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Armenier-Resolution
"Unsere Resolution ist kein Gesetz"

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Franz-Josef Jung, ist erleichtert, dass sich die Bundesregierung nicht von der Armenier-Resolution des Bundestages distanziert hat. Er sei froh, dass sich dies als Falschmeldung herausgestellt habe, sagte Jung im DLF. Klar sei auch: Bei der Entschließung handele es sich um eine politische Erklärung und nicht um ein Gesetz.

Franz-Josef Jung im Gespräch Christiane Kaess | 02.09.2016
    Der CDU-Politiker Franz Josef Jung in einer Talkshow
    Der CDU-Politiker Franz Josef Jung (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Christiane Kaess: Also doch kein Kotau der Regierung in Berlin vor der in Ankara. Heute Vormittag gab es Berichte, die Bundesregierung würde sich von der Armenien-Resolution des Bundestages distanzieren. Vor wenigen Minuten wurde das von der Regierung dementiert. Eine solche Distanzierung ist die Bedingung der Türkei, dass Bundestagsabgeordnete die Bundeswehrsoldaten im türkischen NATO-Stützpunkt Incirlik wieder besuchen dürfen.
    Mitgehört hat Franz-Josef Jung. Er ist als stellvertretender Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag zuständig für die Bereiche Außen- und Sicherheitspolitik. Guten Tag, Herr Jung.
    Franz-Josef Jung: Ich grüße Sie, Frau Kaess.
    Kaess: Sind Sie erleichtert darüber, dass die Bundesregierung sich jetzt doch nicht von der Armenien-Resolution distanziert?
    Jung: Ich bin froh darüber, dass sich dies als Falschmeldung dargestellt hat, was der "Spiegel" heute gemeldet hat. Es ist wahr, dass etwas Irritationen schon entstanden sind, aber es ist jetzt sehr eindeutig, dass sich die Bundesregierung nicht von unserer Resolution distanziert, und das halte ich für sehr positiv.
    "Unsere Resolution ist kein Gesetz"
    Kaess: Jetzt ist aber noch mal betont worden durch den Regierungssprecher, dass die Resolution für die Bundesregierung nicht bindend ist. Ist das nicht ohnehin schon ein Entgegenkommen an Ankara?
    Jung: Nein, das sehe ich nicht so. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Natürlich ist unsere Resolution eine politische Erklärung. Es ist kein Gesetz. Aber das ist eine Selbstverständlichkeit. Und wenn Ankara, sprich die türkische Regierung jetzt auch einlenken will, auch den Botschafter wieder hier installieren will, dann gehe ich davon aus, dass auch in Zukunft wieder Besuch von Abgeordneten bei unseren Soldaten in Incirlik möglich ist.
    Kaess: Lassen Sie uns darüber gleich noch ein bisschen genauer sprechen. Aber eine Frage hätte ich schon noch zu der Haltung der Bundesregierung. Würden Sie sich dennoch wünschen, dass die Bundesregierung diese Resolution aktiver unterstützt?
    Jung: Ich habe nur erlebt, dass sie das aktiv getan hat. Die Bundeskanzlerin war zwar nicht im Bundestag, wegen eines anderen Termins, aber sie war bei uns in der Fraktion.
    Kaess: Eben!
    Jung: Entschuldigung! Und wir haben bei uns in der Fraktion darüber abgestimmt. Sie wissen, dass ich diese Resolution abgestimmt habe mit den Fraktionen der SPD und der Grünen und wir von daher eine Übereinstimmung erzielt haben, und deshalb haben wir diese Resolution dann in der Fraktion auch zur Abstimmung gestellt. Da war die Bundeskanzlerin dabei und sie hat auch mitgestimmt.
    "Es ist ganz eindeutig, dass sich die Bundeskanzlerin nicht von dieser Resoution distanziert"
    Kaess: Ja. Aber sie war, wie Sie es gerade gesagt haben, bei der Abstimmung im Bundestag nicht dabei, auch nicht Vizekanzler Gabriel und auch nicht Außenminister Steinmeier. Das ist doch ein Signal, oder?
    Jung: Nein, das sehe ich nicht so. Es ist Tatsache, dass sie einen dringenden anderen Termin hatte und deshalb nicht im Bundestag dabei sein konnte.
    Es war für sie auch nicht planbar, wann die Resolution konkret zur Abstimmung steht im Deutschen Bundestag. Von daher kann ich nur noch einmal wiederholen: Es ist auch sehr eindeutig, dass die Bundeskanzlerin sich nicht von dieser Resolution distanziert, sondern ganz im Gegenteil.
    Kaess: Dann sprechen wir, Herr Jung, über das, was Sie gerade schon kurz angerissen haben: diese Distanzierung der Bundesregierung von der Resolution. Das ist eine Bedingung der türkischen Regierung, dass Bundestagsabgeordnete die Bundeswehrsoldaten in Incirlik wieder besuchen dürften. Ist das Erpressung von türkischer Seite?
    Jung: Nein! Da keine Distanzierung stattfindet, kann das auch keine Erpressung sein. Ich habe eher den Eindruck, ...
    Kaess: Diese Bedingung zu stellen! Entschuldigung! Ich habe es vielleicht falsch formuliert. Diese Bedingung zu stellen!
    Jung: Ich sehe diese Bedingung nicht. Ich habe eher den Eindruck, dass die türkische Regierung jetzt versucht einzulenken, was ich auch für richtig erachte. Von daher gehe ich davon aus, dass mit der Installation des Botschafters auch dann in Zukunft der Besuch von Abgeordneten in Incirlik möglich ist.
    Kaess: Sagen Sie uns noch ein bisschen genauer, wo Sie dieses Einlenken sehen?
