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Astronomie
Mit AIDA gegen Asteroiden

Immer wieder gibt es Meldungen über Asteroiden, die nur knapp an der Erde vorbeischrammen. Wie können die im Falle des Falles abgewehrt werden? Europa und die USA wagen einen Versuch am lebenden Objekt - mit einem Abwehrsystem, das die Bahn eines Asteroiden verändern soll.

Von Guido Meyer | 26.08.2015
    Der Triumphmarsch aus Verdis Oper Aida könnte für den Sieg der Menschheit über einen anfliegenden Asteroiden stehen. Eigentlich steht AIDA aber für Asteroid Impact & Deflection Assessment, eine Studie also, die untersuchen soll, wie der Aufschlag auf einem Asteroiden diesen von seinem Kurs bringen kann. Seit dem Frühjahr laufen die Berechnungen; im Herbst wollen die europäische Weltraumagentur ESA und die amerikanische Weltraumbehörde NASA über die Umsetzung von AIDA entscheiden. Die USA sollen dabei einen sogenannten Impaktor bauen, der auf einem Asteroiden aufschlägt; die Europäer eine Sonde, die den Einschlag aus der Nähe beobachtet.
    "Nach der Ankunft am Ziel wird Europas Sonde zunächst dreidimensionale Bilder des Asteroiden aufnehmen. Parallel wird ein Hochfrequenzradar das Objekt untersuchen. Die Radiowellen wandern durch sein Inneres. Dabei werden sie abgelenkt, je nachdem wie viel Gestein sie durchqueren. Diese Störungen verraten uns, ob der Asteroid eher porös ist oder ob er aus festem Material besteht."
    Ian Carnelli von der ESA ist der Missionsmanager der Beobachtungssonde, den europäischen Teil von AIDA. Der Doppelasteroid Didymos soll das Ziel sein - ein Gesteinsbrocken von 800 und einer von 150 Metern Durchmesser, die der Erde bis auf elf Millionen Kilometer nahe kommen. Sobald der Aufbau des kleineren der beiden Asteroiden analysiert wurde, folgt der nächste Schritt:
    "Dann schickt die Beobachtungssonde einen Lander auf die Oberfläche. Er wird dem deutschem MASCOT-Lander ähneln, der derzeit mit der japanischen Sonde Hayabusa-2 zu einem anderen Asteroiden fliegt. Es ist im Wesentlichen ein Würfel mit Solarsegeln und Antennen. Im Unterschied zur japanischen Mission muss dieser Lander aber einige Monate auf der Asteroidenoberfläche operieren und Messungen durchführen, vor und nach dem Einschlag."
    Start in fünf Jahren?
    Die USA werden ebenfalls eine Sonde Richtung Didymos schicken. Sie wird mit mehr als 20 000 Kilometern pro Stunde auf den kleineren der beiden Asteroiden stürzen – und der zuvor dort angekommene Lander der Europäer soll das hoffentlich überleben.
    "Die Auswirkungen des Einschlags werden lokal begrenzt sein. Wir erwarten einen Krater von vielleicht zehn Metern Länge und zehn Metern Tiefe. Es besteht also eine gute Chance für MASCOT, trotz der geringen Anziehungskraft des Asteroiden nach dem Aufprall noch auf der Oberfläche zu bleiben."
    In fünf Jahren wollen die Europäer ihre Sonde starten, ein Jahr später die Amerikaner. Im Herbst wird sich entscheiden, ob die NASA wegen Finanzproblemen als Partner ausfällt oder nicht. Falls ja, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) noch einen Plan B in der Hinterhand.
    "Sollte sich AIDA nicht finanzieren lassen, schlagen wir eine billigere Mission vor, die nur aus einem Impaktor besteht. Dann würden wir von der Erde aus die Veränderungen der Rotation des Asteroiden beobachten."
    Bei diesem Alternativ-Szenario soll nicht die Bahn des Asteroiden selbst verändert werden, sondern seine Eigenrotation, erklärt Line Drube vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof.
    "Wir wollen den Asteroiden außen treffen, am Rand, und so seine Drehung beschleunigen. Diese Rotationsänderung können wir mit erdgebundenen Teleskopen anhand des Lichts nachweisen, das vom Asteroiden reflektiert wird. Wahrscheinlich würden wir seine Eigendrehung um ein Prozent erhöhen."
    Im Herbst wird sich zeigen, ob und in welcher Form das Projekt AIDA abheben und 2020 seinen hoffentlich triumphalen Flug zum Asteroiden Didymos beginnen kann.