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Architekt der italienischen Einheit

In jeder Stadt Italiens ist ein Platz oder eine Straße nach ihm benannt, vielerorts findet sich auch sein Denkmal. Da schaut er ernst und stolz in die Ferne und die Zukunft: Camillo Benso Graf von Cavour, der am 10. August 1810 geboren wurde und als Begründer eines einheitlichen Italiens gilt.

Von Günther Wessel | 10.08.2010
    Geboren in Turin, der Hauptstadt des Königreiches Sardinien-Piemont, wächst Cavour in einem nach dem Wiener Kongress von 1815 zerstückelten Land auf. Nur in Sardinien-Piemont herrscht eine einheimische Dynastie, ansonsten wird die Halbinsel von französischen und österreichischen Herrscherhäusern sowie dem Vatikan regiert.

    In Italien wächst der Wunsch nach einem einheitlichen Staat.

    "Auch in anderen Ländern gibt es ähnliche Nationalbewegungen",

    sagt der in Berlin lebende italienische Publizist Gianluca Falanga, der mehrere Bücher über sein Heimatland verfasst hat:

    "Es knüpfte sozusagen an die klassische Vergangenheit an. Die Italiener aus den verschiedenen Kleinstaaten hatten sich immer irgendwie als Teil eines Landes gesehen, der aber nicht als Staat existierte. Weil in Italien, das, was so zusammenhält, ist ja die Kultur, eher als der Staat. Die Kultur gab es schon immer, und dieser Staat fehlte. Und in dieser Zeit entstand diese Vorstellung in Italien gehört sozusagen alles zusammen, und müsse auch politisch vereint werden."

    Die Sehnsucht nach Unabhängigkeit, Einigkeit und Freiheit – Giuseppe Verdi fasste sie in Musik. 1841 hatte seine Oper "Nabucco" in Mailand Premiere: die Geschichte vom Leid der Juden unter babylonischer Herrschaft. Der Chor "Flieg, Gedanke, auf goldenen Flügeln" wurde schnell als Protest gegen Tyrannei und politische Willkür verstanden.

    Cavour gründete 1847 die Zeitschrift "Risorgimento" – Wiedergeburt. Ihr politisches Programm: Wirtschaftsliberalismus und die Einheit Italiens in einer konstitutionellen Monarchie. Als Herausgeber des Blattes wurde Cavour bald zum einflussreichsten Politiker Sardinien-Piemonts. Außer ihm prägten Giuseppe Mazzini und Giuseppe Garibaldi die Epoche.

    "Mazzini war für die Republik, also er wollte sozusagen so 'ne Demokratie, und Garibaldi war so 'ne Art Che Guevara der Zeit. Also er hatte schon fortgeschrittenen Vorstellungen Richtung Sozialismus",

    ordnet Gianluca Falanga ein. Garibaldi beteiligt sich an Aufständen in den 1840er-Jahren. Geschlagen zieht er sich jedoch 1849 ins Exil nach New York zurück. Auch Mazzini verlässt das Land, und so bleibt vom Dreigestirn nur noch Cavour übrig. 1852 wird er unter König Viktor Emanuel II. Ministerpräsident des Königreiches von Sardinien-Piemont und mischt erfolgreich im Spiel der europäischen Mächte mit, in Intrigen, Kriegen und auf diplomatischem Parkett.

    "Der war sozusagen so'n feiner Schachspieler der Politik. Sein Ziel war als Ministerpräsident Piemonts-Savoyen, diesen Staat zu erweitern."

    Cavour schmiedet Allianzen mit England und Frankreich – Österreich soll aus Italien verdrängt werden. Nach mehreren Kriegen und Volksabstimmungen fallen weite Teile Nord- und Mittelitaliens an das Königreich Sardinien-Piemont. Der Mitte der 1850er-Jahre zurückgekehrte Giuseppe Garibaldi erobert den Süden des Landes. Im Oktober 1860 treffen sich Garibaldi und Viktor Emanuel II. Garibaldi spricht den König als "König von Italien" an. Cavour hat sein Ziel erreicht, bis auf Venetien und Rom ist Italien vereint.

    Am 17. März 1861 wurde in Turin das Königreich Italien ausgerufen, mit Viktor Emanuel II. als König. Camillo Benso Graf von Cavour war der erste Ministerpräsident Italiens. Er amtierte allerdings nur drei Monate. Der Begründer der italienischen Einheit starb am 6. Juni 1861.