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Aserbaidschans Aufbruch ins 21. Jahrhundert

Die längste Öl-Pipeline der Welt ist in Betrieb genommen worden. Von Baku am Kaspischen Meer führt sie über 1765 Kilometer quer durch Aserbaidschan, Georgien und die Osttürkei bis ans Mittelmeer nahe der Stadt Ceyhan. Vor allem Aserbaidschan hofft durch den steten Ölfluss auf wirtschaftlichen Aufschwung.

Von Thomas Franke | 25.05.2005
    Die Kinder in der frisch renovierten Schule im Dorf Ümid kommen schwer ins Schleudern. Sie haben Erdkundeunterricht, Keiner kann auf der Karte zeigen, wo Gobustan liegt. Dabei würde ein Blick aus dem Fenster genügen, um die berühmten Felsen in der Wüste Aserbaidschans zu sehen.

    Die Felsen von Gobustan mit ihren steinzeitlichen Malereien symbolisieren für viele Aserbaidschaner die große Bedeutung ihres Landstrichs für die menschliche Zivilisation. Aber nicht nur die Felsen Gobustans könnten die Kinder sehen. Zwischen Felsen und Schule, eingepflanzt wie Ufos in die Ödnis, erheben sich die ausladenden strahlend weißen neuen Öltanks von Sangachal. Viele sehen sie als Symbol für den Aufbruch Aserbaidschans in 21. Jahrhundert.


    In Sangachal beginnt eine der längsten Pipelines der Welt. Sie führt 1765 Kilometer nach Westen, quer durch Aserbaidschan, Georgien und die Osttürkei bis ans Mittelmeer nahe der Stadt Ceyhan. Heute wurden die ersten Tropfen Öl in Sangachal in das Rohr gepumpt. Die neuen Nachbarn der Dorfbewohner sind reich.

    Und die neuen Nachbarn sind spendabel. Die Schulkinder verdanken ihnen den frisch renovierten Klassenraum. Schuldirektor Mubariz Naurozov ist zufrieden mit den Zugezogenen.

    "Da drüben wird noch eine neue Schule gebaut. Und an jedem Feiertag kommen sie hier her und bringen den Kindern Geschenke. Sie helfen uns immer. (...) Das Terminal organisiert für die Abschlussklassen auch Vorbereitungskurse in Physik, Chemie, Biologie und Algebra, damit die Schüler die Zugangstests für die Hochschulen bestehen. Und wenn ein Schüler einen Studienplatz bekommt, dann geben sie ihm noch ein Stipendium. (...) Wir hatten bis vor kurzem auch keine Kanalisation. Die legen sie jetzt für uns. Unsere Zukunft wird gut werden. "

    Der öffentliche Druck auf die Ölkonzerne ist immens. Diverse Umweltkatastrophen haben dafür gesorgt, dass jedes Projekt von einer kritischen Öffentlichkeit beobachtet wird. Unfälle wie die der Exxon Valdez und der "Prestige", brennende Plattformen und verschmierte Landschaften sollen sich nicht wiederholen. Die internationalen Großkonzerne arbeiten mit Hochdruck daran, sich ein gutes Image zu verschaffen.

    So auch British Petrol. BP hat die Federführung für die Pipeline Baku-Ceyhan übernommen. Insgesamt sind elf Konzerne an dem Konsortium beteiligt, unter anderem der staatliche aserbaidschanische Ölkonzern Socar, der Umweltverträglichkeit sonst missachtet, und der US-amerikanische Konzern Unocal. BP hält mit gut 30 Prozent das größte Anteilspaket. Mike Bilbo, Sprecher von BP in der Türkei, lehnt den Begriff "Image" jedoch ab.

    "Ich würde das Wort Reputation benutzen. Reputation ist das, was die Leute über dich denken, wenn du den Raum verlassen hast. Jedes große multinationale Unternehmen, besonders BP, setzt seine Reputation sehr hoch an in der Prioritätenliste.
    Es geht um Nachhaltigkeit. Wir nennen das die "Lizenz zum Geschäftemachen". Wir haben für diese großen Projekte eines realisiert: Man muss angesichts der Dauer von 40 bis 50 Jahren, das ist immerhin ein halbes Leben, die Erlöse in der Region reinvestieren. "

    Deshalb erhielten die Menschen entlang der Pipeline Arbeit auf den Baustellen und in den Camps. Frauen bekamen Nähmaschinen und den Auftrag, Berufsbekleidung für die Pipelinearbeiter zu nähen. Sozialarbeiter sorgen entlang der Route dafür, dass die Anwohner zufrieden sind und alle Subunternehmer sozial- und umweltverträglich arbeiten. Es gibt Hilfe bei Wasserleitungen, bei Gemeindehäusern und Fußballplätzen.

