Donnerstag, 28. März 2024

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Asbest
Der verhängnisvolle Universalwerkstoff

Millionen Menschen wurden durch den einst beliebten Baustoff Asbest krank. Seit zwei Jahrzehnten schränken deutsche Behörden den Gebrauch des Materials mehr und mehr ein. Dennoch bleibt Asbest auch heute noch ein Problem.

Von Winfried Roth | 07.01.2014
    "Wir haben uns dann die Reparatur einer Turbine angucken wollen. So, und jetzt reißt da plötzlich ein Kompensator - ein Einbaustück zwischen den Rohrleitungen. Es staubte unheimlich. Wir beide, wir kamen dort raus - von Kopf bis Fuß mit Asbestisolierung eingehaust."
    "Wir haben die ersten Berichte über Gesundheitsschäden, die auch wirklich auf medizinisch-statistischem Gebiet robust waren, Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre gehabt. Es hat aber dann bis 1993 gedauert, bis in der Bundesrepublik Deutschland Asbest verboten worden ist, und in der EU sogar bis zum Jahre 2005 - also fast fünfzig Jahre zwischen der Erkenntnis und dem wirklichen Handeln."
    Anders als oft angenommen ist Asbest nicht nur ein Problem von vorgestern, sondern auch von heute und übermorgen. Das vorbehaltlose Vertrauen mehrerer Generationen von Ingenieuren und Managern in diesen "Universalwerkstoff" hatte und hat verhängnisvolle, buchstäblich atemberaubende Folgen. An Erkrankungen durch Asbeststaub sterben weltweit jedes Jahr über hunderttausend Menschen. Das gefährliche Material sieht ungefährlich aus - spröde, etwas faserig, meist weißlich oder grau, seltener bläulich. Auf keinem Schutthaufen würde es auffallen. Das Mineral - die einen sagen "der Asbest", die anderen "das Asbest"- schien ein besonders wertvolles Geschenk von "Mutter Natur". Es bot kaum glaubliche Möglichkeiten, über 150 Jahre lang verwendete man es geradezu verschwenderisch: in industriellen Herstellungsprozessen - etwa in Stahlwerken und Chemiefabriken -, in Bauten von der Garage bis zum Wolkenkratzer. Um 1980 war das Material geradezu allgegenwärtig - auch in Haarfönen und Toastern, unter Badewannen, in Bodenbelägen, Autos oder Flugzeugen.
    "Mein Name ist Herbert Borrmann. Ich hab Betriebsschlosser gelernt. Bin in Berührung gekommen mit Asbest in den Jahren 1958/59, zu Beginn meiner Lehrzeit. Da war ich in einem Walzwerk tätig und dort war es zum ersten Mal, dass wir mit Weißasbest, mit Asbestplatten in Berührung gekommen sind. Das Material war wie eine Platte aus Pappe. Die war weiß - man konnte das abbrechen, bröckelte, staubte und so weiter. Wir mussten Dichtungen schneiden, wir mussten Rohre bewickeln und so weiter. Dann hab ich nachher angefangen bei den Stadtwerken Düsseldorf. Ich war ja im Bereich tätig Turbinenisolierung. Es staubte, staubte unheimlich. Das war das Schlimmste."
    Millionen Kranke durch Asbest
    Wegen Asbest wurden bis heute Millionen Menschen krank - Beschäftigte in russischen Asbestbergwerken, in der deutschen Bauwirtschaft, in der italienischen Werftindustrie, in japanischen Autofabriken …. Gefährdet sind aber auch Wohnungsmieter oder Verbraucher. Herbert Borrmann leidet an Asbestose, einer Form der "Staublunge", er hat ein stark erhöhtes Krebsrisiko.
    "Ich hab aus meiner Abteilung 15 Leute, die verstorben sind. Und alle Asbest."
