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Argentinien
"Die gute Zeit ist leider nicht genutzt worden"

Argentinien steht erneut am Rande einer Staatspleite. Der Wirtschaftsforscher Federico Foders sagte im Deutschlandfunk, er glaube, dass diese noch abgewendet werden könne und es zu einer Einigung mit den Gläubigern kommen werde. Er sieht kein Muster, das zu wiederkehrenden Pleiten in dem südamerikanischen Land führe.

Federico Foders im Gespräch mit Thielko Grieß | 19.07.2014
    Argentinien steht wieder einmal vor dem Bankrott - die Währung, der argentinische Peso, verliert an Wert.
    Argentinien steht wieder einmal vor dem Bankrott - die Währung, der argentinische Peso, verliert an Wert. (dpa / picture alliance / David Fernández)
    Argentinien habe sich mit etwa 93 Prozent der Anleger, die Anleihen auf Argentinien halten, auf eine Umschuldung einigen können. "Aber eben nicht mit einem Rest von sieben Prozent", erläuterte Federico Foders, Ökonom am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, die Sachlage im Schuldenstreit mit amerikanischen Hedgefonds. Ein Teil dieser restlichen Anleger habe geklagt und "erreicht, dass ein Bezirksrichter im Staate New York verhindert hat, dass die 93 Prozent der Anleger ihre Zinszahlungen bekommen, bevor die übrigen auch Geld bekommen".
    Foders zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass es zu einer Einigung zwischen Argentinien und diesen restlichen Gläubigern bis Ende Juli komme und "dass der Richter die Zahlungen wieder freigeben" werde. Die rund sieben Prozent der Gläubiger, die sich nicht mit Argentinien auf eine Umschuldung geeinigt hatten, verlangen den Nennwert der argentinischen Anleihen, die viele von ihnen nach der Pleite des Landes im Jahr 2001 billig aufgekauft hatten. Foders' Einschätzung nach läuft es darauf hinaus, "dass dann die 93 Prozent ihr Geld bekommen und die restlichen sieben Prozent weiter mit der Regierung Argentiniens verhandeln dürfen" - mit dem Ziel, dass sie in den nächsten Monaten Geld erhalten. Die Ursachen der Pleite von 2001 seien andere als diesmal gewesen. Man könne deshalb nicht sagen, "dass das eine typische Sache" in Argentinien sei.
    Das Land habe in der Vergangenheit Fehler gemacht. Der Export gerade von Soja-Produkten sei dank eines Rohstoff-Booms sehr gut gewesen in den letzten Jahren. "Diese gute Zeit ist leider nicht genutzt worden, um die Schulden zurückzuzahlen." Das liege auch daran, dass Argentinien "eine radikale Politik der Devisenbewirtschaftung und der Einfuhr-Restriktion" betreibe, so Foders im Deutschlandfunk. Argentinien habe sich vom internationalen Markt fast vollständig abgekoppelt.

    Das Interview in voller Länge:
    Thielko Grieß: Natürlich ist es nicht schön, ein WM-Finale zu verlieren. Aber zweiter Platz nach fünf Wochen harter Spiele ist doch eigentlich, ganz nüchtern betrachtet, ziemlich ordentlich! Nüchtern betrachtet und einmal abseits des Fußballs ist Argentinien, die Nummer zwei im Fußball, aber längst nicht mehr in einer Spitzenverfassung. Die Wirtschaft des südamerikanischen Landes ist in einer schwierigen Verfassung, das Land leidet seit einigen Jahren wieder einmal an einer galoppierenden Inflation. Hören wir kurz einen Straßenhändler, der in Buenos Aires Pesos gegen Dollar tauscht!
    O-Ton Händler: Für einen Dollar bekommst du in etwa 9,50 Pesos. Und wenn du viel tauschen willst, dann mache ich dir auch einen noch besseren Preis. Also, wenn du 300 Dollar hast, dann berechne ich dir einen Kurs von etwa 9,60.