    Die Perspektive, Aufschwung in die arme Region des Südkaukasus zu bringen, war denn auch ein Grund für die Weltbanktochter IFC, das Projekt mit einem satten Kredit auszustatten.

    Schon vor Beginn der Bauarbeiten sorgte das Pipelinekonsortium für gute Stimmung, indem es den Landbesitzern für deren Verhältnisse großzügige Entschädigungen anbot. In der Regel kauften die Betreiber den Streifen Land, in dem das Rohr vergraben wurde. Die Pipeline läuft auf der gesamten Strecke vom Kaspischen bis zum Mittelmeer unterirdisch. Zusätzlich pachteten die Betreiber für die Zeit der Bauarbeiten noch einmal ein paar Meter links und rechts des Rohrs; ein gutes Geschäft für die Bauern, dürfen sie doch nach Abschluss der Arbeiten die Felder wieder bestellen, auch den Streifen, der dem Konsortium gehört. Einzige Bedingung ist, dass niemand auf der Pipeline Bäume pflanzt.

    Die Röhren sind so groß, dass ein Erwachsener gebeugt durch sie hindurch laufen kann. Sie wurden zusammengeschweißt, dann wurde ein Graben ausgehoben und das fertige Rohr darin versenkt. In zwei Jahren soll Gras darüber gewachsen sein, Getreide, Melonen. Dann soll die Narbe im Boden auch aus der Luft nicht mehr erkennbar sein.

    Aber nicht alle Bauern am Rand der Pipeline sind zufrieden. Einige klagen, dass Nachbarn oder Gemeindevorsteher Grundbucheinträge gefälscht hätten. Andere waren überfordert damit, Hilfe zu beantragen. Und es kam zu Vetternwirtschaft bei den Subunternehmern. Das Versprechen des Pipelinekonsortiums, aus jeder Familie in jedem betroffenen Dorf einen zu beschäftigen, wurde nicht immer realisiert.
    In Aserbaidschan werden die Gewinne aus dem Ölexport von einem staatlichen Ölfonds verwaltet. Der sei völlig undurchsichtig, behauptet zum Beispiel der aserbaidschanische Umweltschützer und Menschrechtsaktivist Mayis Gulaliyev.

    "In Aserbaidschan gibt es keine öffentliche Kontrolle darüber, wie die Gewinne aus dem Ölexport verwendet werden, und deswegen werden sie nur dem korrupten Regime zugute kommen.
    Das Bildungs- oder Gesundheitssystem wird davon nichts abbekommen. (...) Und die aserbaidschanische Wirtschaft wird langfristig immer schwächer. "

    Der Direktor des Ölfonds, Samir Sharifov, streitet Korruptionsvorwürfe ab.

    "Das Geld aus dem Ölfonds wird vor allem für die Umsiedlung von Flüchtlingen aus Armenien und Berg-Karabach ausgegeben.
    (...) Wir haben bereits 75 Millionen US-Dollar investiert, um Wohnhäuser, Schulen, Krankenhäuser und Straßen zu bauen und um die Siedlungen mit Strom und Wasser zu versorgen.
    Ein anderer Teil des Geldes wurde benutzt, um die staatlichen Anteile an der Pipeline Baku-Ceyhan zu bezahlen.
    Die Regierung von Aserbaidschan hat diverse Maßnahmen ergriffen, um Korruption zu bekämpfen (...) - bis hin zu detaillierten Wettbewerbsregeln, öffentlichen Ausschreibungen und so weiter. Das alles ist geschehen, um einen Missbrauch von Fondsgeldern auszuschließen. "

    Die Unternehmensleitung von BP hinterfragt diese Beteuerungen lieber nicht. Die Manager in Aserbaidschan beantworten keine politischen Fragen. Wie auch sonst keiner der Ölmanager Kritik an der aserbaidschanischen Regierung übt - obwohl diese regelmäßig Menschenrechte verletzt. Erst am vergangenen Sonnabend wurden wieder Oppositionelle, die für faire Wahlen auf die Straße gingen, von Sicherheitskräften verprügelt. Nach offiziellen Angaben wurden 45 Menschen verhaftet, die Opposition sprach von bis zu 300 Verhaftungen. BP-Unternehmenssprecher Mike Bilbo:

