Mittwoch, 24. April 2024

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Arbeitsrechtler zu Impfverordnung
Arbeitgeber kann "pandemiekonformes Verhalten" verlangen

Kann ein Betrieb Mitarbeiter zur Corona-Impfung verpflichten? Es gibt keine gesetzliche Impfpflicht, stellt der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing im Dlf klar. Aber ein Arbeitgeber darf sehr wohl Konsequenzen ziehen, wenn ein Mitarbeiter durch Impfverweigerung seiner Arbeit nicht nachgehen könne.

Gregor Thüsing im Gespräch mit Birgid Becker | 18.12.2020
Eine medizinische Fachangestellte setzt bei einem Probedurchlauf im Impfzentrum Bamberg bei einer Dame zur Impfung an. In der Spritze befindet sich kein Impfstoff. Im sich noch im Aufbau befindlichen Impfzentrum in der Bamberger Brose Arena wurden bereits Probeabläufe durchgeplant.
Mit Zulassung eines Impfstoffs stellen sich viele neue Fragen im Kampf gegen SARS-CoV-2 (picture alliance / dpa / Nicolas Armer)
Wenn in Deutschland die Impfungen gegen SARS-CoV-2 beginnen, werden sich manche Menschen trotzdem nicht impfen lassen wollen. Das ist ihr Recht, eine Impfung ist eine individuelle Entscheidung, eine Impfpflicht gibt es in Deutschland nicht. Aber kann das Unterlassen einer Impfung arbeitsrechtliche Konsequenzen haben?
Besonders in Gesundheitsberufen, wo mit Infektions-Risikogruppen gearbeitet wird, kann das der Fall sein. Der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing erklärt, dass ein Arbeitgeber sehr wohl Konsequenzen ziehen darf, wenn ein Mitarbeiter von einer bestehenden Möglichkeit einer Impfung keinen Gebrauch macht. Wer sich bewusst nicht impfen lasse und dadurch etwa nicht mehr am Patienten einsetzbar sei, könne zum Beispiel zeitweise den Anspruch auf Bezahlung verlieren.
Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, gibt in seinem Ministerium eine Pressekonferenz zur Impfstrategie der Bundesregierung. Ab dem 27.12.2020 sollen demnach zuerst Pfleger und alte Menschen gegen das Coronavirus geimpft werden
Kommentar zu Impfverordnung: Eine Notlösung, aber eine angemessene
Dlf-Hauptstadtkorrespondent Volker Finthammer findet es absolut richtig, zuerst Hochrisikogruppen wie die Über-80-Jährigen gegen das Coronavirus zu impfen. Auch wenn das zwangläufig bedeutet, dass andere Gruppen zurückstehen müssen.

Arbeitgeber kann pandemiekonformes Verhalten verlangen

Nach Paragraf 23 und 23a des Infektionsschutzgesetzes müssen etwa Arztpraxen, Heime und Krankenhäuser ausdrücklich eine Weiterverbreitung von Krankheitserregern vermeiden - dafür dürfen sie, wenn nötig, auch den Impfstatus ihres Personals "verarbeiten". Wenn ein Betrieb dieses Wissen über seine Mitarbeiter hat und nicht danach handelt, könnte er in Schwierigkeiten kommen, erklärt Thüsing.
Ein Arbeitgeber habe ein Interesse daran, dass sein Arbeitsstätte virenfrei bleibe. Er könne von seinen Beschäftigten grundsätzlich verlangen, dass sie sich möglichst pandemiekonform verhalten, Maske tragen etwa, Abstand halten oder gegebenenfalls einen Corona-Schnelltest machen.
Es komme aber immer auf den Einzelfall an, betont der Arbeitsrechtler, also: Wie groß ist das Risiko, wer ist gefährdet, was wären geeignete Schutzmaßnahmen?
Eine Spritze steckt in einem Fläschchen mit dem Aufdruck "COVID-19 Vaccine"
Was Sie über die Corona-Impfung wissen müssen
Der Kampf gegen die Corona-Pandemie geht in die entscheidende Phase: Sobald ein Impfstoff zugelassen wird, beginnen die Impfungen in den deutschen Impfzentren. Wer kann sich impfen lassen? Wie sicher sind die Impfstoffe? Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten und ist man danach immun?

Wenig Aussicht, frühere Impfung einzuklagen

Thüsing rechnet insbesondere in der Pflege nicht mit vielen Impfverweigerern. Er glaube, dass viele Menschen in der Pflege um die besondere Infektionsanfälligkeit ihrer Patienten wüssten und ihrer Verantwortung allein schon aus Überzeugung nachkommen würden, sagte Thüsing im Dlf.
Der Arbeitsrechtler geht davon aus, dass bei 80 Millionen Menschen in Deutschland einige versuchen werden, eine frühere Impfung einzuklagen als nach der Impfverordnung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgesehen. Diesen Klagen räumt Thüsing allerdings keine großen Erfolgschancen ein.
29.10.2018, Thüringen, Erfurt: Cornelia Betsch, Projektkoordinatorin "Impfen60+" von der Universität Erfurt aufgenommen in der Polyklinik der Dr. med. Kielstein Ambulante Medizinische Versorgung GmbH bei einem Pressegespräch. Ein Jahr nach dem Start einer thüringenweiten Impfkampagne für ältere Menschen ziehen die Organisatoren am selben Tag eine Zwischenbilanz. Die bis September 2019 laufende Aktion "Impfen60+" soll zu einem besseren Impfschutz bei älteren Menschen führen. Im Mittelpunkt stehen die Schutzimpfungen gegen Virusgrippe und Pneumokokken-Bakterien als Verursacher von Lungenentzündungen. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa
Impfverordnung "wird auf Akzeptanz treffen"
Cornelia Betsch, Expertin für Gesundheitskommunikation, hält Spahns Impf-Pläne für vernünftig. Sie mahnte im Dlf aber entschieden, das Informationsbedürfnis der Menschen ernst zu nehmen.