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Argentinien
Lange Haftstrafen für ehemalige Militärs

Es war ein historischer Prozess: In Argentinien sind 15 ehemalige Armeeangehörige wegen der Verfolgung von Oppositionellen in mehreren südamerikanischen Ländern zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Angehörige von Opfern in Bolivien, Brasilien, Chile oder Uruguay erhoffen sich von dem Urteil Impulse für Prozesse im eigenen Land.

Von Victoria Eglau | 28.05.2016
    20 Jahre Haft für Reynaldo Bignone, den letzten Junta-Chef der argentinischen Diktatur.
    20 Jahre Haft für Reynaldo Bignone, den letzten Junta-Chef der argentinischen Diktatur. (dpa/picture alliance/Leo La Valle)
    Gefängnisstrafen zwischen acht und 25 Jahren für 15 Ex-Militärs wegen ihrer Beteiligung am sogenannten Plan Condor – dieses Urteil verkündete gestern Abend ein argentinisches Bundesgericht.
    Ein historisches Urteil, das von Überlebenden und Angehörigen der Opfer beklatscht wurde – es ist das erste Mal, dass die Justiz eines südamerikanischen Staates die Existenz des verbrecherischen Plans bestätigt hat.
    Enge Zusammenarbeit der Militärdiktaturen
    "Wir konnten beweisen, dass der Plan Condor ein kriminelles System war, das mit dem Einverständnis der südamerikanischen Diktatoren funktionierte. Durch diesen Plan perfektionierten die Länder dieser Region den Staatsterrorismus."
    So Luz Palmás Zaldua, Anwältin vom argentinischen Menschenrechtszentrum CELS, das in dem Prozess mehrere Kläger vertrat. Offiziell ins Leben gerufen wurde der Plan Condor im November 1975 in Chile, wo sich zwei Jahre zuvor der rechte Diktator Augusto Pinochet an die Macht geputscht hatte. Militär- und Geheimdienstvertreter aus Chile, Argentinien, Uruguay, Paraguay, Brasilien und Bolivien vereinbarten eine enge Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Mitgliedern und Sympathisanten linker Organisationen. Grundlage war die im Kalten Krieg von den USA vorgegebene Doktrin der Nationalen Sicherheit. Stella Calloni, Autorin eines Buches über den Plan Condor:
    "Die Doktrin der Nationalen Sicherheit sah vor, den inneren Feind zu bekämpfen. Mit der Operation Condor begannen die Diktaturen Südamerikas, Daten auszutauschen: die Daten von Linken und Dissidenten."
    Ziel des Datenaustausches war, politische Gegner auszumerzen – auch, wenn diese im Exil lebten. So wurden Uruguayer und Chilenen von Argentiniens Sicherheitskräften verschleppt, oder Brasilianer von chilenischen Diktaturschergen. Gaston Chillier, Direktor des Menschenrechtszentrums CELS:
    "Die Opfer wurden entführt oder illegal festgenommen, gefoltert, ermordet oder sie verschwanden spurlos – alles im Rahmen der durch den Plan Condor vereinbarten grenzüberschreitenden Kooperation."
    Angehörige von Opfern sind erleichtert
    In dem gestern abgeschlossenen Prozess ging es um die Fälle von 105 Opfern aus vier Ländern. Das Urteil erfülle sie im großen und ganzen mit Zufriedenheit, sagte die 39-Jährige Macarena Gelman, Tochter von Opfern des Plan Condor. Der Vater wurde in Argentinien ermordet, die Spur der Mutter verlor sich in Uruguay. Argentinien hat die Verbrechen seiner Militärdiktatur in den vergangenen Jahren um einiges entschlossener aufgearbeitet als seine Nachbarländer. Gastón Chillier hofft nun auf weitere Prozesse zum Plan Condor:
    Das Urteil könnte die Überlebenden der Diktaturen in anderen Ländern ermutigen, von ihrer Justiz und ihren Regierungen Antworten zu verlangen.