Astronom Ulugh Beg

Die Sterne mit bloßem Auge vermessen

Der persische Astronom Ulugh Beg in einer zeitgenössischen Zeichnung
Ulugh Beg förderte die Astronomie im islamischen Raum: 1429 ließ er in Samarkand ein großes Observatorium erbauen. © CPA Media/Pictures From History
Von Dirk Lorenzen · 22.03.2019
Lange vor der Erfindung des Teleskops verfolgte der Perser Ulugh Beg das Geschehen am Himmel. Als Herrscher der Provinz Westturkistan führte er die Astronomie zu einer frühen Blüte. Vor 625 Jahren wurde er geboren.
"Das Observatorium war ein dreistöckiger Rundbau, verziert mit wunderbaren Kacheln. In der riesigen Halle im Innern stand ein großes Peilinstrument, mit dem sich durch eine spezielle Öffnung nach Süden hin die Winkelhöhe von Sonne und Mond bestimmen ließ."
So beschreibt ein historischer Bericht das Observatorium in Samarkand, das der Timuridenherrscher und Astronom Ulugh Beg in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts errichtete. Das Teleskop war noch nicht erfunden und so haben die Astronomen der damals besten Sternwarte der Welt die Positionen der mit bloßem Auge sichtbaren Gestirne präzise vermessen.
"Dort gab es Armillen und Quadranten. Mit ihnen beobachtete Ulugh Beg die meisten Sterne des Ptolemäischen Katalogs aufs Neue und genauer, nachdem der Vergleich mit dem von Al-Sufi Jahrhunderte zuvor konstruierten Sternverzeichnis vielfach Fehler gezeigt hatte."
Während im mittelalterlichen Europa Naturwissenschaft keine große Rolle spielte, führte Ulugh Beg die Astronomie im islamischen Raum zu neuer Blüte. Zur Welt gekommen war er am 22. März 1394 in Soltanije in Persien. Sein Großvater war der Herrscher Timurleng, den er auf dessen Eroberungszügen begleitete. Nach dem Tod Timurlengs wurde dem damals erst 15 Jahre alten Ulugh Beg die Provinz Westturkistan übertragen. Der junge Herrscher war ein exzellenter Verwalter und interessierte sich vor allem für Wissenschaften und Künste. 1417 gründete er in Samarkand im heutigen Usbekistan eine Hochschule und lud die besten Gelehrten jener Zeit an seinen Hof, darunter den Astronomen Al-Kashi. Der berichtet in einem Brief an seinen Vater begeistert von den Forschungsmöglichkeiten in der Stadt an der Seidenstraße:
"Ulugh Beg unterstützt zahlreiche Studenten mit Stipendien und ermutigt alle zum Lernen. Wie hier in Samarkand Mathematik und Astronomie gelehrt werden, ist in ganz Persien ohne Beispiel. Es gibt allein 24 Meister, die Euklidische Geometrie studieren und den Himmel beobachten."

Ein phänomenaler Mathematiker

Ulugh Beg war nicht nur Förderer und Finanzier. So oft er konnte, nutzte der Herrscher selbst die astronomischen Instrumente, etwa einen Sextanten mit vierzig Metern Radius. Er hat die Schiefstellung der Erdachse präzise vermessen und die Länge des astronomischen Jahres auf weniger als eine Minute genau bestimmt, was für die Kalenderrechnung bedeutend war. Dies alles geschah gemeinsam mit Al-Kashi und weiteren Mitarbeitern.
"Ulugh Begs mathematische Fähigkeiten sind phänomenal. Einmal waren wir mit Pferden unterwegs und unterhielten uns über ein astronomisches Ereignis. Im Kopf hat er Datum und Verlauf präzise berechnet. Als wir zurück am Observatorium waren, sollte ich es überprüfen. Es stimmte perfekt."
Sowohl bei der Erledigung seiner Amtsgeschäfte als auch bei seinen Forschungsprojekten ging der Herrscher äußerst zielgerichtet vor. Ihm war klar, dass es damals vor allem an einem präzisen Sternkatalog mangelte, erklärt Rahlf Hansen, Experte für Astronomie-Geschichte aus Hamburg:
"An der genauen Position der Sterne hängt der Rest. Also zum Beispiel, wenn ich die Bewegung der Planeten genau bestimmten möchte, muss ich ja wissen, wo bewegen sie sich eigentlich. Und das Grundmuster, der Hintergrund, das sind die Sterne. Und wenn ich da keine genauen Positionen habe, dann kann ich auch die Planetenbewegung nicht richtig erfassen. Ein guter Sternkatalog ist tatsächlich die Grundlage jeder Astronomie."

Märtyrer der Wissenschaft

Nie zuvor hatten Forscher den Himmel so genau beobachtet wie während der gut 25 Jahre, in denen Ulugh Begs Sternwarte bestand – und es sollte über 100 Jahre dauern, bis der Däne Tycho Brahe die Präzision des Timuridenfürsten übertraf. Rahlf Hansen:
"Nachdem sein Vater 1447 gestorben ist, gab es dann Unruhen, die Frage, wer die Nachfolge antritt. Und in diesen Unruhen ist er dann 1449, zwei Jahre nach dem Tod seines Vaters, umgebracht worden. Die Sternwarte wurde zerstört, aber das Wissen ist erhalten worden. Da ist jemand mit den Sternpositionen, mit seinem Buch aus der Stadt herausgekommen und hat es herausschmuggeln können. Zum Glück."
Ulugh Beg wurde 55 Jahre alt. Zwar gilt er bis heute als Märtyrer der Wissenschaft, doch sein Wirken ist weitestgehend vergessen. Immerhin heißt ein Krater auf dem Mond nach dem großen Astronomen aus Samarkand.
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