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Arktis
Parasiten erobern den Norden

Parasitische Würmer gibt es nicht nur in den Tropen - auch in kälteren Gefilden überleben sie. Im Zuge des Klimawandels breiten sich Säugetier-Parasiten immer weiter aus. Forscher haben nun auch welche auf Grönland entdeckt - die möglicherweise Krankheiten auf den Menschen übertragen könnten.

Von Jochen Steiner | 23.10.2015
    Eine Kette von Eisbergen im grönländischen Thule.
    Eisberge im grönländischen Thule: Parasiten überleben mittlerweile auch in kälteren Gefilden. (imago stock&people)
    Fische, Robben, Wale - das sind Tiere, die in den Gewässern um Grönland zu Hause sind. Und auf dem Speiseplan der Menschen dort stehen.
    "Wir sind eine Gruppe von Wissenschaftlern, die auf Grönland die zoonotischen Krankheiten aufspüren wollen, also jene Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden. Das ist wichtige Forschung für die Bewohner dort, denn ein großer Teil ihrer Nahrung sind marine Säugetiere. Sie essen das Fleisch oft roh. Und das kann dazu führen, dass Infektionserkrankungen von den Tieren auf die Einwohner Grönlands übertragen werden können," erklärt Emilie Andersen-Ranberg, Tierärztin von der Universität Kopenhagen. Gerade arbeitet sie im schleswig-holsteinischen Büsum, in der Außenstelle der Tierärztlichen Hochschule Hannover und untersucht Faden- und Bandwürmer, die mehr oder weniger schwere Erkrankungen auslösen können.
    "Es gibt da ein paar sehr fiese Parasiten, die lange Zeit im Menschen leben können. Manche nisten sich im Muskelgewebe ein oder wandern ins Gehirn und bleiben dort."
    Gefahr für Menschen?
    Emilie Andersen-Ranberg und ihre Kollegen haben für ihre aktuelle Studie 40 Ringelrobben im Norden und Süden Grönlands untersucht. Bei vier von ihnen stießen sie auf einen parasitischen Wurm, der die Leber der Tiere befallen hatte. Bereits 2008 war dieser Parasit in Ringelrobben entdeckt worden, die im südlichen Grönland leben. Jetzt haben ihn die Forscher auch in Robben über tausend Kilometer weiter im Norden gefunden. Nach mikroskopischen und genetischen Untersuchungen kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass es sich um Orthosplanchnus arcticus handelt, ein Saugwurm.
    "Bei Saugwürmern, die die Leber befallen, sind die infektiösen Stadien in der Regel die, die in den Zwischenwirten zu finden sind. In diesem Fall sind das vermutlich Fische, deren Verzehr dann für die Menschen gefährlich werden könnte. Was die adulten Stadien der Saugwürmer angeht, die in den Robben vorkommen: Von denen wissen wir, dass sie anderswo auch schon bei Kühen nachgewiesen wurden. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass diese adulten Saugwürmer weitere Säugetieren infizieren können - und vielleicht auch den Menschen."
    Meldesystem für Erkrankungen aufbauen
    Im Zuge des Klimawandels gehe die Meereisfläche zurück und die Zwischenwirte, die Fische, könnten weiter nach Norden wandern, so Andersen-Ranberg. Und mit ihnen die Parasiten. Sie erobern damit Gebiete, die zuvor noch weitestgehend von ihnen verschont geblieben waren.
    "Wir stellen außerdem fest, dass sich manche Parasiten in der Arktis schneller vermehren können. Es gibt zum Beispiel einen Parasiten bei Rentieren, der sich nun jedes Jahr anstatt alle zwei Jahre fortpflanzen kann, weil die klimatischen Bedingungen nicht mehr so hart sind."
    Die Tierärztin und ihre Kollegen wollen nun in Grönland ein Meldesystem aufbauen für alle Erkrankungen, die von Parasiten ausgelöst werden. Und sie wollen die Parasiten noch weiter erforschen, um die Behandlung der Krankheiten besser auf den jeweiligen Erreger abstimmen zu können. Generell rät Emilie Andersen-Ranberg allen Grönland-Reisenden, sich von rohem Robben- und Walfleisch fern zu halten.