel: Der Wert ist relativ frisch abgeleitet. Das haben wir vor einigen Jahren getan. Wir haben uns sowohl die Erfahrung am Menschen angesehen und haben gegenübergehalten, das, was auch aus den tierexperimentellen Untersuchungen vorlag. Das passt relativ gut zusammen, und ich sehe für einen Arbeitsplatz keine Veranlassung, das jetzt noch mal neu zu diskutieren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.