    Lange Zeit herrschte mit Blick auf Asbest eine Art gewolltes Unwissen. Erst in den letzten Jahrzehnten schränkten die Regierungen in Deutschland und anderen hochentwickelten Ländern die Verwendung des Materials mehr und mehr ein. Es gibt auch strenge Bestimmungen zum Umgang mit den Altlasten - zu ihrer systematischen Erfassung kam es allerdings nicht. Ein großer Teil des Asbests, der um 1980 in West- und Ostdeutschland "verbaut" war, ist immer noch da: etwa in Dach- und Fassadenplatten oder in Trinkwasserrohren. Ahnungslosigkeit oder Leichtsinn sind auch heute noch im Spiel - bei Reparatur- oder Abrissarbeiten wird immer wieder schädlicher Feinstaub frei. Zu den wichtigsten Altlasten gehören Bodenbeläge.
    "Das ist das Schlafzimmer - ja, das Zimmer haben wir noch nicht richtig gesichert. Und zum ersten Mal mit Asbest hier in Berührung gekommen bin ich 2006. Vinylasbestplatten haben wir da identifizieren können. Wir haben eine Probe abgebrochen und einen feuchten Lappen darum gelegt, damit nicht so viel Staub bleibt und haben die dann testen lassen und haben dann halt festgestellt, dass da 20 Prozent Chrysotilasbest drin ist."
    Der Sozialpädagoge Rudolf Jost und seine Frau wohnten bis vor kurzem in einem hübschen Altbau im Berliner Innenstadtviertel Schöneberg.
    "Das sind die Platten. Die Platten sind halt jetzt 32 Jahre alt - dann fangen die an zu brechen. In den anderen Zimmern haben wir eine Baufolie über die Platten gelegt und haben die Enden mit Silikon zugeklebt."
    Baustoff wurde von Behörden veordnet
    Nach heftigen Auseinandersetzungen mit dem Hauseigentümer wegen einer Entfernung des gefährlichen Materials zog das Paar schließlich in einen "unbelasteten" Neubau. Asbest leitet keinen Strom, Flammen machen ihm ebenso wenig aus wie Säuren. Vom Anfang des Industriezeitalters an nutzte man das Material zur Hitzeisolierung - in Dampfmaschinen, Hochöfen, in Kraftwerken oder im Maschinenbau. Konstrukteure hielten den Rohstoff außerdem in Lokomotiven, Panzern oder Schiffen für unverzichtbar. Asbest diente nicht nur als Isolierung, sondern auch als stabilisierender Zusatz in Bremsbelägen.Generationen von Autos hinterließen nach jedem Bremsen kaum sichtbare Schleier von gefährlichem Staub. Besonders viel Asbest verbrauchte die Bauwirtschaft - ihr sind in Deutschland die weitaus meisten Altlasten zu verdanken. Behörden schrieben das Material zum Brandschutz vor, an Stahlträgern, Heizkörpern, Stromleitungen oder in Klimaanlagen - häufig in Form von Spritzasbest, einem schaumähnlichen Material. Begeisterte Ingenieure und entschlossene Manager entdeckten immer neue Anwendungsmöglichkeiten. So macht Asbest auch Zement stabiler. Ein fast unüberschaubares Sortiment an Asbestzementprodukten bot weltweit die Firma Eternit an, Dach- und Fassadenplatten, Akustikdecken oder Blumenkästen. Auch Fensterkitt, Wandputz, Dachpappe oder Asphalt enthielten nicht selten Asbest. Rudolf Jost begegnete dem Risikomaterial nicht nur in seiner Wohnung in Berlin-Schöneberg, sondern auch in seinem Keller.
    "Das sind jetzt die Eternit-Rohre von dem Abwassersystem. Hier sehen Sie - da ist Asbestzement. Und teilweise - das ist noch nicht geklärt - gibt es auch Wasserzuleitungen aus Asbest, das heißt, man hat im Trinkwasser unter Umständen Asbestpartikel."
    In Millionen Wohnungen und Büros verlegten Handwerker oder Mieter komfortable asbesthaltige Bodenbeläge. Der Mineralstoff macht das jeweilige Grundmaterial haltbarer. Dr. Konrad Schwellnus von der Beratungsfirma Wartig Nord in Hamburg, Experte für Asbestsanierung.
    "Wir haben hier Fußbodenbeläge - hier zum Beispiel eine auf PVC-Basis hergestellte Fußbodenplatte mit Asbestfasern drin. Auf der Rückseite sehen wir hier einen Rest von Bitumenkleber - diese Bitumenkleber bei den Asbestplatten sind auch sehr oft asbesthaltig. Das hier ist ein alter Linoleumbelag, man sieht den Juterücken - auch solche Linoleumbeläge können asbesthaltig sein."