    Jung: Ich kann nur sagen, dass ich informiert bin über entsprechende Gespräche, die die Bundesregierung auch geführt hat, und ich den Eindruck habe, dass hier doch ein Signal gesendet wird, auch vonseiten der türkischen Regierung, hier wieder, ich sage mal, in einen normalen Zustand der Beziehungen zu kommen.
    Kaess: Das heißt, wann rechnen Sie damit, dass Bundestagsabgeordnete die Soldaten in Incirlik wieder besuchen können?
    Jung: Ich weiß, dass Bundestagsabgeordnete planen, im Oktober in Incirlik zu sein, und ich gehe davon aus, dass dies auch stattfinden wird.
    "Ein solcher Besuch wird von unseren Soldatinnen und Soldaten im Wesentlichen immer begrüßt"
    Kaess: Herr Jung, Sie sind ja ehemals Verteidigungsminister gewesen und Sie sind Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung. Wie wichtig ist es denn für die Soldaten vor Ort, dass zum Beispiel mal Abgeordnete hin und wieder vorbeischauen?
    Jung: Das ist schon ein ganz wichtiger Punkt. Die Bundeswehr wird vom Deutschen Bundestag in einen solchen Einsatz letztlich geschickt und von daher, denke ich, ist es auch dann wichtig, dass Abgeordnete sich vor Ort informieren, auch schauen, inwiefern dieser Einsatz läuft und wo gegebenenfalls auch Fürsorgemaßnahmen noch notwendig sind.
    Wir machen ja - Sie haben meine Funktion in der Arbeitsgemeinschaft angesprochen - beispielsweise durch entsprechende Einrichtungen auch sehr viel, was die Fürsorge vor Ort anbetrifft. Dass sich darüber Abgeordnete informieren, auch fragen, wo gegebenenfalls noch der Schuh drückt, um hier zu Verbesserungen zu kommen, das halte ich alles für richtig und gut. Deshalb wird auch von unseren Soldatinnen und Soldaten ein solcher Besuch im Wesentlichen immer begrüßt.
    Kaess: Es waren auch "Spiegel"-Informationen, Herr Jung, nach denen es hieß, dass Verteidigungsministerium habe bereits Pläne für eine Verlegung der Tornado-Flugzeuge aus Incirlik an einen anderen Standort im Nahen Osten. Das heißt, das Ganze ist jetzt vom Tisch?
    Jung: Ja, eindeutig! Und die Ministerin hat sehr deutlich gemacht, dass dies auch nicht zutrifft, sondern dass sie weiterhin daran festhält, dass der Einsatz gerade gegen ISIS im Hinblick auf die Terrorbekämpfung von Incirlik auch weiterhin von Seiten der Bundeswehr erfolgt.
    "Ich habe dieses Ultimatum für falsch gehalten"
    Kaess: Und damit ist auch vom Tisch dieses Ultimatum, das der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann an Ankara gestellt hatte, nämlich bis Anfang Oktober sollten wieder Bundestagsabgeordnete nach Incirlik reisen dürfen, weil sonst wäre dieses Mandat für den Auslandseinsatz nicht verlängert worden, oder würde nicht verlängert?
    Jung: Ich habe dieses Ultimatum für falsch gehalten, weil ich glaube, dass man so nicht zu entsprechenden Verbesserungen der Beziehungen kommt. Und ich gehe davon aus, dass deshalb auch ein solches Ultimatum hier nicht relevant ist, sondern dass es wieder zu einer normalen Beziehung kommt, was auch die Besuchssituation von Bundestagsabgeordneten bei unseren Soldatinnen und Soldaten vor Ort anbetrifft.
    Kaess: Um es noch mal konkret zu machen: Im Oktober der geplante Besuch von Abgeordneten in Incirlik, das, glauben Sie, der wird stattfinden?
    Jung: Davon gehe ich aus.
    "Es liegt in unserem Interesse, zu gute und normale Beziehungen zur Türkei zu kommen"
    Kaess: Wie wichtig, Herr Jung, sind die Verbesserungen zur Türkei?
    Jung: Ich halte es schon für richtig. Ich hatte gerade eben ein Gespräch, wir in der Fraktion, mit dem NATO-Generalsekretär, der auch noch einmal deutlich gemacht hat, wie wichtig auch strategisch die Türkei ist, auch für die NATO.
    Aber ich glaube auch, wenn Sie sehen das Abkommen jetzt im Hinblick auf die Flüchtlinge, dass doch die Zahl erheblich zurückgegangen ist, auch was die Türkei dort vor Ort leistet mit der Aufnahme von drei Millionen Flüchtlingen. Ich denke, alles zusammen macht deutlich, dass es hier auch in unserem Interesse liegt, zu guten und normalen Beziehungen mit der Türkei zu kommen.
    Kaess: Wie hilfreich ist es dann in diesem Zusammenhang, dass Kritik aus der CSU kommt am Besuch von Martin Schulz in der Türkei und das Ganze als "fatales Signal" bezeichnet wird?
    Jung: Ich denke, wir sollten in die Zukunft schauen und alles daran setzen, dass wir hier wieder zu entsprechenden Beziehungen kommen, die sowohl die Situation der Türkei in der NATO stärken, als auch die Situation im Hinblick auf die Flüchtlinge das Abkommen weiterhin eingehalten wird. Das sind alles Dinge, die, wie ich finde, auch sehr in unserem Interesse liegen, und deshalb, denke ich, ist es gut, wenn es wieder zu guten Beziehungen auch zur Türkei kommt.
    Kaess: ... sagt Franz-Josef Jung. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag und als solcher zuständig für Außen- und Sicherheitspolitik. Danke für Ihre Zeit heute.
    Jung: Sehr gerne, Frau Kaess.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.