    Grieß: Das Tauschverhältnis, das dieser Händler nennt, ist schon einige Monate alt, es hat sich seitdem weiter verschlechtert. Inflation und damit auch die steigende Armut, das bekommen Argentinier jeden Tag beim Einkauf zu spüren. Währenddessen wächst das staatliche Defizit, während Staatspräsidentin Kirchner weiter auf ihre Art der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik setzt, dazu gehört unter anderem auch der Protektionismus, es geht darum, die landeseigene Industrie zu fördern und zu entwickeln. Hier ist Cristina Kirchner:
    O-Ton Cristina Fernández de Kirchner: Wir müssen weitermachen, unser Modell weiter ausbauen! Niemals wieder soll uns Argentiniern jemand das wegnehmen, was uns nach dem Gesetz gehört, uns allen!
    Noch Zeit bis Ende Juli
    Grieß: Die argentinische Staatspräsidentin. Nun allerdings droht ein Datum viele Hoffnungen der argentinischen Politik zunichtezumachen. Ende dieses Monats muss das Land Schulden zurückzahlen, es geht und mehr als eine Milliarden US-Dollar, die das Land ohnehin kaum hat, aber vor allem geht es um mögliche noch teurere Konsequenzen. Darüber laufen noch die Verhandlungen mit den Gläubigern. Was droht jetzt Argentinien, 13 Jahre nach dem bislang letzten Staatsbankrott? Zu dieser und anderen Fragen begrüße ich jetzt Professor Federico Foders, Ökonom am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Guten Morgen!
    Federico Foders: Guten Morgen!
    Grieß: Wie nah befindet sich Argentinien am Rand der Haushaltsklippe?
    Foders: Es ist ja so, dass das Land eine Frist versäumt hat, das Land sollte ja Ende Juno, am 30. Juni genau, Zinsen zahlen an die Anleger, die seit vielen Jahren darauf hoffen, dass diese Anleihen bedient werden. Und diese Zahlung ist ja Ende Juni nicht erfolgt. Warum: Weil sich Argentinien ja hat einigen können mit etwa 93 Prozent der Anleger, die Anleihen aus Argentinien halten, aber eben nicht mit einem Rest von sieben Prozent. Und diese sieben Prozent, ein Teil wiederum dieser sieben Prozent hat geklagt und erreicht, dass ein Bezirksrichter im Staat New York verhindert hat, dass die 93 Prozent der Anleger ihre Zinszahlungen bekommen, bevor die übrigen auch Geld bekommen.
    Grieß: Jetzt haben Sie uns mit hineingenommen sozusagen in die Details, es ist alles genau so, wie Sie das schildern. Aber noch mal die Bewertungsfragte: Schafft Argentinien das oder droht am Ende dieses Monats doch der Spruch über die Klippe?
    Foders: Ich denke, dass sich Argentinien mit diesen sieben Prozent einigen wird und dass der Richter, der ja erst mal diese Zahlungen verhindert hat, wieder freigeben wird. Es gibt ja noch Zeit bis Ende Juli und diese Zeit ist ja genutzt worden, es sind ja bereits mehrere Verhandlungsrunden gelaufen, der Richter hat einen Mediator bestimmt, der trifft sich mit beiden Seiten. Und es sieht also so aus, dass wir am 30. Juli eine Situation vorfinden werden, in der diese Gelder freigegeben werden, sodass diese 93 Prozent der Anleger ihr Geld bekommen und dass die restlichen sieben Prozent weiter verhandeln dürfen mit der Regierung, in der Hoffnung, dass sie in den nächsten Monaten das Geld kriegen. Also, die Hedgefonds sind auch mit einer solchen Lösung einverstanden, das haben sie schon mehrfach zum Ausdruck gegeben.
    Zahlungsunfähigkeit noch nicht richtig sichtbar
    Grieß: Das zeigt aber nun natürlich auch, dass das Geld in Argentinien in den Haushalten sehr, sehr knapp ist, das Land befindet sich im Übrigen ja auch in einer Rezession. Die Frage ist: Warum gerät Argentinien eigentlich in Zyklen ungefähr alle zehn Jahre in solch schwieriges Fahrwasser?