    " (...) Wie sich Aserbaidschan entwickelt, ist Sache Aserbaidschans.
    In Aserbaidschan geht es darum, dass die Erlöse, die an die aserbaidschanische Regierung gehen, auch für jeden sichtbar zugunsten der Bevölkerung ausgegeben werden. Es gibt derzeit große Bemühungen in diese Richtung. (...) Und es ist Sache der Regierung von Aserbaidschan, zu zeigen, dass sie das umsetzen kann.
    Jeder profitiert irgendwie von der Pipeline. Die Anrainerstaaten haben sich auf eine Route geeinigt und Verträge miteinander abgeschlossen. Sie alle sind an den Erlösen aus der Pipeline beteiligt. Aserbaidschan profitiert außerdem davon, dass dort das Rohöl gewonnen wird. (...) Auch der Verbraucher wird profitieren, weil neues Rohöl aus dem Kaspischen Meer auf den europäischen Markt kommt - und das zu einer Zeit, in der die Reserven unter der Nordsee bald aufgebraucht sein werden. "

    Naturgemäß sieht Bilbo nur Gewinner des Projekts. Es gibt aber mindestens einen Verlierer, und der heißt Armenien.

    Der kürzeste Weg der Pipeline von Baku nach Ceyhan wäre durch Armenien gewesen. Das gefiel den Aserbaidschanern nicht, denn die befinden sich im Dauerkonflikt mit ihren armenischen Nachbarn um Berg-Karabach. Armenier halten seit nunmehr elf Jahren ein Fünftel des Gebietes von Aserbaidschan besetzt. Der Waffenstillstand von 1994 wird immer wieder gebrochen.

    Auch zwischen der Türkei und Armenien sind die Beziehungen belastet. Grund ist der Streit um den Genozid der Türken an den Armeniern 1915. Großangelegte gemeinsame wirtschaftliche Projekte zwischen Armeniern und Türken sind undenkbar. Nur aufgrund dieser Konflikte macht die Pipeline einen Bogen um Armenien herum durch Georgien.

    Skeptiker warnen, dass durch die Pipeline die Kriegsgefahr in der Region wächst. Denn Aserbaidschan könnte mit dem Geld aus dem Ölgeschäft aufrüsten, um Berg-Karabach mit Gewalt zurückzuerobern. Dazu der Direktor des Ölfonds Samir Sharifov:

    "Ich kann nicht bestätigen, dass Geld aus dem Ölfonds benutzt wird, um Waffen zu kaufen und uns auf einen Krieg vorzubereiten. Aber andererseits können wir nicht ausschließen, dass wir dafür Geld brauchen könnten. Das ist die offizielle Position der aserbaidschanischen Regierung, und ich denke, die Geduld der Menschen in Aserbaidschan ist nicht unbegrenzt. "

    Säbelrasseln gehört in den Staaten des Südkaukasus allerdings zum politischen Geschäft und ist Teil der Propaganda.

    Die antiarmenischen Ambitionen der Aserbaidschaner reichen aber noch weiter. Georgien ist ein Vielvölkerstaat, gerade im Süden des Landes leben viele Armenier. Auch in Georgien führt die Pipeline um armenisch bewohnte Gebiete herum. Diese Bedingung soll Heydar Alijev, der damalige Präsident Aserbaidschans, vor der Unterzeichnung der Verträge gestellt haben. So wenig Armenier wie möglich sollten von dem Projekt profitieren. Die offizielle Begründung lautet freilich anders: In den von Armeniern bewohnten Gebieten sei die Sicherheit nicht gewährleistet, heißt es von der georgischen Regierung. Die Armenier würden sich nicht loyal dem georgischen Staat gegenüber verhalten. Außerdem gibt es dort einen russischen Militärstützpunkt, das wäre an sich schon ein Sicherheitsrisiko, behaupten die Georgier. Dazu der Kommentar von David Glendenning, Sprecher von BP in Georgien:

    "Wir müssen mit der georgischen Regierung zusammenarbeiten, und die Wahl der Route kann nicht ohne ihre Unterstützung erfolgen. "

    Stattdessen streift die Pipeline nun den Borjomi-Nationalpark. Selbst die Befürworter der Pipeline halten das für eine schlechte Lösung. Zumal Georgien ein Erdbebengebiet ist. Unabhängig davon, wie sicher so ein Rohr auch gebaut werde, ein Restrisiko bleibe, sagen georgische Experten. Lewan Sabunidze arbeitet im Borjomi-Nationalpark.

