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Arsen im Trinkwasser

Nicht immer ist die Industrie schuld, wenn das Wasser mit Schadstoffen verschmutzt ist. Im südasiatischen Bangladesch sind viele Brunnen mit Arsen belastet, das als natürliches Element der Himalaya-Gebirge ins Grundwasser geschwemmt wurde. Seit den 80er-Jahren ist das Problem bekannt, aber der Kampf gegen das Gift im Trinkwasser ist mühsam.

Von Thomas Kruchem | 16.03.2009
    Im Dorf Moba Rokhti außerhalb von Dhaka, Bangladesch, schöpft ein junges Mädchen frisches Wasser aus einem Tiefbrunnen. "Dies Wasser ist vergiftet", sagt Mohammed Jakardiya, Mitarbeiter der lokalen Hilfsorganisation "NGO Forum für Trinkwasser".

    Mohammed führt den Besucher, vorbei an Bambushütten und Reisfeldern, auf den Dorfplatz, wo die Bäuerin Jinatum Nizar und zwei ihrer Freundinnen ihre Hände herzeigen.

    "Schauen Sie sich meine Hände und Füße an. Ganz rau, rissig und voller Geschwüre sind die. Und überall am Körper habe ich Flecken. Ich kann kaum mehr laufen. Und wenn ich etwas anfasse, bleiben meine Hände daran hängen und reißen auf. Manchmal versuche ich, die Haut mit Rasierklingen zu glätten, aber nach ein paar Wochen sieht sie schlimmer aus als zuvor."

    Bereits Ende der 80er-Jahre stießen Ärzte in Dörfern, wo man nicht mehr - wie früher - Trinkwasser aus Teichen, sondern aus Tiefbrunnen gewann, auf arsenbedingte Hauterkrankungen. Alarmrufe jedoch blieben bis Ende der 90er-Jahre unbeachtet. Seitdem wurden zehn Millionen Brunnen getestet. Das Ergebnis: In vielen Brunnen lagen die Arsen-Konzentrationen bis zum 1400-fachen des Grenzwerts der Weltgesundheitsorganisation WHO.

    40 Millionen Menschen sind gefährdet. 300.000 sind inzwischen schwer erkrankt. In einigen Jahren wird wohl, nach Aussagen der Ärzte, jeder zehnte Krebsfall in Bangladesch arsenbedingter Haut-, Lungen- oder Blasenkrebs sein.

    In betroffenen Dörfern versuchen Hilfsorganisationen seit Jahren, endlich für eine gesunde Wasserversorgung zu sorgen. Nach Moba Rokhti kamen sie vor sieben Jahren.

    "Es war ein auf fünf Jahre angelegtes Projekt. Bereits arsenkranke Dorfbewohner bekamen Medikamente. Das Wasser aus den Brunnen wurde chemisch gereinigt - mit Aluminiumsulfat, kurz 'Alum'. Das Verfahren jedoch war so kompliziert, dass es die Dorfbewohner nie begriffen. Außerdem muss das Filtermedium alle zwei Jahre gewechselt werden - was einiges Geld kostet. Irgendwann lief dann das Projekt aus. Die Leute kümmerten sich nicht mehr um die Filter - und jetzt trinken sie wieder direkt aus den arsenverseuchten Brunnen."

    Das vom deutschen katholischen Hilfswerk "Misereor" unterstützte "NGO Forum für Trinkwasser" will mit einfachen, umweltfreundlichen Mitteln helfen. Die Experten des Forums setzen deshalb, wo es geht, auf die Gewinnung von Regenwasser. Wo es zu wenig oder zu unregelmäßig regnet, werden - wie in Moba Rokhti - Kies- und Sandfilteranlagen errichtet. Hier kann die lokale Bevölkerung das Wasser ihrer Teiche reinigen. Auch das aber ist mit Problemen verbunden:

    "Die meisten dieser Teiche werden für die Fischzucht genutzt. Weil dabei Dünger und Pestizide zum Einsatz kommen, ist das Wasser in der Regel belastet. Trotzdem baten wir vor einigen Jahren die Teichbesitzer hier, ihre Gewässer der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Mehrere taten das. Und wir bauten mit der Dorfbevölkerung Filteranlagen. Nach ein, zwei Jahren jedoch merkten die Teichbesitzer, dass ihnen das Geld aus der Fischzucht fehlte. Sie machten aus den Teichen wieder Fischteiche - und die mühsam angelegte Filterinfrastruktur verkam."

    Kopfschüttelnd deutet Mohammed Jakardiya auf von Unkraut überwucherte und fast völlig verstopfte Kiesbecken neben einem Teich in Moba Rokhti. "Hier müssen wir noch eine Weile Überzeugungsarbeit leisten", sagt er, und: Es sei eine Herkulesaufgabe, zig Millionen Menschen, die sich an bequeme Wasserversorgung aus Tiefbrunnen gewöhnt haben, wieder umzugewöhnen - auf die leider mit viel Arbeit verbundene Trinkwassergewinnung aus Regen- und Oberflächenwasser.