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Asteroid mit Ringen
Fund kam völlig überraschend

Unter den zahllosen Asteroiden unseres Sonnensystems ist Chariklo etwas ganz Besonderes - zumindest zur Zeit noch. Der 250 Kilometer messende Gesteinsbrocken aus der Gruppe der Zentauren kreist zwischen Saturn und Uranus um die Sonne und besitzt mindestens zwei Ringe. Colin Snodgrass vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen erklärt im Gespräch mit Ralf Krauter die Besonderheit des Asteroiden. Das Gespräch wurde auf Englisch geführt, wir haben es übersetzt.

Colin Snodgrass im Gespräch mit Ralf Krauter | 27.03.2014
    Krauter: Herr Snodgrass, was genau war das Ziel der Messungen, bei denen Chariklo am 3. Juni 2013 ins Visier genommen worden war?
    Snodgrass: Eigentlich wollten wir nur die exakte Größe dieses Asteroiden bestimmen. Dazu verfolgten wir mit mehreren Teleskopen, wie lange er den Stern, den er damals passierte, verdeckte. Zu unserer Überraschung blinkte der Stern, kurz bevor er hinter Chariklo verschwand und kurz nachdem er wieder aufgetaucht war. So etwas hatte noch keiner gesehen. Nach Analyse aller Daten war dann klar: Das Blinken muss von einem Staubring herrühren, der das Licht des Sterns ablenkt, bevor der Asteroid ihn komplett verdeckt.
    Krauter: Ein Asteroid mit einem Ring - warum hatte damit keiner gerechnet?
    Snodgrass: Bislang konnte sich keiner vorstellen, dass ein so kleiner Himmelskörper Ringe haben kann. Natürlich gibt es im Sonnensystem Beispiele für Ringsysteme. Der Saturn mit seinen wundervollen Ringen ist das Bekannteste, aber auch die Planeten Uranus und Neptun haben Ringe. Bisher dachte man, dass nur solche Gasriesen Ringe haben können. Weil die kleineren Gesteinsplaneten keine haben, ging man davon aus, dass vergleichsweise winzige Asteroiden auch keine Ringe haben können. Daher kam dieser Zufallsfund jetzt völlig überraschend. Und wir brauchten eine Weile, um uns erklären zu können, was genau wir da beobachtet haben.
    Krauter: Wissen Sie schon, woraus dieser Ring besteht und wie er entstanden ist?
    Snodgrass: Wir vermuten, dass ein großer Teil des Rings aus Wassereis besteht. Das würde nämlich einige Rätsel lüften, die uns lange Kopfzerbrechen bereiteten. Chariklo wurde während der vergangenen Jahrzehnte öfter beobachtet. Und immer wieder änderte sich das Bild. Mal schien er heller, mal weniger hell - und manchmal sah es sogar so aus, als gebe es auf seiner Oberfläche gefrorenes Wasser. Die Ringe um den Asteroiden erklären diese Befunde. Denn je nachdem, in welchem Winkel man auf die Ringebene schaut, sieht man sie mal mehr, mal weniger stark – und dementsprechend variieren auch die Wassersignaturen.
    Krauter: Wie könnten die Ringe um den Asteroiden entstanden sein?
    Snodgrass: Die plausibelste Annahme derzeit lautet: Die Ringe sind die Überreste früherer Kollisionen. Vermutlich prallte einst ein kleinerer Asteroid auf Chariklo und erzeugte eine riesige Staubwolke. Die bildete im Lauf der Zeit dann eine Scheibe, aus der allmählich die Ringe entstanden. Aber so ganz klar ist das noch nicht, die Theoretiker haben noch einiges zu tun.
    Krauter: Könnte es mehr von diesen Asteroiden mit Ringen geben – oder ist das ein Einzelfall?
    Snodgrass: Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube, die Wahrscheinlichkeit, dass da draußen mehr solcher Objekte gibt, ist ziemlich hoch. Wir verfügen ja erst seit kurzem über die zeitlich hochauflösenden Kameras, mit denen die Schnappschüsse jetzt gelangen. Es gibt in dieser äußeren Region des Sonnensystems rund 1000 vergleichbarer Objekte. Die werden wir jetzt mit derselben Methode genau unter die Lupe nehmen.