    "Wenn etwas passiert und Öl austritt, wird das gefährlich sein für den Nationalpark und für Borjomi.
    Und ich denke, es wird auch die Mineralquellen von Borjomi in Mitleidenschaft ziehen. "

    Immer wieder weisen Georgier auf die Erdbebengefahr in ihrem Land hin. Erst vor drei Jahren zerstörte ein Beben der Stärke 7,3 auf der Richterskala Teile der Altstadt von Tiflis. Die Pipeline sei flexibel, sagen die Konstrukteure. Im Falle eines Erdbebens könne sich das Rohr sogar unterirdisch verschieben, ohne zu brechen. In den besonders gefährdeten Gebieten schütze ein zusätzlicher Betonmantel das Rohr. Die Konstrukteure verweisen außerdem auf die Pumpstationen an der Strecke und auf diverse Sperreinrichtungen, an denen der Ölfluss sofort unterbrochen werden kann. Das aber dauere in jedem Fall zwanzig Minuten, rechnen georgische Experten vor. Je nachdem, wie stark der Druck in diesem Moment sei, würden 4000 bis 6000 Tonnen Öl auslaufen.

    Allein schon die Tatsache, dass es die Pipeline am Rand des Nationalparks gibt, schade, meinen georgische Umwelt- und Reiseexperten. Georgiens Wirtschaft liegt am Boden, das Land setzt für die Zukunft vor allem auf Ökotourismus. Lewan Sabunidze vom Borjomi-Nationalpark:

    " (...) Borjomi war schon in der Sowjetunion ein sehr beliebter Park, wir hatten viele russische Touristen, und jetzt wollen wir auch Ausländer anlocken, die nicht aus den ehemaligen Sowjetrepubliken kommen.
    (...) Ich kann sagen, dass jeder Tourist, der hier her kommt, vielleicht nicht als erstes, aber bestimmt als zweites die Frage stellt, wie weit die Pipeline vom Nationalpark entfernt ist. Und deshalb ist sie nicht gut für die Entwicklung des Tourismus und des Nationalparks in dieser Region. "

    Trotzdem ist der Widerstand gegen die Pipeline in Georgien gering. Das liegt auch an der geschickten Personalpolitik der Pipelinebetreiber. Viele Kritiker, qualifizierte Geologen und Umweltschützer, arbeiten für die Pipeline. Einer der wichtigsten Kritiker der Pipeline in Georgien ist die "Grüne Alternative". Tamuna Kurtanidze vertritt die Organisation in Borjomi. Eigentlich ist sie Orientalistin und unterrichtet Aramäisch. Sie glaubt den Betreibern der Pipeline nicht, dass sie genügend getan haben, um Schäden für die Umwelt auszuschließen. Und sie ist ein bisschen frustriert über den geringen Widerstand ihrer Mitbürger.

    "Vielleicht haben viele Leute erst jetzt realisiert, was das schädigen kann und (…) dass Profit nicht so viel ist, und dass Profit nicht für die Landleute ist und nur für die Regierung... Also am Anfang wussten... die Leute (...) überhaupt nichts über diese Pipeline. Sie wussten nur: Die Regierung baut eine Pipeline, und das war es. Und das ist sehr gut, das bringt viel Geld, und das war es. "

    Nun ist es zu spät, die Pipeline ist so gut wie fertig.

    In Georgien verläuft das Rohr außerdem durch diverse Erdrutsch-Gebiete. Zum Beispiel oberhalb des Dorfes Dgwari. Einige Häuser sind bereits auseinander gerissen und eingestürzt, in anderen wellt sich der Dielenboden. Betonflächen haben unterarmdicke Spalten. Alle 120 Häuser im Dorf sind mehr oder weniger kaputt. Die Dorfbewohner behaupten, der Erdrutsch sei nach dem Beginn der Pipeline-Bauarbeiten schlimmer geworden. David Glendenning von BP in Georgien kennt den Vorwurf.

    "Das Dorf Dgwari ist von Erdrutschen betroffen. Die Pipeline durchquert mehrere Kilometer des Dorfes. Aber der Erdrutsch, der das Dorf bedroht, ist ein ganz anderer als der, durch den die Pipeline gebaut wurde. (...) Wir waren an einer Fachgruppe beteiligt, die untersucht hat, ob man den Erdrutsch in dem Dorf aufhalten kann. Das kann man leider nicht. Deshalb hat die Studie eine Umsiedlung als einzige Alternative empfohlen. Und die Studie hat auch bestätigt, dass dieser Erdrutsch überhaupt nicht vom Pipelinebau hervorgerufen wurde.
    (...) Die beiden Erdrutsche sind geologisch getrennt. Das haben georgische und internationale Fachleute bestätigt. Und den Erdrutsch im Dorf gab es schon vor dem Bau. "

    BP will trotzdem eine Million US-Dollar für die Umsiedlung des Dorfes bereitstellen. Nur muss die georgische Regierung dafür zuerst einen Handlungsplan erarbeiten. Und das sei bisher nicht geschehen, sagt Glendenning.

