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Artenschutz und intensive Landwirtschaft - geht das?

Artenschutz und intensive Landwirtschaft – das scheint sich doch eher auszuschließen? Die Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft, FNL, hat am 3. Juli 2002 Vertreter aus Wissenschaft, Landwirtschaft und Politik nach Bonn geladen, um die Ergebnisse einer mehrjährigen Studie vorzustellen und zu diskutieren. Die FNL kommt in ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass auch bei intensiver Bewirtschaftung mit den Mitteln des integrierten Pflanzenbaus Natur- und Artenschutz möglich sei. Selbst Rote-Liste-Arten wie Rotmilan, Dorngrasmücke oder verschiedene Schmetterlinge seien auf solchen Flächen zu finden.

von Dietrich Sondermann | 03.07.2002
    Integriert, kontrolliert, nachhaltig, biologisch, intensiv, ökologisch oder extensiv – dem Laien raucht der Kopf bei so vielen Fachbegriffen. Was sich dahinter verbirgt wissen die wenigsten. Beim Symposium heute wird über die Vor- und Nachteile des integriert-kontrolliert wirtschaftenden Landbaus diskutiert. Die vorgestellte Studie sagt aus, dass auch diese Betriebe mit dem nötigen guten Willen zum Naturschutz beitragen können. Jürgen Fröhling, der Geschäftsführer der FNL sagt, wie das gehen soll:

    Es ist wichtig und sinnvoll, strukturbildende Elemente, die sehr regionaltypisch sein können, zu fördern, also sprich: Hecken, Säume, Feldraine, Wegraine und solche Dinge mehr mit Büschen oder mit anderen Pflanzen stehen zu lassen, zu schonen und dort eben keine Nutzung durchzuführen, sondern sie sozusagen als Rückzugsräume für eben diese Tiere und Pflanze sicherzustellen.

    Ein Rückzug von den integriert-kontrolliert bewirtschafteten Flächen, denn hier wird intensive Landwirtschaft betrieben:

    Ganz praktisch bedeutet das natürlich, dass man spritzen darf und kann mit zugelassenen Mitteln und nach guter fachlicher Praxis.

    Integriert heißt dabei, dass diese Mittel, also Pflanzen- und Insektengifte nicht prophylaktisch, also vorauseilend, sondern immer nur nach Bedarf verwendet werden sollen. Gute fachliche Praxis ist dabei ein viel diskutierter Begriff unter den Fachleuten:

    Im Grundsatz setzt es voraus, dass ein Landwirt – nehmen wir mal den Pflanzenschutz – ertsens einen Sachkundenachweis hat, das heißt eine Ausbildung und eine Prüfung nachweisen kann, so dass er wirklich den Führerschein hat, die Befähigung hat und zum zweiten, dass er alle Auflagen, die jedes Jahr immer wieder angepasst werden oder die auch durch neue Gesetze und Verordnungen entstehen, dass er sie kennt und sie anwendet.

    In der Untersuchung der FNL habe sich nun gezeigt, dass bei Betrieben, die diese Gesetze und Verordnungen einhalten, der Naturschutz Vorteile habe:

    Wenn man Abstand hält, wenn man heute mit den möglichen Methoden der präzisen Ausbringung operiert und hier das nach guter fachlicher Praxis macht, dann glaube ich, kann man auch die umgebende Nicht-Zielfläche – wenn ich das mal so formulieren darf – schützen und hat damit keinen negativen oder über die Maßen negativen Einfluss auf die umgebende Flora und Fauna.

    Diesen Glauben teilt Helmut Röscheisen vom Deutschen Naturschutzring nicht. Aus seiner Sicht ist gerade für den Artenschutz nur der ökologische Landbau geeignet:

    Wenn ich zunächst mal einen eingeführten Begriff des ökologischen Landbaus verwende, dann ist es so, dass dort bis zu drei Mal soviel Ackerwildkrautarten vorkommen, dass dort sehr viel mehr Bodenmikroorganismen und Bodentiere vorkommen und zwar bis zu 85 Prozent mehr wie beim konventionellen Landbau und dass dort eine etwa doppelt so große Anzahl von Schmetterlingsarten vorkommen wie auf konventionell bewirtschafteten Betrieben.

    Allen an dieser Diskussion Beteiligten ist klar, dass jede Form von Landwirtschaft einen Einfluss auf die Natur hat. Ackerflächen sind nur für verschwindend wenige Spezies ein ideales Biotop. Die meisten Tier- und Pflanzenarten müssen sich von solchen Flächen zurückziehen. Wie es dann in den Randbereichen aussieht, darüber entscheidet sicher auch die Art der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Anbaufläche. Für Helmut Röscheisen haben intensiv wirtschaftende Betriebe dabei klar den Schwarzen Peter:

    Die heutige industrialisierte Form der Landwirtschaft ist eine der wesentlichen Ursachen die zur Ausräumung von Tier- und Pflanzenarten von ihren Lebensstätten und damit auch zur Ausrottung dieser Arten führt; das ist bekannt und da kann man nicht darüber hinwegwischen.

    Dass Umweltschützer die Untersuchung der FNL kritisch hinterfragen werden, steht außer Frage. Ob mit Hecken und Feldgehölzen wirklich einen akzeptabler Ausgleich für Spritzmittel und Monokulturen zu schaffen ist, werden weitere Untersuchungen zeigen.