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Asmussen: Bei Währungskriegen gibt es nur Verlierer

Es gebe keine Wechselkursziele, kommentiert EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen. Die Kurse sollten marktbasiert sein, dem habe auch Frankreich zugestimmt. Deshalb hofft er auch, dass es nicht zu einem Währungskrieg kommt. Heute treffen sich in Moskau die Finanzminister der G20-Staaten, um über diese und andere Währungsfragen zu sprechen.

Jörg Asmussen im Gespräch mit Silvia Engels | 15.02.2013
    Jörg Asmussen, Direktoriumsmitglied der EZB
    Jörg Asmussen, Direktoriumsmitglied der EZB (picture alliance / dpa)
    Silvia Engels: In Moskau beim Treffen der G-20-Finanzminister dabei sein wird Jörg Asmussen. Er ist Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank, er ist also Teil des Entscheidungsgremiums der EZB.

    - Wir erreichen ihn schon in Moskau. Guten Morgen, Herr Asmussen.

    Jörg Asmussen: Ja, guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Steuern wir auf einen Währungskrieg der großen Währungsblöcke zu?

    Asmussen: Ich glaube, wenn man sich die ruhigen und sachlichen Debatten hier in Moskau beim G-20 anhört, ist das Gerede von einem Währungskrieg weit, weit übertrieben. Ich persönlich mag weder den Begriff, noch das Konzept, weil es bei Kriegen einfach immer nur Verlierer gibt. Ich glaube, wir haben Formen der internationalen Kooperation, das sind die G7, das sind die G20, wo wir mit solchen Fragen vernünftig umgehen können. Und wir haben gerade in den letzten Tagen noch mal klargestellt vonseiten der sieben größten Industrienationen, dass Wechselkurse marktbasiert sein sollen, dass wir keine Wechselkursziele haben. Und das gilt auch für uns in der EZB.

    Engels: Wie passt denn dazu der Vorstoß des französischen Präsidenten Hollande, der ja Anfang des Monats genau das gefordert hatte, nämlich eine aktive Wechselkurspolitik, was man ja so interpretieren kann, den Euro künstlich etwas niedriger im Wechselkursverhältnis zu haben, um eben Exportfähigkeit zu steigern?

    Asmussen: Die Franzosen sind Teil der G7, insofern haben sie die gemeinsame Erklärung mitgetragen, dass Wechselkurse marktbasiert sein sollen und dass es keine Wechselkursziele gibt. Ich glaube, man muss das mal mit den Fakten konfrontieren, denn wenn man sich den Wechselkurs des Euro anguckt, seitdem es ihn gibt, seit 1999, dann haben wir heute einen Wechselkurs in nominalen und auch in realen effektiven Verhältnissen, die ungefähr sich auf dem langfristigen Durchschnitt seit 1999 bewegen. Insofern glaube ich, dass man durch Diskussionen über den Wechselkurs nicht davon ablenken sollte, welche Reformen und Strukturreformen jedes Land auch zuhause machen sollte.

    Engels: Hat Präsident Hollande mit dieser Forderung einen Fehler gemacht?

    Asmussen: Es steht mir nicht zu, Äußerungen von Präsidenten zu kommentieren. Wir bei der EZB sind unabhängig, wir sorgen für stabile Preise. Und wie gesagt, wir haben kein Wechselkursziel. Wir betrachten den Wechselkurs sorgfältig wegen seines Einflusses auf Inflation und Wachstum in der Eurozone, das ist alles.

    Engels: Dann schauen wir auf die anderen Ziele der G-20-Diskussion. 2010 war es, da haben die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer ja unter dem Eindruck der Eurokrise beschlossen, ihre staatlichen Defizite bis 2013 halbieren zu wollen und ihren Schuldenstand zu stabilisieren bis 2016. Doch nur wenige Länder, darunter Deutschland, sind auf Kurs. Können viele Staaten das nicht oder wollen sie nicht?

    Asmussen: Ich glaube, man muss auseinanderhalten einmal den politischen Willen. Da ist es wichtig, dass wir eben eine glaubwürdige, mittelfristige, fiskalische Strategie haben, besonders in einer Währungsunion wie für uns in der Eurozone bedeutsam. Aber man muss natürlich berücksichtigen, wenn Staaten beispielsweise in einer Rezession sind. Aber es macht sehr deutlich, dass man mit großem politischen Willen eben das auch kann. Neben Deutschland, wie Sie richtigerweise erwähnt haben, erreicht auch Italien diese Ziele. Die Regierung Monti hat in kurzer Zeit beim Thema Haushaltskonsolidierung Großes geleistet. Aber es gibt andere Regierungen wie die USA oder Großbritannien, die diese Toronto-Ziele eben nicht erreichen werden, das stimmt.

    Engels: Welche Folgen könnte das für die EZB haben?

    Asmussen: USA und Großbritannien gehören ja nicht der Eurozone an. Wir fokussieren uns auf die Eurozone. Aber die Frage nach der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und einer glaubwürdigen mittelfristigen Strategie stellt sich eigentlich in allen großen Währungsräumen. Die Eurozone steht hier gar nicht so schlecht da. Wir haben einen Schuldenstand Ende 2012 von 94 Prozent zum BIP. Diese Zahlen in den USA beispielsweise liegen bei 107 und in Japan sogar bei 237.

    Engels: Dann schauen wir aber auf den Euroraum. Wie glaubwürdig bleibt es denn hierzulande oder eben im Währungsraum, wenn Frankreich nun eingeräumt hat, das Defizitziel von drei Prozent für dieses Jahr zu verfehlen?