    Die Pipeline Baku-Ceyhan wurde von Anfang an massiv von der US-Administration unterstützt. Bill Clinton, damals Präsident der Vereinigten Staaten, reiste 1999 persönlich zur Vertragsunterzeichnung an. Die USA erhofften sich Unabhängigkeit vom arabischen und vom russischen Öl. Und sie wollten die jungen Südkaukasusrepubliken Georgien und Aserbaidschan gegenüber Russland stärken. Der dritte Vertragspartner, die Türkei, ist NATO-Mitglied und ohnehin einer der wichtigsten Verbündeten der USA in dieser Region.

    Im Schwarzen Meer finden zurzeit Probebohrungen statt. Wenn die erfolgreich verlaufen und auch dort Öl gefördert wird, wird eine weitere Pipeline durch die Türkei nötig werden. Dann müsste das Verladeterminal bei Ceyhan noch weiter ausgebaut werden.

    Außerdem verhandelt BP bereits über eine Erweiterung der Pipeline Baku-Ceyhan durch das Kaspische Meer Richtung Osten nach Zentralasien. Darin soll in absehbarer Zukunft das Öl aus Kasachstan und Turkmenistan Richtung Türkei auf den Weltmarkt fließen.

    Russland verliert bereits mit der Eröffnung der Pipeline Baku-Ceyhan, wirtschaftlich und strategisch. Wenn irgendwann auch der Export von zentralasiatischem Öl über den türkischen Mittelmeerhafen bei Ceyhan läuft, werden Russland Transitgebühren in Millionenhöhe entgehen. Zurzeit fließt zentralasiatisches Öl noch durch russische Pipelines in den Schwarzmeerhafen Novorossijsk, von dort dann per Schiff durch den Bosporus Richtung Westen.

    Mike Bilbo sitzt auf einer Terrasse am Bosporus, der Meerenge mitten in Istanbul. Alle paar Minuten fährt ein Öltanker vorbei, leer in Richtung Schwarzes Meer, voll beladen zurück ins Mittelmeer. Der Bosporus ist längst überlastet. Die Folgen eines Tankerunfalls mitten in Istanbul wären verheerend. Eine Pipeline ist, da sind sich alle einig, die sicherste Art, Rohöl zu transportieren. Die Unfallgefahr ist viel geringer als bei LKW, Schiffen oder Eisenbahnwaggons.

    Russland bleibe langfristig gar nichts anderes übrig, als sich mit den südlich verlaufenden Pipelines zu errangieren.
    Die Atmosphäre zwischen den Ölmultis und Russland habe sich schon jetzt merklich entspannt, berichtet Mike Bilbo.

    "Transneft, die staatliche Pipelinegesellschaft, hat die Pipeline von Baku nach Ceyhan angeschaut, besonders die Technik, weil die weit über die russischen Standards hinausgeht. Die haben von uns gelernt, und jetzt wollen sie weitere Transitpipelines bauen, entweder durch die Türkei oder durch Bulgarien und Griechenland. "

    Der Eröffnungszeremonie nahe der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku werden weitere Feierlichkeiten folgen. Denn die ersten Tropfen Rohöl, die heute in die Pipeline gepumpt wurden, werden erst in etwa drei Monaten am 1760 Kilometer entfernten Verladeterminal nahe dem türkischen Ceyhan ankommen. Das Terminal trägt den Namen des verstorbenen aserbaidschanischen autokratischen Führers Heydar Aliyev. Ist das ein Problem für den Weltkonzern BP?

    "Das ist ein Tribut an einen der großen Architekten des ganzen Projekts. Und wenn die an der Pipeline Beteiligten und die Regierungen der Türkei, Georgiens und Aserbaidschans es so nennen wollen, dann wird das jeder unterstützen, da bin ich sicher. "
    Begin der Bauarbeiten an der Öl-Pipeline zwischen Baku und Ceyhan im September 2002
    Begin der Bauarbeiten an der Öl-Pipeline zwischen Baku und Ceyhan im September 2002 (AP)