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Armenische Kunst aus 1500 Jahren

In Armenien erlebte die christliche Kunst bereits im 7. Jahrhundert eine erste Blütezeit. Dann fielen die Araber ins Land ein, das sich aber als armenisches Königreich wieder etablieren konnte und zwischen dem christlichen Byzanz und dem benachbarten Kalifat fast autonom blieb. Die alte christliche Kunst ist zurzeit im Louvre zu sehen. "Armenia Sacra" heißt die Schau in Paris.

Von Björn Stüben | 27.02.2007
    Bei archäologischen Grabungen unter dem Louvre wurde vor einigen Jahren auch der seit Jahrhunderten verschüttete Burggraben des einstigen Königsschlosses und heute weltgrößten Museums entdeckt. Unterirdisch flanieren seitdem die Besucher im Halbdunkel an mächtigen Mauern vorbei, die reichlich Respekt einflößen. Neuerdings tauchen zudem seltsame aufrecht stehende Steinplatten am Wegesrand auf. Allen gemeinsam ist die Darstellung eines großen Kreuzes, das in ihrer Mitte aus der Oberfläche gemeißelt wurde. Sie stehen Spalier und bilden den Auftakt zur Ausstellung "Armenia Sacra", die jetzt im Louvre anhand von knapp zweihundert Werken die sakrale Kunst Armeniens der letzten 1500 Jahre vorstellen will.

    Chefkonservator Jannic Durand, der die Schau vor allem mit Leihgaben aus den Museen in Eriwan und aus der Schatzkammer der armenischen apostolischen Kirche zusammengetragen hat, löst das Rätsel der steinernen Zeitzeugen:

    "Diese großen Stelen aus Stein mit der Kreuzesdarstellung im Zentrum, die als "Ratschka" bezeichnet werden, können bis zu mehreren Tonnen wiegen und auch deutlich in ihrer Größe variieren. Wo sie zahlreich auftreten stellen sie ganze Friedhöfe dar. Man findet sie aber auch an Kirchenfassaden, wo sie dann als Votivtafeln fungieren oder einfach nur an große Schenkungen erinnern. Wir haben die "Ratschkas" in den Gräben des mittelalterlichen Louvre aufgestellt, damit sie als Wegweiser zu unserer Ausstellung dienen. Wir wollten ein Panorama dieser Stelen von ihren Anfängen im 8. Jahrhundert bis ins 17. Jh. zeigen, denn sie sind ganz besonders typisch für die armenische Kunst."

    Nach der flüchtigen Begegnung mit den enigmatischen Kreuzesstelen stellt sich der Besucher die bange Frage, wie fremdartig wohl die sakrale Kunst aus einem Land daherkommen mag, das einst zum Reich Alexander des Großen gehörte, später zwischen den Römern und Persern aufgerieben wurde und seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 jetzt endlich unabhängig ist?

    "Den Zugang zur sakralen armenischen Kunst zu finden ist gar nicht so schwer, selbst wenn man die komplizierten historischen Zusammenhänge und Deutungen völlig außer Acht lässt. Denn es handelt sich ja um eine christliche Kunst. Und diese weist immer Gemeinsamkeiten auf durch alle Epochen vom Mittelalter bis heute. Die großen ikonographischen Themen wie die Kreuzigung, die Darstellungen der Jungfrau Maria und der Heiligen sind für uns somit alte Bekannte. "

    Eine applaudierende Menschenmenge türmt sich über einem seltsam drein schauenden, mit spitzen Stoßzähnen ausgestatteten Tier auf. Davor segnet eine bärtige Figur mit Nimbus. Die bunte Miniatur des 16. Jahrhunderts erzählt von Gregor dem Erleuchter, der vor König Trdat predigt, der als Eber dargestellt wird, da es ihm noch am rechten Glauben mangelt. Eine Schlüsselszene der armenischen Geschichte, denn der so bekehrte König erhebt im Jahr 301 das Christentum zur Staatsreligion, weit früher noch als dies im römischen Reich geschehen wird. Armenien ist damit der erste Christenstaat auf der Welt. Ein Türsturz zeigt eine Weinernte. Auf einem Kapitel thront eine stilisierte Christusfigur über einem Kreuz. Beide Fragmente mit christlicher Symbolik stammen aus dem 6. Jahrhundert. Auf einer Stele des 13. Jahrhunderts umrahmen arabische Dekorationsmotive das christliche Kreuz. Wie homogen ist die sakrale Kunst Armeniens?

    "Homogen ist die armenische Kunst insofern als sie immer eine bestimmte theologische Weltsicht auszudrücken versucht. Es ist der Glaube, der den Menschen immer in Beziehung stellt zur Schöpfung und zu Gott. Gleichzeitig ist die armenische Kunst aber auch nicht homogen, da sie eine sehr bewegte Geschichte erlebt hat. Im 7. Jh. gab es eine erste Blütezeit, dann kamen die Einfälle der Araber und ein Jahrhundert später entsteht eingegliedert ins Kalifat ein neues armenisches Königreich, das sich eine Quasi-Autonomie zwischen Byzanz und dem Kalifat erstreitet. Dann folgen enge Kontakte zu den Kreuzfahrerstaaten. Gegenseitige Einflüsse sind dabei auch in der Kunst auszumachen. In einem Manuskript, das wir zeigen, taucht der Goldgrund auf wie wir ihn aus Byzanz kennen. Gleichzeitig finden sich aber auch Hinweise auf westliche Kunst zum Beispiel in einer Stammbaumdarstellung, in dem eine Figur ihre Mantelkordel genauso hält wie wir es auf gotischen Skulpturen aus Straßburg oder aus Bamberg kennen. Das ist eine sozusagen internationale Geste der Aristokratie des 13. Jahrhunderts. Egal ob man sich am Rande des Mongolenreiches oder in Bamberg oder Paris befindet, es war eben eine offenbar schicke Handhaltung ganz in der Mode der damaligen Zeit."

    Von der hohen Qualität der armenischen Sakralkunst kann sich überzeugen, wer sie mit den Exponaten in der spätantiken und mittelalterlichen Abteilung für europäische Kunst im Louvre vergleicht, doch hierfür müsste man wieder an den geheimnisvollen armenischen Grabstelen vorbei ...