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Assistenzsysteme für Fahrräder
Wie Helm und Lenker Gefahr signalisieren können

Autonomes Fahren ist das Schlagwort, wenn es um mehr Sicherheit für Autofahrer geht. Aber was ist mit den anderen Verkehrsteilnehmern? Ein vom Bundesforschungsministerium gefördertes Projekt hat untersucht, wie Fahrräder in Assistenzsysteme eingebunden werden können.

Von Sven Kästner | 25.02.2021
Ein Mann fährt mit einem Pedelec durch München (gestellte Szene)
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehrerer Universitäten entwickeln im Forschungsprojekt "Safety4bikes" Assistenzsysteme für Fahrräder (picture alliance/ dpa/ Tobias Hase)
Signaltechnik am Fahrrad ist bisher rein analog. Aber das könnte sich bald ändern: Der Lenkergriff etwa könnte vibrieren, wenn ein Auto naht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehrerer Universitäten entwickeln solche Assistenzsysteme im Forschungsprojekt "Safety4bikes". Sie haben Fahrräder mit Sensoren und Kameras ausgestattet, die Autos oder Hindernisse auf dem Weg registrieren und Warnungen auslösen.

Vibrierender Lenker als Warnung

"Vibrationen als Signal - sie merken ja auch am Handy, wenn was vibriert, dann reagieren Sie darauf. Lichtsignale, die in den Lenker eingebaut sind. Die vielleicht durch einen roten leuchtenden Streifen auf eine Gefahrensituation hinweisen."
Susanne Boll hat als Professorin für Medieninformatik und Multimediasysteme an der Uni Oldenburg Signaltechnik vom Smartphone aufs Rad übertragen. Dabei hat sie vor allem ältere Kinder und Senioren im Blick. Beide Altersgruppen verunglücken laut Unfallstatistik besonders häufig mit dem Rad.
Auch der Helm signalisiert Gefahren. Per Piepton aus Minilautsprechern etwa oder – besser wahrnehmbar im Verkehrslärm - per Vibration direkt auf den Schädelknochen. Leuchtstreifen und schmale Displays am oberen Rand des Blickfeldes können ebenfalls Warnungen einblenden. Psychologen testen im Projekt, wie die Signale am besten wirken. "Also wieviel Meter vor der Kreuzung soll ich entsprechend adressieren - abhängig von meiner Geschwindigkeit? Wie ist der Ablauf - vielleicht Klang in Verbindung mit Licht und Vibration."
Der Monitor eines Abbiegeassistenten zeigt in einem Müllwagen der Stadtreinigung Hamburg einen Mann im Gefahrenbereich an
Diskussion um verpflichtende Abbiegesysteme für Lkw
Etwa 40 Fahrradfahrer kommen jährlich in Deutschland ums Leben, weil sie von abbiegenden Lastwagen übersehen werden. Abbiegeassistenten könnten den Lkw-Fahrern bessere Übersicht bringen und Lkw im Notfall sogar stoppen.

Displays am Helm

Demnächst soll sich das Fahrrad sogar direkt mit anderen Verkehrsmitteln in der Nähe verständigen können. Wissenschaftler wollen dafür Datennetzwerke nutzen, die derzeit für das autonome Fahren der Zukunft entwickelt werden. Falko Dressler hat mit einer Arbeitsgruppe der Uni Paderborn entsprechende Softwareprotokolle entworfen. Der Professor für Datenkommunikation und Netzwerke radelt selbst gern.
"Wie jeder Fahrradfahrer kommt man immer wieder in verkehrskritische Situationen, brenzlige Situationen. Und wir haben gedacht: Na, dann nehmen wir doch diese Technologie und fertigen eine für Fahrradfahrer geeignete Version dieser Kommunikationstechnologie an. So dass wir Fahrradfahrer nahtlos in das Verkehrssicherheitssystem integrieren können."

Größte Gefahr: das "Dooring"

Zu den Bedrohungen für Radfahrer gehört das so genannte Dooring: Ein Autofahrer öffnet nach dem Parken die Tür, ohne auf den Radverkehr zu achten. Der Radler kann nicht mehr ausweichen und prallt gegen die Tür.
"In dem Fall müsste das Auto gewarnt werden, dass der Fahrradfahrer kommt. Und die Protokolle haben wir eben auch weiterentwickelt, so dass das Fahrrad explizit an das Auto Nachrichten schicken kann: Ich komme jetzt auf Dich zu. Und dann kann visuell oder akustisch gewarnt werden, die Tür aufzumachen. Potenziell könnte man sogar verhindern, dass die Tür aufgemacht wird."
Wenn also Fahrräder und Autos im Umkreis Informationen austauschen, könnten schwere Unfälle vermieden werden: Vor einer unübersichtlichen Kreuzung oder an schwer einsehbaren Kurven zum Beispiel.
Jana Kühl bewertet solche elektronischen Assistenzsysteme aber zurückhaltend. Sie hat an der Ostfalia-Hochschule Salzgitter die erste deutsche Professur für Radverkehrsmanagement inne: "Solche Systeme machen ja in erster Linie Sinn, wenn wirklich Verkehre überwiegend autonom funktionieren und die Fahrzeuge flächendeckend mit solchen Techniken ausgestattet sind. Ansonsten ist es erst mal eine teure Technik, die in ihrer Wirkung zunächst begrenzt ist."

Fahrrad in die Entwicklung des autonomen Fahrens einbeziehen

Langfristig sollen die elektronischen Assistenten allerdings nicht teuer sein: Die Entwickler gehen davon aus, dass künftig Smartphone-Apps den größten Teil der Rechenleistung übernehmen. Um kurzfristig mehr Sicherheit für Radfahrende zu erreichen, setzt Jana Kühl aber auf breite, vom Autoverkehr getrennte Radwege, sicher gestaltete Kreuzungen oder in den Städten mehr Raum für Fahrräder und weniger für Autos. Aber: "Wenn sich das tatsächlich so weiterentwickelt, dass künftig immer mehr autonome Verkehre unterwegs sein werden, ist es natürlich sinnvoll, den Radverkehr da mit einzubeziehen."