    Gefahr erst spät wahrgenommen
    Auch Öfen, Herde, Bügeleisen, Toaster, Haarföne oder Radios enthielten oft Asbest. Viel zu spät nahmen Manager und Politiker zur Kenntnis, dass Asbest tödliche Krankheiten verursachen kann. Denn bei Verarbeitung oder Verschleiß des Materials wird Feinstaub frei, der sich in den Atemwegen festsetzt. Die häufigste Erkrankung ist die Asbestose. Sie droht etwa Bergleuten und Bauarbeitern, die jahrelang im Staub standen. Diese Form der "Staublunge" macht den Opfern mit Erstickungsanfällen das Leben oft zur Hölle, im ungünstigsten Fall führt sie zu Lungenversagen. Außerdem kann das Einatmen des Staubs Lungen-, Kehlkopf- oder Speiseröhrenkrebs verursachen - und das sonst sehr seltene Mesotheliom, eine Krebserkrankung des Rippenfells. Anders als bei Asbestose reichen dafür schon geringe Mengen Staub aus. Warnungen vor den Risiken von Asbest gab es schon vor dem Ersten Weltkrieg. Konrad Schwellnus:
    "Die Lebensversicherungen haben schon zu so einem Zeitpunkt angefangen, Leute, die beim Asbestabbau beschäftigt sind, denen keine Lebensversicherung zu verkaufen."
    Aber die Verantwortlichen sahen viele Jahrzehnte lang über die besorgten Hinweise einzelner Arbeitsmediziner hinweg. Der frühere Asbestisolierer Herbert Borrmann aus Düsseldorf erinnert sich an keine Warnungen:
    "Das wurde geschnitten entweder mit dem Messer, scharfen Messer, oder mit 'ner Säge - also alles ohne Mundschutz. So haben wir auch da weiter gearbeitet."
    Als die Politik endlich das Thema aufgriff, sperrten sich auch manche Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter gegen einen rascheren "Ausstieg" - sie hatten Angst um Arbeitsplätze. Zwei bis drei Millionen Arbeiter und Arbeiterinnen in Deutschland - Ost und West - kamen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf Baustellen oder in Fabriken mit Asbest in Berührung. Aber auch außerhalb der Arbeitswelt atmeten viele Menschen gefährlichen Staub ein. Hunderttausende sind erkrankt, zehntausende gestorben - zuverlässige Zahlen gibt es nicht.
    "Nach meiner Meinung, und der Meinung sind wir alle - eine hundertprozentige Schutzmaßnahme gibt es bei Asbest nicht."
    "Aus eigener Erfahrung wollen wir nicht Totengräber unserer Kollegen sein. Und deswegen werden wir uns ganz energisch dafür einsetzen, dass auf diesem Schiff keiner von uns arbeiten wird."
    Arbeiter der Bremer VULKAN-Werft sprachen 1983 über ihre Befürchtungen.
    "Ja, was heißt Arbeitsplatz? Ich kann da ja nicht meinen Arbeitsplatz sichern, um meine Gesundheit zu gefährden und meine Lebensdauer verkürzen, das geht ja nicht."
    Erstes Verbot in Deutschland kam 1979
    Seit den siebziger Jahren nahm das Bewusstsein für Gesundheits- und Umweltrisiken in den Industrieländern zu. 1979 verbot man in der Bundesrepublik wenigstens Spritzasbest - die gefährlichste Verwendungsform des Minerals. Ein endgültiges Verbot von Asbest - genauer gesagt ein Verbot des Verkaufs und der Neuverwendung - beschloss man in Deutschland erst 1993, in der EU 2005. In der Öffentlichkeit herrscht heute weithin die Vorstellung, Deutschland habe kein Asbestproblem mehr. Das ist aber keineswegs so. Die meisten vor Mitte der neunziger Jahre fertig gestellten Gebäude sind nach wie vor verdächtig. Rudolf Jost ist unzufrieden mit der Rechtslage bei Altlasten:
    "Der Staat hat da noch keinen Handlungsbedarf bisher gesehen. Da gibt es noch keine Vorschriften, wenn die Fasern freisetzen, dass die entfernt werden. Es gibt nur Vorschriften, wenn die ganz verwittert sind, wie sie saniert werden müssen - jetzt aber nicht, dass sie saniert werden müssen."
