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Assads Cyberkrieger schätzen westliche Technik

Immer weniger Bilder gelangen aus der umkämpften syrischen Rebellenhochburg Homs in den Westen. Denn das Assad-Regime hat die Nachrichtenserver der Opposition weitgehend ausgeschaltet und kontrolliert das Internet umfassend – mithilfe westlicher Technologie.

Von Peter Welchering | 25.02.2012
    Vorschlag für die Anmoderation: Der Konflikt in Syrien spitzt sich dramatisch zu. Inzwischen gelangen auch immer weniger Videos und Nachrichten aus der umkämpften Stadt Homs in den Westen. Das syrische Regime unter Präsident Baschar al-Assad hat nämlich die Nachrichtenserver der Oppositionsbewegung weitgehend ausgeschaltet und kontrolliert das Internet umfassend. Handys, Smartphones und soziale Netzwerke werden in Syrien fast komplett überwacht. Das Assad-Regime setzt dabei auf westliche Technologie. Ein Bericht von Peter Welchering.

    Die Soldaten Assads nehmen die Menschen unter Beschuss, legen die Häuser in Schutt und Asche. Verletzte können nicht mehr versorgt werden, berichtet Danny Abdul Dayem in einem Video aus der belagerten Stadt Homs. Danny konnte sein Video noch auf Facebook und Youtube hochladen. Dutzende anderer Videos, hunderte Nachrichten, mit denen die Oppositionsbewegung die Menschen im Westen auf die unmenschlichen Zustände in Homs aufmerksam machen will, hat das syrische Regime abgefangen und gelöscht. Der amerikanische Netzaktivist Josh Silver erläutert das so.

    "Die Regierung hat Überwachungssysteme eingekauft, Systeme, die alles überwachen: Festnetztelefone, Mobiltelefone, E-Mail, Websites. Die werden nach Stichworten durchsucht. Diese Technologie ist extrem effizient und überall verfügbar."

    2007 hatte Israel die syrische Luftraumüberwachung mit einem Computervirus angegriffen. Darauf reagierte das Assad-Regime mit dem Aufbau einer eigenen Cyber-Einheit, die in Europa und den USA für viele Millionen Dollar Überwachungs- und Netztechnologie einkaufte. Mit Störsendern aus Finnland und Deutschland, sogenannten Jamming-Anlagen verhindern Assads Cyberkämpfer, dass Handy-Videos auf Internet-Server hochgeladen werden können. Lokalisierungssoftware, um den Standort von Handys zu ermitteln, und Überwachungsprogramme für Smartphones haben die syrischen Spezialisten bei irischen Anbietern in Dublin eingekauft. Aufgeflogen ist das Ganze im Jahr 2010, als der Schweizer Zoll die Lieferung von Überwachungstechnik nach Syrien verhindert hat. Den eidgenössischen Zöllnern waren sogenannte IMSI-Catcher, Geräte zur Ortung von Handys, aufgefallen, erzählt Jürgen Boehler vom Staatssekretariat für Wirtschaft in Bern.

    "Wir hatten sogenannte IMSI-Catcher damals bei uns in der Transitsendung. Und diese Güter sind natürlich sensibel je nach Endbestimmungsland, respektive Endempfänger. Bei Syrien handelte es sich schon 2010, also vor den Sanktionen der Europäischen Union und auch der Schweiz, um ein sensibles Bestimmungsland für solche Güter. Und aus Sicht der Schweiz war nicht opportun, dass solche Güter über unser Land hätten verschoben werden sollen."

    Die Schweizer Behörden konnten die Sendungen zurückverfolgen und die Hersteller der Überwachungstechnik ermitteln. In diesem Fall Sicherheitsunternehmen in Westeuropa. Syrische Netzaktivisten entdeckten überdies im Herbst 2011 sieben Überwachungsserver, mit denen der syrische Geheimdienst den gesamten Internetverkehr, einschließlich E-Mail, überwacht. Sie konnten nachweisen, dass die eingesetzte Technologie von einem amerikanischen Hersteller stammt, der diese Produkte allerdings über Dubai in den Irak geliefert haben will. Im "Wall Street Journal" räumte das Unternehmen am 29. Oktober 2011 ein, dass seine Sicherheitsprodukte unter Umständen doch in die Hände der syrischen Cyber-Einheit gelangt sein könnten. Medienaktivist Josh Silver kam nach Sichtung der Einzelheiten zu dem Schluss: Die syrische Cybereinheit gehört zu den am besten ausgerüsteten im Nahen Osten.

    "Sie haben eine anspruchsvolle Ausrüstung, die das gesamte Internet überwacht, und zwar alle Datentypen, Video, gesprochenes Wort. Es wird nach Stichworten gesucht. Diese Technologie lässt eine Regierung zum "Großen Bruder" werden, der alles beobachtet."

    Mit Unterstützung auch deutscher und französischer Programmierer haben syrische Experten einen Computervirus für Online-Durchsuchungen entwickelt, mit dem sie nach Angaben syrischer Netzaktivisten die Festplatten mehrerer syrischer Oppositioneller zielgerichtet ausspioniert haben. Im Zusammenhang mit diesen Online-Durchsuchungen soll es zu zahlreichen Verhaftungen gekommen sein. Außerdem hätten die Behörden in Damaskus mit den erbeuteten Zugangsdaten zu Internet-Servern der Oppositionsbewegung deren Server zerstört. Die schwedische Netzaktivistengruppe Telecomix rief daraufhin über Youtube dazu auf, Ersatzserver in Europa zu nutzen.

    Das mit Musik unterlegte Video gibt auf mehreren arabischen Schrifttafeln genaue Anweisungen, wie über die Ersatzserver Dateien mit Videos und Nachrichten verschickt und Widerstandsaktionen über soziale Netzwerke koordiniert werden können. Außerdem versuchen Aktivisten der Hackergruppe Anonymous durch gezielte Angriffe auf Server der Cyber-Einheit von Baschar al-Assad ihrerseits den Einsatz des syrischen Staatstrojaners bei Online-Durchsuchungen von Computern der Oppositionsbewegung zu verhindern. Bisher mit nur mäßigem Erfolg. Denn das Assad-Regime kann hoch entwickelte Netzüberwachungs- und Abwehrtechnik von zahlreichen westeuropäischen und amerikanischen Lieferanten einsetzen, die ständig auf den neusten Stand gebracht wird. Die entsprechenden Computerprogramme und dokumentierten Sicherheitslücken werden von keiner Zolldienststelle überprüft und an keiner Grenze aufgehalten. Sie werden von den Entwicklern in Europa und den USA direkt über das Internet auf die Server der syrischen Cyber-Einheit in Damaskus geschickt.