Donnerstag, 18. April 2024

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Artenschutz
"Die Landwirtschaft muss umweltfreundlicher werden"

Auf der Welt-Biodiversitätskonferenz in Mexiko wurde jüngst eine Erklärung für besseren Artenschutz in der Landwirtschaft verabschiedet. Diese sei auch dringend notwendig, sagte Günter Mitlacher, Experte für internationale Biodiversitätspolitik, im DLF. Die Agrarlandschaft sei mittlerweile eine ausgeräumte Landschaft, wo die Natur wenig Platz habe.

Günter Mitlacher im Gespräch mit Georg Ehring | 19.12.2016
    Landwirtschaftliche Maschinen bei der Sojaernte im brasilianischen Bahia
    Kein Platz für Artenvielfalt: landwirtschaftliche Maschinen bei der Sojaernte im brasilianischen Bahia. (dpa / picture alliance / Sebastiao Moreira)
    Georg Ehring: Der Schutz wilder Tier- und Pflanzenarten ist ein Thema, bei dem die Menschheit seit Jahrzehnten ähnlich erfolglos agiert wie Deutschland im Kampf gegen die Luftverschmutzung in den Innenstädten. Jahr für Jahr sterben viele tausend Arten aus und die Öffentlichkeit merkt vor allem dann auf, wenn es zum Beispiel um bekannte Tiere wie die Giraffe geht, die inzwischen auch bedroht ist.
    In Cancun in Mexiko ist am Wochenende die Welt-Biodiversitätskonferenz zu Ende gegangen. Sie hat eine Erklärung verabschiedet und will den Schutz der Arten stärker in übrige Politikbereiche integrieren.
    Am Telefon in Cancun ist jetzt Günter Mitlacher, Experte für internationale Biodiversitätspolitik beim World Wide Fund for Nature, dem WWF. Guten Tag, Herr Mitlacher.
    Günter Mitlacher: Ja, guten Morgen nach Deutschland hier aus Cancun.
    "Lebensräume für wild lebende Arten sind zurückgegangen"
    Ehring: Herr Mitlacher, noch eine Selbstverpflichtung zum Artenschutz. Was bringt das den Giraffen und anderen bedrohten Arten?
    Mitlacher: Wie Sie ja eben schon gesagt haben, soll das alles in andere Politiken integriert werden, und ich glaube, das ist einfach ganz wichtig. Es ist hier in Cancun eine wichtige Erklärung verabschiedet worden, dass vor allem in der Landwirtschaft mehr für den Naturschutz getan werden muss. Die Landwirtschaft muss einfach umweltfreundlicher werden, weil sie ist der größte Treiber von der Zerstörung von Natur und damit auch der Lebensräume von Arten.
    Ehring: Wie soll das gehen und was trägt die Erklärung von Cancun dazu bei?
    Mitlacher: Hier wurde verabschiedet, dass die Landwirtschaft mehr Artenvielfalt berücksichtigen muss. Denken Sie an Europa: Wir haben eine europäische Agrarpolitik, die eigentlich seit 50 Jahren Intensivierung, Intensivierung, Intensivierung durchgesetzt hat und die Lebensräume in der Agrarlandschaft für wild lebende Arten sind zurückgegangen. Das kann man an den Vögeln gut beobachten, das kann man auch an anderen Tieren beobachten, am Feldhasen kann man das gut beobachten, am Hamster und anderen Arten, die wir ja alle kennen. Die Agrarlandschaft ist einfach eine ausgeräumte Landschaft, wo Natur wenig Platz hat, und dieses System greift jetzt weltweit eigentlich um sich. Ob das jetzt riesige Soja-Plantagen sind in Brasilien, oder Palmöl-Plantagen in Indonesien, überall sind diese Lebensräume, wo intensive Agrarwirtschaft betrieben wird, eigentlich Wüsten für andere Tierarten.
    "Wir fordern seit Langem in Europa eine Reform der Agrarpolitik"
    Ehring: Wird sich das denn jetzt ändern?
    Mitlacher: Na ja, so schnell wird sich das nicht ändern. Eine politische Erklärung ist ja nur ein Stück Papier, auf dem viel geschrieben wurde. Die Länder sind jetzt angehalten, das in ihren Staaten umzusetzen, und wir werden hier die Nagelprobe sehen bei der Reform der nächsten Agrarpolitik in Europa, ob das Auswirkungen hat, ob die Länder hier, vor allem die EU dafür wirbt und dafür die nötige Kraft hat, das auch in Europa umzusetzen.
    Ehring: Was müsste denn jetzt konkret geschehen?
    Mitlacher: Wir fordern ja seit Langem in Europa eine Reform der Agrarpolitik, wo einfach mehr Fläche wieder zu natürlichen Lebensräumen entwickelt werden. Es müssen 10 bis 15 Prozent sein innerhalb der Agrarlandschaft, dann könnte ein System entstehen, wo auch mehr Schmetterlinge, mehr Bestäuber wieder da sind, die für die Agrarproduktion auch nützlich sind und die dann die ausgeräumte Landschaft wieder anreichern, und dann wäre es viel besser um die Tierwelt bestellt.
    Ehring: Es war ja die Rede von einer Koalition der Willigen für den Schutz bestäubender Insekten. Wie groß ist denn die Koalition der Willigen, die zum Beispiel gefährliche Pestizide aus dem Verkehr ziehen wollen, und ist Deutschland da überhaupt dabei?
    Artenschutz: "Koalition der Willigen" wächst
    Mitlacher: Ja, Deutschland ist dabei, und ich finde, das ist eine sehr positive Nachricht hier von Cancun. Der WWF hat vor der Konferenz einen Aktionsplan gefordert für Bestäuber, Insekten, Bienen, Hummeln, Wespen und andere Tiere wie Fledermäuse, Vögel, die ja auch bestäuben. In den Tropen sind es hauptsächlich Fledermäuse und Vögel, die die Pflanzen bestäuben. Das ist passiert, da gibt es eine Koalition der Willigen, angeführt von der niederländischen Delegation hier. Das war ein sehr positives Zeichen. Deutschland war da gleich dabei, andere EU-Länder wie Österreich, Frankreich, Spanien sind auch mit, es ist eigentlich eher eine europäische Initiative. Dann gibt es noch Uruguay, was hier unterschrieben hat.
    Es haben viele Länder das positiv aufgenommen und haben aber jetzt nicht so schnell einen politischen Beschluss herbeiführen können von zuhause, um das hier in Cancun zu unterschreiben. Deswegen werden wir sehen, wie die niederländische Regierung demnächst weiter versucht, die Koalition der Willigen größer zu machen - sehr positiv, finde ich.
    Ehring: Günter Mitlacher war das. Herzlichen Dank für dieses Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.