    Systematisch untersucht wurde nur ein kleiner Teil der Gebäude zwischen Rügen und Schwarzwald. Besonders Asbestzement ist noch an unzähligen Bauten in Dach- und Fassadenplatten, in Schornsteinen und Installationsschächten vorhanden - oder auch in Rohrleitungen. Andreas Otto, Bauexperte der Grünen im Berliner Landesparlament, weist auf ein anderes vergessenes Problem hin - asbesthaltige Bodenbeläge …
    "… die jetzt eben kaputt gehen, sei es durch mechanische Beanspruchung oder wenn irgendjemand mal das was arbeitet dran, an dem Fußboden."
    Heute gehen die Risiken vom langsamen Verschleiß der Produkte aus, noch mehr aber von unvorsichtigen Abriss- und Renovierungsarbeiten. Viele Arbeiter oder Heimwerker sind gleichgültig oder uninformiert. Noch dazu ist das Material so unauffällig, dass es sich ohne Laboranalyse nicht eindeutig identifizieren lässt. Wird eine Dachplatte zersägt, können schon Millionen heimtückischer Asbestfasern frei werden.
    "Sie wollen einen Dübel in die Wand bohren - ist die Wand asbesthaltig, dann dürfte man das nicht ohne Schutzmaßnahmen machen."
    Asbestsanierungsexperte Konrad Schwellnus. Alle Arbeiten sollte eine zertifizierte Fachfirma durchführen - mit Atemschutzausrüstung, einer luftdichten Abschottung aus Folien und Sicherheitsstaubsaugern.Manche Hausbesitzer oder Heimwerker sehen das viel unkomplizierter:
    "Es gibt Leute, die sagen sich "Das ist doch eh so teuer, das ist doch eh sinnlos - und keiner hat's gesehen, weg damit."
    Defizite gibt es auch bei kleineren Bauunternehmen. Rudolf Jost griff bei Sanierungsarbeiten ein …
    "… weil wir mitgekriegt hatten vorher, dass in Nachbarwohnungen ganz sorglos mit den Platten umgegangen wurde. Das hat man eben rausgebrochen, mit Eimern runtergetragen - man hat da überhaupt keine Schutzmaßnahmen eingehalten."
    Der Berliner gehörte zu den Mitbegründern einer Initiative gegen den nachlässigen Umgang mit Asbestaltlasten. Zwar gibt es für Reparatur- oder Demontagearbeiten strikte gesetzliche Vorschriften - ihre Einhaltung wird aber nur ausnahmsweise kontrolliert. Der grüne Abgeordnete Andreas Otto:
    "Wir schlagen vor in der Tat eine Bestandsaufnahme, die ein Register oder Kataster enthalten kann, aber auch durchaus eine Kennzeichnung der Gebäude. Nach dem Vorbild des Energieausweises, man könnte im Treppenhaus einen Asbest- oder Schadstoffpass aushängen. Dann wüssten alle, die da einziehen "Moment mal, hier ist was"."
    Asbest wird in vielen Ländern weiter verwendet
    Im größten Teil der Welt hat man aus der "Tragödie Asbest" kaum Konsequenzen gezogen.In Russland, China, Kasachstan oder Brasilien läuft der Abbau weiter. In vielen Ländern verwenden Bauwirtschaft und Industrie nach wie vor das todbringende Material. Etwa 125 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter sind heute laut Weltgesundheitsorganisation solchem Staub ausgesetzt. Zwanzig Jahre nach dem Verbot sterben in Deutschland an Asbestose und an asbestbedingtem Lungen- oder Rippenfellkrebs jährlich ein- bis zweitausend Menschen, vor allem frühere Industrie- oder Bauarbeiter. Weltweit ist das Mineral jedes Jahr für mindestens hunderttausend Tote verantwortlich. Hinzu kommen noch viel mehr Asbestoseerkrankungen, die nicht tödlich enden - und doch oft qualvoll sind.
