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Armes reiches Luxemburg (4/5)
Im Sozialkaufhaus in Esch

In einem reichen Land wie Luxemburg Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist keine leichte Angelegenheit. Die Hemmschwelle ist hoch. Deswegen versuchen die Sozialkaufhäuser, ihren Kunden ein geschütztes Umfeld zu bieten.

Von Tonia Koch | 29.12.2017
    Gebrauchtes Geschirr wird im Sozialkaufhaus der Diakonie in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) zum Verkauf angeboten, aufgenommen am 18.02.2015.
    Die Einrichtung bietet Bürgern mit einem Nachweis der sozialen Bedürftigkeit gebrauchte Möbel, Elektrogeräte oder Kleidung zum Kauf an. (dpa / Jens Büttner)
    "Moin" ein Stammkunde betritt das Sozialkaufhaus in Esch, moin, der Herr um die 60 in Jogginghose und bequemen Schuhen kramt ein altes Blechspielzeug aus einer Lage Zeitungspapier hervor.
    Er brauche es nicht mehr sagt er und steuert auf die Lebensmittel zu.
    "Mehl brauch ich noch, Milch."
    Wer in einem der zwölf luxemburgischen Sozialkaufhäuser einkaufen darf, entscheidet das Sozialamt. Der Sozialarbeiter schaut sich die familiäre Situation des Kunden und seine Ausgaben genau an. Was fällt an Miete und an Nebenkosten an, wie hoch ist die Telefonrechnung, was bleibt für Lebensmittel übrig. Wie oft kann der Haushalt sich damit einen Einkauf in einem Supermarkt überhaupt leisten?
    "Wenn man kein Geld hat, kommt man hier her, nicht jeder kann hier einkaufen."
    Nudeln, Konserven, Zucker, Mehl, Fleisch, Kaffee, Tee, Waschpulver, das was man täglich braucht, wird über ein elektronisches Erfassungssystem gezogen. Vier Einkaufstüten füllen sich. Die Kasse zeigt am Ende etwas mehr als 50 Euro. Sie werden vom Einkaufsgutschein des Kunden abgebucht.
    Kein unbegrenzter Einkauf - die Beträge sind gedeckelt
    Gutscheine sind eine Form, mit der in den Sozialkaufhäusern bezahlt werden kann, es geht aber auch anders, erläutert die Leiterin der "épicerie social" in Esch Irène Jamsek.
    "Wir haben zwei Systeme. Entweder der Berechtigte zahlt bar oder er begleicht die Rechnung mit einem Bon und die Buttek rechnet am Ende des Monats mit dem Sozialamt ab. Das Sozialamt prüft alle Ausgaben und wenn am Endes des Monat etwas übrig bleibt von den staatlichen Zuwendungen, dann zahlen die Empfänger eben selbst, wenn nicht, geht es eben ohne Geld."
    Unbegrenzt kann allerdings nicht eingekauft werden in der Buttek, die Beträge sind gedeckelt.
    "Es sind 25 Euro pro Erwachsener, Jugendliche 20 und für Kleinkinder sine es fünf Euro die Woche."
    Lebensmittel werden nicht gratis ausgegeben
    8.500 Personen, ein Drittel davon Kinder, decken ihren Bedarf an Grundnahrungsmitteln in den zwölf Sozialkaufhäusern. Anders als in Deutschland wo von den Tafeln lediglich ein symbolischer Euro verlangt wird, werden in den luxemburgischen Einrichtungen keine Lebensmittel gratis abgegeben, sondern lediglich preisreduziert. Das gilt auch für jene Produkte, die nicht angekauft werden von den Sozialkaufhäusern, sondern die drei Mal die Woche von den Supermärkten angeliefert werden. Die meisten dieser Artikel weisen nur noch kurze Haltbarkeitsdaten auf.
    "Zum Beispiel, der Joghurt. Er ist noch haltbar bis zur kommenden Wochen, die vier Joghurts werden für 80 Cent verkauft und im Laden müssten dafür wohl etwa drei Euro gezahlt werden."
    Eine Kundin beugt sich über das Angebot an Obst und Gemüse. Ein paar Bananen, Birnen, Äpfel, Lauch, Zwiebeln.
    Nur keine Experimente, klassisch nennt Irène dieses Angebot, alles andere überfordere ihre Klientel. Nicht alltägliches bleibe oft liegen, wie heute die Betteraves, die weißen Rübchen.
    Die Qualität sei tadellos, sagt eine Kundin, sie sei zufrieden. Und fügt hinzu:
    "Ich komme gerne hier her, ich hab' heranwachsende Kinder und die essen einfach viel, und es ist nicht teuer."
    Für kleines Geld Kleidung kaufen
    Knabbereien oder Süßigkeiten finden sich nur selten in den Regalen. Ein klein wenig mehr davon dürfte es schon sein, auch ein wenig mehr Auswahl bei den Brotaufstrichen, findet eine andere Kundin.
    "Ich würde sagen, wie seet ma schmieren op daitsch, mehr, um auf die Brote zu tun."
    Gebrauchte Kleidung hängt am 18.02.2015 im Sozialkaufhaus der Diakonie in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) auf einem Verkaufsständer. 
    Gebrauchte Kleidung gibt es für wenig Geld (dpa-Zentralbild)
    Irène kennt das Problem, bei Produkten wie Kekse, Schokolade, Chips, die den Kindern Spaß machten, sei die Buttek auf die Lieferungen der Supermärkte angewiesen.
    "Trois fois par semaine en peu recevoir du chocolat, des bisquits, des Gummibären, des chips, un peu plus symphat pour les enfants, mais ce n'est pas dans le sortiment de base."
    Georg, ein Deutscher, konzentriert sich hingegen auf andere Sachen, Milch, Butter Reis. Seit über zehn Jahren lebt und arbeitet er in Luxemburg, bis vor ein paar Monaten, da hat der Arbeitgeber die Lohnzahlungen eingestellt. Noch ist die Angelegenheit juristisch nicht aufgearbeitet.
    "Ich habe kein Geld mehr und ohne das hier, hätte ich nicht gewusst wie es weitergeht. Ich habe nix mehr, kein Scherz, alles Ersparte ist aufgebraucht, da soll man froh sein, dass es so etwas gibt."
    Die Buttek ist Anlaufstelle für viele Menschen auch für jene, die sich für kleines Geld, einkleiden möchten.
    Sozialkaufhaus als Sprungbrett für den Arbeitsmarkt
    Pullover, Hemden Röcke, Hosen hängen auf vollen Kleiderständern. Auf einem Regal darüber sind Taschen aufgereiht. Elwisa stopft sie mit Papier aus, damit sie besser zur Geltung kommen. Die gelernte Einzelhandelskauffrau ist seit vier Wochen in der Buttek und macht eine Wiedereingliederungsmaßnahme. Auf dem ersten Arbeitsmarkt sei sie chancenlos.
    "Mit vier Kindern finden sie ganz schwer eine Arbeit, egal wo sie gehen, sie werden sofort abgewiesen, alleinerziehende Mutter mit vier Kindern ganz schwer, da werden sie nur Antworten bekommen ja, es tut uns Leid ohne Kinder liebend gern, aber mit Kindern ganz schwer."
    Die 35-Jährige ist froh, dass sie in die Beschäftigungsmaßnahme aufgenommen wurde. Sie arbeitet 20 Stunden die Woche und möchte die Buttek nutzen, als Sprungbrett auf den ersten Arbeitsmarkt.
    "Ich schaffe das, ich lasse mich nicht von den Problemen runterziehen, ich lasse mich nicht runterdrücken."