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Astronomie bei den Elefanten

Astronomie.- Radioastronomen planen derzeit ein Projekt, das in der gleichen Liga spielen soll wie der Teilchenbeschleuniger LHC in Genf: Sie wollen eine Anordnung aus über 1000 Radioteleskopen bauen, die über einen ganzen Kontinent verteilt werden. Nur die Standort-Frage ist noch unklar: Australien oder Afrika?

Von Jan Lublinski | 30.03.2010
    1,5 Milliarden Euro soll es kosten, das sogenannte "Square Kilometer Array", eine Anordnung aus 1000 Radioteleskop-Schüsseln von je zwölf Metern Durchmesser. Sie alle sollen gemeinsam ins All horchen und den Astronomen helfen, offene Fragen zu beantworten, zum Beispiel: Was genau passiert, wenn Sterne entstehen? Gibt es in anderen Sonnensystemen Planeten, die der Erde ähneln? Oder: Wo liegen die Grenzen von Albert Einsteins Relativitätstheorie?

    Doch derzeit steht für die Wissenschaftler eine ganz andere Frage im Vordergrund: Wo soll die gigantische Teleskop-Anordnung gebaut werden?
    Der Radioastronom Gordon MacLeod will die 1000 Schüsseln im südlichen Afrika aufstellen, an Orten, wo es wenig störende Radiosignale gibt: Den größten Teil der Geräte in der Wüste in Südafrika, dazu Installationen in Ghana und Kenia, auf Mauritius und Madagaskar, in Mosambik, Namibia, Zambia und Botswana.

    "In entlegenen Gebieten werden wir Gruppen von 20, 30, 40 Radarschüsseln aufstellen. Für die Installationen wird es wichtig sein, dass sie elefantensicher gemacht werden. Experten aus den Nationalparks haben uns deshalb empfohlen, Elefantenfallen aufzustellen. Keine Fallen, in denen die Tiere getötet werden, sondern Flächen mit ungewöhnlich geformten Steinen, über die Elefanten nicht gerne laufen."

    Gordon MacLeod arbeitet für das südafrikanische Wissenschaftsministerium, das federführend ist bei der afrikanischen Kandidatur für das "Square-Kilometer-Array". Lange wurde diese Bewerbung von den Fachleuten weltweit nicht wirklich ernst genommen. Auch wenn Südafrika bereits einige große Teleskope besitzt, fehlt hier doch ein wenig die kritische Masse an Experten im Bereich Radioastronomie. Auch wären in den verschiedenen afrikanischen Ländern große infrastrukturelle Maßnahmen nötig, ganz zu schweigen von den politischen und ökonomischen Schwierigkeiten der afrikanischen Länder. – All diese Probleme hat Australien, der zweite noch im Standort-Wettbewerb verbliebene Kandidat, nicht.

    Um im Rennen zu bleiben entschloss sich der südafrikanische Präsident Jacob Zuma zu einer eindrucksvollen Maßnahme: er legte 180 Millionen Euro auf den Tisch. Mit dem Geld bauen MacLeod und Kollegen jetzt vorab eine Installation mit 80 Schüsseln auf - und nicht nur das.

    "Die Anlage werden wir 650 Kilometer nördlich von Kapstadt installieren – und dazu eine sehr schnelle Internet-Verbindung von Kapstadt bis zur Anlage. Entlang dieses Weges werden wir die Dörfer an das Internet anschließen und mit Strom versorgen. Strom und Internet für die Dörfer werden schon da sein, bevor unsere 80 Teleskope überhaupt die Arbeit aufnehmen."

    Außerdem entwickelt Gordon MacLeod Pläne, wie später der Bau der 1000 Radioteleskope genutzt werden könnte, um noch viel mehr Städte und Dörfer Afrikas mit Energie und Internetanbindungen zu versorgen. Die Investitionen in die Wissenschaft sollen zugleich auch Wirtschaftswachstum bringen. Und so könnte es gelingen, den Nachteil der afrikanischen Bewerbung in einen Vorteil umzumünzen, meint Charles McGruder. Er arbeitet als Astronom an der Western Kentucky University und ist Sprecher der Vereinigung Schwarzer Physiker in den USA, welche die afrikanische Bewerbung durch intensive Lobbyarbeit unterstützt.

    "Wenn sie die Welt bitten, 1,5 Milliarden Euro für den Bau zu investieren, und dann noch einmal zehn Milliarden Euro für die folgenden Jahre, dann ist das sehr viel Geld. Will man das nur mit Wissenschaft begründen, ist das kaum überzeugend. Die afrikanische Kandidatur aber hat einen weiteren Pluspunkt: Es geht darum, die Entwicklung Afrikas voranzubringen."

    Die Australier werden dagegen halten, dass ihre Pläne deutlich ausgereifter und risikoärmer sind. Im Jahr 2012 treffen sich Forschungspolitiker aus allen 19 Staaten weltweit, die am Square Kilometer Array-Projekt beteiligt sind. Sie wollen dann eine Entscheidung in der Standortfrage treffen.