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ARD-Korrespondent: Rebellen sind heillos unterlegen

Trotz der NATO-Angriffe seien die Rebellen in der Defensive, sagt ARD-Korrespondent Jörg Armbruster. Grund sei die schlechte Ausrüstung im Gegensatz zu den Gaddafi-Truppen. Waffenlieferungen an die Aufständischen seien allerdings problematisch, da sie eine eindeutige Parteinahme darstellten.

Jörg Armbruster im Gespräch mit Friedbert Meurer | 31.03.2011
    Friedbert Meurer: Seit eineinhalb Wochen werden die Truppen Gaddafis aus der Luft angegriffen, werden Luftabwehrstellungen zerstört. Aber es gibt noch keine Anzeichen, dass die Intervention den Diktator Gaddafi wirklich in die Knie zwingt. In den Meldungen heißt es eher, die Rebellen verlieren bereits eroberte Städte wieder an die Regierungstruppen. Aber der libysche Außenminister hat sich aus dem Staub gemacht. Mussa Kussa ist nach London geflohen. – In Tripolis bin ich verbunden mit ARD-Fernsehkorrespondent Jörg Armbruster. Was ist das für ein Mann, Mussa Kussa?

    Jörg Armbruster: Nun, wir haben ihn vor eineinhalb Wochen hier erlebt, im Hotel bei einer Pressekonferenz. Da hat er etwas hilflos ein Statement der Regierung vorgelesen vom Blatt, hat sich jeder Frage anschließend entzogen. Er hat, nachdem er das vorgelesen hat, den Raum sofort wieder verlassen. Mir kam er etwas eigenartig hilflos vor. Danach ist er nie wieder aufgetaucht vor der internationalen Presse hier im Hotel und hat das Feld seinem Stellvertreter Kaim Chaled überlassen. Ob das etwas zu bedeuten hatte damals, ist natürlich jetzt schwer zu beurteilen, und auch die Flucht selber ist ein bisschen schwer zu beurteilen, denn Innenminister und Justizminister haben sich ja schon Anfang dieser Auseinandersetzung, dieses Bürgerkrieges aus dem Staub gemacht. Vielleicht ist es so, dass, mal salopp gesagt, die Ratten das sinkende Schiff verlassen, und ob die Regierungsmitglieder denn tatsächlich ihr Herz plötzlich für Demokratie entdeckt haben, möchte ich bezweifeln. Sie haben ja jahrelang Gaddafi als Minister in hohen Posten gedient.

    Meurer: Wie viel, Herr Armbruster, bekommen Sie von den Luftangriffen der Alliierten in Tripolis mit?

    Armbruster: Nun gut, wenn es hier in Tripolis oder im Großraum Tripolis Luftangriffe gibt, wenn Marschflugkörper einschlagen, dann hören wir das natürlich. Es gab immer wieder in den letzten Wochen eigentlich regelmäßig jede Nacht schwere Explosionen, es gibt dann auch das Flugabwehrfeuer, die versuchen, die Cruise Missiles vom Himmel zu holen. Bisher ist das meinen Informationen nach noch nicht geglückt. Aber die Raketen treffen sehr präzise, muss man sagen, denn das Regime bemüht sich zwar immer wieder, zerstörte Zivilhäuser uns vorzuführen, aber das sind dann entweder sehr konstruierte Geschichten, oder eben, wie es auch Kollegen passiert ist, fährt man zwei Stunden durch die Stadt und die Regierungsvertreter finden die zerstörten Häuser noch nicht einmal.

    Meurer: Erleben Sie irgendwelche Meinungsäußerungen in Tripolis, dass die Leute die Nase voll haben von Gaddafi, oder ist es umgekehrt so, dass die Raketenangriffe eher zusammenschweißen und die Stimmung pro Gaddafi ausschlägt?

    Armbruster: Da wir immer mit einem staatlichen Aufpasser unterwegs sind hier in der Stadt und gar nicht das Hotel mit Kamera ohne einen solchen Aufpasser verlassen dürfen, ist es natürlich sehr schwer, Stimmungen auszuloten, denn die Menschen sagen das, was diese Aufpasser hören wollen. Aber wir kriegen immer wieder auch zugetuschelt, dass das Leben sehr viel mühseliger geworden ist. Wir sehen vor Tankstellen Autoschlangen, die bis zu einem Kilometer lang sind, weil es kein Benzin gibt, wir sehen Schlangen vor Bäckereien, Medikamente werden knapp. Das Leben ist hier sehr, sehr mühselig geworden, und das kriegen wir hin und wieder auch mal signalisiert. Aber wir kriegen natürlich offiziell gesagt, die Menschen scharen sich um Gaddafi.

    Meurer: Was sagen Sie zur Diskussion in den Hauptstädten Paris, London, Washington, nämlich darüber nachzudenken, den Aufständischen Waffen zu liefern?

    Armbruster: Zum einen ist Tatsache, die Aufständischen sind, was die Waffen angeht, den Gaddafi-Truppen heillos unterlegen. Deswegen auch die große Fluchtbewegung von Sirte in Richtung Adschdabiya. Aber ich halte es für sehr problematisch, denn wer Waffen liefert, muss auch möglicherweise Ausbilder stellen, um an diesen Waffen auszubilden. Dann hat man schon Truppen auf dem Boden. Und Waffenlieferungen sind ja eine eindeutige Parteinahme zu Gunsten der Aufständischen, während die UNO-Resolution ja nur sagt, Zivilisten sollten geschützt werden. Also ich glaube, da müsste die Arabische Liga und die UNO noch einmal ran, der Sicherheitsrat, um da eindeutige Aufträge zu erteilen.

    Meurer: Jörg Armbruster, ARD-Korrespondent in Tripolis. Vielen Dank und auf Wiederhören!

    Armbruster: Auf Wiederhören!