Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Asylbewerber in Ankerzentren
Spätestens nach sechs Monaten sollte man raus

Anfang August 2018 wurden die bundesweit ersten Ankerzentren eröffnet. Durchgesetzt hat sich das Modell nur im Saarland, Sachsen und Bayern. Die CSU ist zufrieden, Flüchtlingshilfsorganisationen fordern deren Abschaffung. Auch die Bewohner selbst klagen über die Zustände. Es sei wie in einer Parallelwelt.

Von Ina Krauß | 01.08.2019
Wartezimmer für medizinische Untersuchung im Anker-Zentrum der Landesdirektion Sachsen in Dresden
Wartezimmer für medizinische Untersuchung im Ankerzentrum der Landesdirektion Sachsen in Dresden (imago / Robert Michael)
Presserundgang im Ankerzentrum Bamberg. Es ist das Vorzeigeprojekt des Freistaats. Das Asylverfahren ist hier streng getaktet - Registrierung, Gesundheits-Screening, Informationen zum Verfahren. Und schon am siebten Tag nach der Ankunft werden die Asylbewerber vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angehört. Manfred Krug von der Regierung von Oberfranken hat das Ankerzentrum mit aufgebaut.
"Sinn und Zweck der Ankereinrichtung ist das Verfahren dadurch zu beschleunigen, dass man alle Behörden an einen Standort mitbringt."
Das Ankerzentrum befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen US-Kaserne. In 13 Wohnblocks leben bis zu 1.500 Asylbewerber. Für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, CSU, sind die Ankerzentren in ganz Bayern ein Erfolgsmodell.
"Wir haben jetzt nach zwei Monaten die Entscheidung des BAMF, das heißt, dass all die, die anerkannt werden, um die 30 Prozent mindestens, schon nach zwei Monaten Sicherheit haben, dass sie hierbleiben dürfen. Und andere, die abgelehnt werden, haben die Möglichkeit, Klage zu erheben und das dauert dann natürlich einige Monate."
Zimmer dürfen nicht abgesperrt werden
Monate, die die Asylbewerber in den Anker-Einrichtungen wohnen bleiben müssen. Manchmal werden daraus Jahre, selbst für Familien mit kleinen Kindern. Die 25-jährige Blessing lebte bis vor kurzem im Anker-Zentrum Manching-Ingolstadt. Die alleinerziehende Mutter floh aus Nigeria vor Gewalt. Doch im Ankerzentrum fand sie keinen Schutz, denn die Zimmer dürfen nicht abgesperrt werden. Aus Brandschutzgründen heißt es.
"Es war sehr schwierig, ich konnte mich nicht mal anziehen, ohne Angst zu haben, dass jemand reinplatzt und mich nackt sieht. Auch nachts konnte ich das Zimmer nicht absperren. Du lebst in ständiger Gefahr, wenn du in einem Zimmer schläfst, das du nicht abschließen kannst."
Blessing klagte gegen die Ablehnung ihres Asylantrags und lebte insgesamt ein Jahr und neun Monate mit ihrem kleinen Sohn im Ankerzentrum Manching. Die Bewohner dürfen nicht selbst kochen, leben auf engstem Raum mit anderen, nicht einmal Familien mit Kindern haben ein Recht auf ein eigenes Zimmer. Es gibt ständig Konflikte, auch mit den privaten Wachdiensten. In den frühen Morgenstunden kommt beinahe täglich die Polizei, um Flüchtlinge abzuschieben. Nachts zu schlafen, sei fast unmöglich, sagt Amir aus dem Iran. Er wartet seit über einem Jahr auf die Entscheidung seines Asylantrags. In seinem Heimatland war er Englischlehrer. Im Ankerzentrum Bamberg dolmetschte er für 80 Cent die Stunde, draußen ist den Bewohnern die Arbeit verboten.
"Es ist wie eine Stadt, aber diese Stadt ist außerhalb von Deutschland, wenn wir rausgehen, sagen wir: Jetzt gehen wir nach Deutschland. Denn die Regeln und Gesetze hier sind sehr anders als draußen."
Kein Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung
Sich zu wehren fällt Bewohnern der Ankerzentren schwer. Sie haben kaum Zugang zu einer unabhängigen Rechtsberatung, außerdem können sie sich einen Anwalt oft nicht leisten. Asyl-Rechtsanwälte sprechen bei Ankerzentren von einem Tal der Ahnungslosen. Der Bayerische Flüchtlingsrat und andere Flüchtlingshilfsorganisationen in Bayern fordern die Rückkehr zu kleineren, dezentralen Unterkünften. Genau das hat jetzt auch der Regierungsbezirk Schwaben für das neue Jahr beschlossen. Dann wird es in Bayern nur noch sechs statt sieben klassische Ankerzentren geben.
Die alleinerziehende Blessing lebt seit kurzem in einer dezentralen Unterkunft. Kann endlich ihr Zimmer abschließen und für ihren kleinen Sohn selbst kochen. Kann endlich anfangen, sich in Deutschland zu integrieren.
"Ich würde raten, die Immigranten nicht so lange in einem so schwierigen Umfeld zu lassen, wie das, in dem ich gelebt habe. Höchstens sechs Monate in so einem Lager, dann sollten sie in ein normales Haus oder Wohnungen verlegt werden."