    "Ich hab ja auch 20 Kilo abgenommen jetzt durch meine Krankheit. Wenn man merkt, man kann kaum noch laufen, ohne stehenzubleiben - dann nervt das. Ich kann mit meinen Enkelkindern nichts unternehmen - oder irgendwo der Frau behilflich sein. Wenn ich die Treppe allein nach oben komme, muss ich unterwegs für eine Etage drei Mal stehen bleiben."
    Herbert Borrmann. Da Krebs durch Asbeststaub gewöhnlich erst Jahrzehnte nach dem Kontakt ausbricht, wird der Höhepunkt dieser Erkrankungswelle wahrscheinlich erst zwischen 2020 und 2030 erreicht. Insgesamt könnten zwischen Rostock und Freiburg mehrere hunderttausend Menschen zu Opfern des Asbests werden - genauer gesagt, zu Opfern der Gleichgültigkeit von Wissenschaftlern, Managern und Politikern. Unglaubliche Summen werden in den nächsten Jahrzehnten fällig, wenn die meisten im 20. Jahrhundert entstandenen Gebäude das Ende ihrer Nutzungszeit erreicht haben und abgerissen werden müssen. Ein großer Teil von ihnen dürfte das unheilvolle Material enthalten. Ist die Geschichte des Asbests nur ein "bedauerlicher Einzelfall"? Der Risikoforscher Prof. Ortwin Renn von der Universität Stuttgart:
    "Wir kennen nicht einmal 5 Prozent aller Chemikalien in ihren toxikologischen Eigenschaften. Und wir haben natürlich immer wieder neue Chemikalien, die entstehen."
    In Deutschland und der EU kam es nur sehr zögernd zu einem Umdenken in der Politik. Einen Wendepunkt bedeutete 2007 das EU-Programm REACH. REACH steht für "Registration, Evaluation, Authorization and Restriction of Chemicals" - auf Deutsch "Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien". Inbegriffen sind auch Werkstoffe natürlicher Herkunft. Allerdings - bis die wichtigsten dreißigtausend Materialien - von über hunderttausend - auf gesundheitliche Risiken geprüft sind, dürften noch lange Jahre vergehen. Außerdem hat gerade in Deutschland die Politik die Forschung zu Giftstoffen - die Toxikologie - in den letzten Jahren "zurückgefahren".
    "Das ist noch ein Punkt, wo ich drauf zurückkommen muss - dass wir viel mehr Toxikologie und nicht weniger brauchen. Also wir sehen das auch mit großer Sorge."
    "Allgemeiner Verdränungsprozess"
    Anders als in den USA, Japan oder Italien gibt es in Deutschland kaum Initiativen von Asbestbetroffenen. Rudolf Jost aus Berlin gehört zu den wenigen, die sich engagierten:
    "Das ist so ein allgemeiner Verdrängungsprozess, kann man sagen, bei ganz vielen Leuten. Wir haben ja diese Initiative ins Leben gerufen und auch an vielen Haustüren geklingelt und die Leute informiert und die eingeladen - da ist bei vielen passiert, dass die gesagt haben "Das geht mich nichts an" - oder "Ich hab kein Interesse" oder so."
    Dazu meint der Risikoforscher Ortwin Renn von der Universität Stuttgart:
    "Wenn ich großen Druck mache und sage - hier, 10 000 Leute, die protestieren -, dann muss sich Politik damit beschäftigen. Wenn es um Asbest geht, da steht keiner auf der Straße. Und dann können eben solche Risiken, die "schleichende" Risiken sind, schnell übersehen werden."
    Eine Ausnahme waren die - erfolgreichen - Proteste seit 2011 gegen den geplanten Transport gigantischer Mengen von Asbestabfällen aus Wunstorf in Niedersachsen auf angeblich sicherere Deponien. Millionen Menschen sind wegen Asbest schwer erkrankt oder gestorben. Hinzu kamen gewaltige Wohlstandsverluste. Es war - und ist - eine der größten Technikkatastrophen.
    "Es ist natürlich schon ein Drama, wenn man sich anguckt, in wie vielen Gebäuden solche Eternit-Produkte eingebaut waren - da gibt es viele, viele Altlasten. Allein die ganzen Asbestzementdächer, die Asbestzementfassaden … Da stehen wir erst am Anfang. Und ich bin sicher, wir werden in 20 Jahren nicht durch sein."