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Arbeitszeit-Studie
Jeder zweite Erwerbstätige geht früher in Rente

Von wegen Arbeiten bis zum Umfallen: Einer Studie zufolge geht jeder zweite Erwerbstätige früher in Rente - mit finanziellen Nachteilen. Das gilt vor allem für Arbeiter auf dem Bau, im Holzgewerbe und der Metallbrache. Akademiker hingegen schieben den Renteneintritt eher hinaus.

Von Dieter Nürnberger | 04.07.2018
    Ein älteres Ehepaar steht am 12.12.2015 am Ufer des Helenesees nahe Frankfurt (Oder) (Brandenburg) (Aufnahme mit Farbfilter).
    Arbeiten bis zum Renteneintritt? Viele Erwerbstätige machen früher "Feierabend" (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Immerhin: Mehr als zwei Drittel der Berufstätigen in Deutschland sind durchgängig beschäftigt. Doch rund 32 Prozent haben Brüche in ihrer jeweiligen beruflichen Biografie. Die Techniker Krankenkasse hat für diesen Befund die Daten von rund 5 Millionen Versicherten ausgewertet, sie bildet damit - nach eigenen Angaben - rund 15 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ab. Die Gründe für die Unterbrechungen im Erwerbsleben sind vielschichtig - die heute vorgestellte Studie hat Thomas Grobe vom "aQua-Institut" in Göttingen verfasst:
    "Häufigster Grund ist trotz guter konjunktureller Lage die Arbeitslosigkeit. Immerhin: Jeder zwanzigste berufstätige Mann und jede siebte berufstätige Frau erhielt in Untersuchungszeitraum Elterngeld. Zudem: Möglichkeiten zu einem vorzeitigen Gang in die Altersrente - sofern sie denn bestehen - werden sehr ausgiebig genutzt."
    Renteneintritt der Babyboomer wird zum Problem für Unternehmen
    Denn jeder zweite Erwerbstätige scheide vor dem offiziellen Renteneintrittsalter aus dem Arbeitsleben aus, davon jeder siebte aufgrund von gesundheitlichen Problemen wie Berufsunfähigkeit oder aufgrund einer Schwerbehinderung.
    Der demografische Wandel wird auch deshalb nach Ansicht der Techniker Krankenkasse zu einem Problem für die Unternehmen in Deutschland. Denn langsam komme auch die Generation der sogenannten Babyboomer in das Rentenalter. Da sich jedoch die jeweiligen Tätigkeiten nur schwer vergleichen lassen, befürwortet Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, eine modifizierte Berechnungsgrundlage für das Renteneintrittsalter. Manche Berufe - vor allem im Handwerk oder im Baugewerbe - ließen ein Durcharbeiten bis zum offiziellen Renteneintrittsalter gar nicht zu:
    "Das muss man so gestalten, dass die Abschläge - wenn überhaupt vorhanden - so sind, dass man dann auch wirklich in dem Alter, in dem man körperlich in Rente gehen muss, auch finanziell in Rente gehen kann. Und ich deswegen nicht mehr arbeiten muss."
    TK will Gesundheitsmanagement am Arbeitsplatz verbessern
    Allerdings gehe durch die Frühverrentung auch ein enormes Wissens- und Leistungspotential verloren, so Jens Baas. Gesellschaftlich wichtig sei es daher, dass die Beschäftigten so lange wie möglich leistungsfähig blieben und somit auch bis zum Rentenbeginn arbeiten können. Für die Techniker Krankenkasse wird deshalb das betriebliche Gesundheitsmanagement immer wichtiger. Beispielsweise die Berliner Wasserbetriebe. Hier gibt es derzeit 4.300 Beschäftigte - die Verwaltungsarbeit nimmt zu, was auch ein Mehr an sitzenden Tätigkeiten oder auch Arbeit im Schichtdienst bedeutet:
    Weshalb bei den Wasserwerken schon längst Aspekte wie gutes Sitzen am Arbeitsplatz oder Sportangebote als Ausgleich dazu gehören. Noch relativ neu ist beispielsweise auch ein Angebot zur Beratung für pflegende Angehörige im Betrieb. Kristin Kroboth ist dort Gesundheitsmanagerin:
    "Seien es Eltern, die betroffen sind. Seien es Ehepartner, die betroffen sind. Wir machen das, um auf eine solche schwierige Lebenssituation eingehen zu können."
    Projekte wie dieses sind allerdings noch eher Leuchttürme - beispielsweise in bestimmten kommunalen Unternehmen. Sie müssten aber ausgebaut werden, so das Fazit der Techniker Krankenkasse, damit nicht noch mehr Berufstätige zu früh aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen.