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Argentinien
Schwerer Zyanid-Unfall stellt Mega-Bergbau infrage

In Argentinien ist eine Debatte über die Gefahren des massiven Bergbaus entbrannt. In einer Goldmine waren Ende September durch ein Leck eine Million Liter Zyanidlösung ausgetreten - mit noch ungewissen Konsequenzen für die Umwelt und Anwohner. Umweltschützer fordern eine Einschränkung des Bergbaus - doch in der Region fürchtet man den Verlust von Arbeitsplätzen.

Von Victoria Eglau | 14.10.2015
    Yanacocha-Goldmine in Peru: LKW fährt durch einen Gold-Bergbau
    "Der Bergbau im großen Stil ist ein nicht zu rechtfertigender Angriff auf das Klima, die Umwelt und das Wasser," beklagt Linkspolitiker Pino Solanas. (imago/Westend61)
    Ende letzter Woche im argentinischen Senat: Umweltpolitiker, Experten und Anwohner von Bergwerken diskutieren über den Zyanid-Unfall nahe des Dorfes Jáchal und seine Konsequenzen.
    Ich bin überzeugt, dass von Jáchal das Ende des Mega-Bergbaus in Argentinien ausgehen wird - prognostiziert Senatorin Magdalena Odarda. Eingeladen zu der Veranstaltung hatte der Vorsitzende des Umweltausschusses, der Linkspolitiker Pino Solanas.
    "Der Bergbau im großen Stil ist ein nicht zu rechtfertigender Angriff auf das Klima, die Umwelt und das Wasser. Die Gold- und Silberminen befinden sich meist in Höhenlagen, nahe der Trinkwasserquellen. Eine Mine verbraucht täglich Millionen Liter Wasser, das mit Tonnen von Zyanid oder anderen Chemikalien vermischt wird, um die Edelmetalle vom Stein zu lösen."
    Hohe Belastung mit Schwermetallen
    Für Bergbau-Kritiker wie Pino Solanas beweist der jüngste Zyanid-Unfall in Veladero die Risiken des Gold- und Silberabbaus, insbesondere wenn die Edelmetalle im offenen Tagebau gewonnen werden. Doch die Regierung der Provinz San Juan, in der sich die Mine befindet, spielte den Unfall herunter. Die Justiz ermittelt, aber Veladero ist schon wieder in Betrieb. Und im Dorf Jáchal, gut 50 Kilometer entfernt, sorgt man sich um die Folgen des Unfalls. Mariela Jofré, eine Bewohnerin:
    "Leider leben wir in völliger Ungewissheit. Wir wollen wissen, wie es wirklich um unser Wasser steht. In Jáchal und Umgebung produzieren wir vor allem Zwiebeln, die wir in besonders guter Qualität nach ganz Argentinien liefern. Aber weil wir nicht wissen, ob unser Wasser verseucht ist, haben wir jetzt große Angst, weiter Zwiebeln anzubauen."
    Nicht nur um ihre Existenz - auch um ihre Gesundheit fürchten die Bauern von Jáchal. Die Versorgung mit Trinkwasser in Flaschen stellten die Behörden wenige Tage nach dem Zyanid-Unfall wieder ein. Viele Bewohner können es sich nicht leisten, abgefülltes Wasser zu kaufen. Es gibt Hinweise, dass ihre Angst vor verseuchtem Wasser begründet ist. Denn kurz nach dem Unfall beauftragte die Kommunalregierung von Jáchal Experten der Nationalen Universität der Nachbarprovinz Mendoza mit einer Untersuchung. Die Proben ergaben eine sehr hohe Belastung mit Schwermetallen, die durch die Wirkung des Zyanids in die Wasserläufe gelangt sein könnten. Doch der Gouverneur der Provinz San Juan wies dies empört zurück.
    "Wir sind der Meinung, dass hier versucht wird, unserer Provinz und ihren Bewohnern absichtlich zu schaden - mit Informationen, die falsch sind."
    Plündert der Konzern die Provinz aus?
    Aus Sicht der Regierung von San Juan ist die Veladero-Mine wichtig für die Provinz: Sie trägt mit gut einem Drittel zum Bruttoinlandsprodukt bei. Während sieben argentinische Provinzen den offenen Tagebau mit Chemikalien verboten haben, ist San Juan ausgesprochen bergbaufreundlich. Der Minenbetreiber, der kanadische Konzern Barrick Gold, pflegt zur Provinzregierung, aber auch zur argentinischen Nationalregierung, ein gutes Verhältnis. Enrique Viale von der NGO "Argentinische Umwelt-Anwälte":
    "Die Regierung nennt sich progressiv und links, aber hat eine höchst enge Beziehung zu Barrick. Das Unternehmen erreichte sogar, dass Präsidentin Kirchner 2008 ihr Veto gegen das Gletscherschutz-Gesetz einlegte! 2010 trat es schließlich in Kraft, aber wird nicht eingehalten! Die Veladero-Goldmine befindet sich in einer Gletscherzone, was das Gesetz verbietet."
    Für Enrique Viale plündert Barrick Gold die Provinz San Juan aus. Von einhundert Dollar, die der Konzern erwirtschafte, zahle er nur 1,7 Dollar Abgaben. Und Mariela Jofré, Bewohnerin von Jáchal, vermisst den von Barrick Gold versprochenen Fortschritt ihn ihrem Dorf:
    "Nur 20 bis 30 Leute aus Jáchal haben Arbeit in der Mine. Die Regierung, ja, die hat durch den Gold-Abbau mehr Geld. Aber davonkommt wenig bei uns Menschen an. Die Krankenhäuser sind in schlechtem Zustand, wir haben keine Gasversorgung und Kurzem wurde damit begonnen, eine Abwasser-Kanalisation zu bauen."