    Foders: Nun, die Zahlungsunfähigkeit Argentiniens liegt ja jetzt schon 13 Jahre zurück, das war sicherlich nicht die erste, und die nächste ist zwar in den Medien, aber ist noch nicht so richtig sichtbar. Und die vorangegangenen, die hatten jeweils immer andere Ursachen. Man kann also nicht sagen, dass es bei ihnen wie eine typische Sache sei. Natürlich könnte man sagen, es gibt andere Länder, die immer ihre Schulden zurückgezahlt haben, zum Beispiel die Vereinigten Staaten, seit Gründung dieses Staates haben die Vereinigten Staates immer alles zurückgezahlt, bei den Vereinigten Staaten handelt es sich um das Land mit den höchsten Auslandsschulden.
    Grieß: Sie würden also nicht sagen, dass die argentinische Politik eine Verantwortung dafür trägt, dass ja auch die Armut in dem Land in den vergangenen Jahren immer wieder zugenommen hat?
    Foders: Ja, es ist ja so, dass die Wirtschaftspolitik seit der Überwindung der letzten Zahlungsunfähigkeit, also seit Anfang der 2000er, erstmals das große Glück hatte, dass wir zwischen den Jahren 2001 bis 2007, 2008, bis zur Finanzkrise eigentlich einen Rohstoffboom in der Welt hatten. Und Argentinien ist die Nummer drei bei den Sojaexporten und die Nummer eins bei Exporten von Sojamehl und Sojaöl. Das heißt, das Land hatte richtig großes Glück und konnte auch sehr gut exportieren, und die Exporte tragen, ähnlich wie in Deutschland, dort auch das Wachstum. Und diese gute Zeit ist leider nicht genutzt worden, um die Schulden zurückzuzahlen oder um das Land etwas fester, etwas günstiger aufzustellen. Und jetzt kommen wir in eine Situation, in der das Land, nicht nur Ende Juni oder Juli, sondern das Land muss eigentlich jeden Monat Zinsen zahlen. Wir haben ja jetzt, es gibt ja in den Medien jetzt viele Zahlen, die bald fällig sind, aber wenn Sie alles zusammenrechnen, was bis Ende des Jahres bezahlt werden muss, da kommen Sie schon mal auf acht Milliarden, und im nächsten Jahr warten wieder 21,6 Milliarden und im Jahre 2016 24 Milliarden. Das heißt, das Land ist in einer Situation, in der es eigentlich viele Devisen verdienen müsste.
    Abgekoppelt vom internationalen Markt
    Grieß: Muss es sich in dieser Situation gegenüber Investoren aus dem Ausland öffnen? Ich habe es noch mal nachgeschaut, es gibt in Argentinien nicht einen einzigen iStore zum Beispiel, unabhängig davon, ob man Apple-Produkte kaufen will oder nicht, aber das spricht ja auch dafür, dass manche Produkte im Land nicht erhältlich sind!
    Foders: Ja, Argentinien fährt eine radikale Politik der Devisenbewirtschaftung und der Einfuhrrestriktion. Das heißt, Sie dürfen in Argentinien frei gar nichts einführen. Deutsche Firmen, die dort tätig sind, müssen sich erst mal verwandeln in Exporteure argentinischer Waren, um selber die Devisen verdienen zu können, die sie für ihre Einfuhren brauchen, so sieht das aus. Und Argentinien hat sich mehr oder weniger abgekoppelt jetzt vom internationalen Markt, und die Importe, die dort noch laufen, das sind wirklich nötige Importe medizinischer Art oder Öl und Gas. Aber …
    Grieß: Herr Foders, wir müssen zum Ende kommen, denn bei uns ist die Wirtschaftspolitik im Haus so, dass zur vollen Stunde immer die Nachrichten das Wort haben. Deswegen herzlichen Dank an Sie, Federico Foders! Wir haben gesprochen über die Wirtschaftslage Argentiniens und die nächsten Monate. Danke nach Kiel!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.