    Asmussen: Ich glaube, dass Frankreich und Deutschland als Kern der Währungsunion eine besondere Verantwortung haben für die Stabilität der Währung und auch für die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Insofern wird man sich sorgsam angucken müssen, wie die Entwicklung da aussieht. Ich persönlich glaube, es ist besonders wichtig, dass Frankreich sein Defizit unter drei Prozent dieses Jahr hält. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht aber vor, dass wenn eine wirtschaftliche Entwicklung sich überraschend und deutlich verschlechtert, dass man dann langsamer seine Defizitziele erreichen kann, was aber gleichzeitig voraussetzt, dass ein Land eben nachweislich wirksame Maßnahmen zum Defizitabbau ergriffen hat. Und das wird man sich bei Frankreich wie auch bei anderen Ländern in der Eurozone dieses Jahr angucken. Die EU-Kommission wird am 22. Februar – das ist nächste Woche – neue Daten dazu vorlegen, die vergleichbar sind. Dann wird man das analysieren müssen. Aber ich bin ganz sicher der Auffassung, dass Deutschland und Frankreich eine besondere Verantwortung haben, auch beispielhaft voranzugehen.

    Engels: Sie verlangen von Paris, dass sie nicht die EU-Kommission um Aufschub bittet, sondern bei den drei Prozent bleibt?

    Asmussen: Ich habe das schon wiederholt gesagt, dass ich glaube, dass es besonders wichtig ist, dass Frankreich sein Defizit unter drei Prozent hält. Wenn sie das nicht schaffen können, werden wir uns angucken müssen, ob es daran liegt, dass die wirtschaftliche Entwicklung sich eben überraschend und deutlich verschlechtert hat. Aber ich denke, es wäre ein gutes Signal, wenn Deutschland und Frankreich eben dafür sorgen, dass man den Stabilitätspakt nicht nur nach den Buchstaben, sondern auch dem Geist nach einhält.

    Engels: Wenn es die Ausnahme für Frankreich gäbe, was würde das bedeuten für die Glaubwürdigkeit des Stabilitätspakts? Ist die dann dahin?

    Asmussen: Ich glaube, man müsste sich eben angucken, ob es eine Ausnahme ist, die nach den Regeln des Stabilitätspaktes möglich ist. Der Pakt sagt ja ganz klar, wenn ein Land, ich sage es mal in saloppen Worten, in einer schweren Rezession ist, bekommt man mehr Zeit, seine Defizitziele zu erreichen. Das halte ich ökonomisch auch für sinnvoll. Wenn man aber in normalen Umständen ist, muss man natürlich seine Defizitziele erreichen.

    Engels: Und ist Frankreich in normalen Umständen?

    Asmussen: Das kann ich noch nicht sagen. Wie gesagt, wir bekommen neue Wachstumszahlen für Frankreich nächste Woche. Ich kenne die Daten noch nicht. Aber wenn sie da sind, muss man sich das in Ruhe angucken.

    Engels: Die EZB hat sich stark engagiert im Aufkauf von Staatsanleihen von Eurokrisenländern. Was würde es für die EZB bedeuten, wenn der Konsolidierungskurs in Europa durch solche Ausnahmen möglicherweise für Frankreich leidet?

    Asmussen: Ich muss sagen, wir haben die Ankündigung gemacht, Staatsanleihen unter Auflagen zu kaufen; wir haben bisher unter diesem Programm noch keine Staatsanleihen gekauft. Für uns ist es immer wichtig, dass die Fiskalpolitik der Mitgliedsstaaten der Eurozone auch den Stabilitätserfordernissen genügt, die eine gemeinsame Währung hat. Wir haben das in den letzten Jahren schmerzhaft erfahren, dass man zum Teil von diesen fiskalischen Bedingungen abgewichen ist, dass die Spielregeln der Eurozone nicht ausreichend waren. Wir stehen heute besser da als vor zwölf Monaten. Aber man sollte durch leichtfertiges Handeln eben nicht die Erfolge der letzten zwölf Monate, die wir alle gemeinsam erzielt haben, wieder infrage stellen.

    Engels: Wen haben Sie da als möglichen Sünder im Blick?

    Asmussen: Ich glaube, jeder sollte vor seiner Haustür kehren. Ich glaube, jeder muss etwas beitragen. Man braucht solide Finanzen in der Eurozone, von Finnland bis nach Portugal und von Zypern bis nach Irland. Das gilt für alle Staaten, auch für Deutschland und Frankreich.

    Engels: Das Wachstum in der EU ist im letzten Quartal stark gesunken. Rechnen Sie deshalb mit weiteren Staaten, die demnächst auf Aufkauf ihrer Staatsanleihen durch die EZB eben setzen?

    Asmussen: Wie gesagt, wir haben bisher keine Staatsanleihen unter Auflagen gekauft. Die Wachstumszahlen fürs vierte Quartal waren nicht gut. Aber ich glaube, das ist jetzt Vergangenheit, das vierte Quartal. Wir haben Anzeichen jetzt in der Mitte des ersten Quartals, dass es ein Stück besser geht. Und wir erwarten für das ganze Jahr in der Eurozone eine schwache Rezession. Unsere gegenwärtige mittelfristige Prognose ist reales BIP-Wachstum minus 0,3. Und wir würden erwarten, dass es im Laufe des Jahres weiter aufwärts geht. Deswegen, glaube ich, ist das vierte Quartal des letzten Jahres zwar nicht schön, aber es liegt eben auch klar hinter uns.

    Engels: Jörg Asmussen, Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank. Wir haben ihn in Moskau erreicht. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen.

    Asmussen: Gerne.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.