Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Aserbaidschan
Tod eines Reporters

Rasim Alijew ist einer der führenden Journalisten Aserbaidschans gewesen. Als er einen Fußballer der Nationalmannschaft für sein Verhalten kritisierte, gab es Streit - der tödlich endete.

Von Marcus Bark | 08.10.2017
    Guler Abbasowa, die Verlobte von Rasim Alijew, am Gab des Reporters
    Guler Abbasowa, die Verlobte von Rasim Alijew, am Gab des Reporters (Deutschlandradio/WDR/Marcus Bark)
    Rasim Alijew ist einer der führenden Journalisten Aserbaidschans gewesen, dem Regime dort stets ein Dorn im Auge. Regelmäßig hat Rasim Alijew Proteste in seiner Heimat dokumentiert, auch wenn er dabei von der Polizei Schläge einsteckt. Mehman Alijew, weder verwandt noch verschwägert mit Rasim, ist der Chef der letzten freien Nachrichtenagentur im autokratisch regierten Aserbaidschan.
    Er hat den mutigen Reporter gut gekannt und sagt dem WDR-Magazin "Sport inside": "Rasim Alijew arbeitete für die Organisation zur Sicherheit und Freiheit von Journalisten, welche sich für den Schutz der Meinungsfreiheit einsetzt. Er wurde später sogar der Vorsitzende der Organisation."
    DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte im Vorfeld erklärt, den Einsatz des Spielers in der Partie gegen Deutschland bei einem gemeinsamen Essen mit der Verbandsführung von Aserbaidschan kritisch ansprechen zu wollen. ARD-Reporter Marcus Bark berichtete im Deutschlandfunk, dass über die Inhalte zunächst nichts an die Öffentlichkeit gelangte.
    Streit um türkische Flagge auf Zypern
    Rasim Alijew wurde nur 30 Jahre alt. Er starb, weil er den Fußballer Javid Hüsejnow kritisierte. Im August 2015 spielte Hüsejnow mit dem FK Qäbälä in der Europa League gegen Apollon Limassol, eine Mannschaft aus dem griechischen Teil Zyperns. Dank seines Treffers kam der aserbaidschanische Klub in der Qualifikation weiter. Hüsejnow jubelte mit einer türkischen Flagge und provozierte die zyprischen Gäste damit bis aufs Blut.
    Versöhnungsangebot als Falle
    Javid Hüsejnow und Rasim Alijew vereinbarten daraufhin ein Treffen. Der Fußballer, so sagte er, wolle sich mit dem Journalisten beim Tee versöhnen. Aber er fehlte bei dem Treffen. Stattdessen prügelte ein von ihm organisierter Trupp mit seinem Cousin an der Spitze ohne Vorwarnung brutal auf Rasim Alijew ein. Im Krankenhaus stellten die Ärzte gebrochene Rippen fest, nichts Lebensbedrohendes. Trotzdem starb Radim Alijew am nächsten Morgen. Die Umstände bleiben bis heute mysteriös.

    Mammadali Alijew, der Vater von Rasim, sagt über das Gerichtsverfahren: "Unser Ziel war es, zu beweisen, dass der Fußballer Javid Hüsejnow das Verbrechen begangen hat. Zusammen mit unseren Rechtsanwälten haben wir zusätzlich viele Eingaben gemacht, aber sie sind abgelehnt oder gar nicht beachtet worden."
    Die Haftstrafe wird schnell reduziert
    Vermutlich auch wegen des Drucks aus der aserbaidschanischen Gesellschaft wird Javid Hüsejnow als Drahtzieher zunächst zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Aber die Strafe wird schnell auf 14 Monate reduziert. Und nicht einmal die muss der Nationalspieler absitzen. Anar Mammadli ist einer der bekanntesten Menschenrechtsaktivisten Aserbaidschans. Er kennt die Willkürjustiz in seiner Heimat, saß mehr als zwei Jahre dort im Gefängnis. 2014 erhielt er den Menschenrechtspreis des Europarats.
    Mammadli sagt: "Warum Javid Hüsejnow frei gelassen wurde, ist immer noch unklar. Darauf gibt es bisher keine nachvollziehbare Erklärung. Wir glauben, dass Javid Hüseinov Unterstützung von ganz oben bekam, von den wichtigsten Oligarchen des Landes." Einer dieser Oligarchen ist Kamaladdin Hejdarow, enger Berater des Staatspräsidenten und Notstandsminister von Aserbaidschan. Er gilt als korrupt. Sein Sohn Tale ist der Präsident des FK Qäbälä, für den Javid Hüsejnow auch heute noch spielt, genau wie für die Nationalmannschaft. Nicht nur für Mehman Alijew, den Chef der unabhängigen Nachrichtenagentur, ein Ärgernis.

    "Dass Javid Hüsejnow vorzeitig freigelassen wurde und wieder in der Nationalmannschaft spielt, kam in der Gesellschaft überhaupt nicht gut an. Es ist doch vor Gericht bewiesen worden, dass er dabei mitgeholfen hat, Rasim zu töten", sagt Mehman Alijew. "Er war bei diesem Verbrechen dabei. Als unabhängiger Journalist sage ich, dass unsere Gesellschaft es als Beleidigung ansieht, dass Javid wieder in der Nationalmannschaft spielt." Das Hinspiel gegen Deutschland ist das erste nach der Freilassung gewesen.