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Asylgrund Klimawandel
Umweltkatastrophen treiben Menschen zur Flucht

Dürreperioden, Stürme, Überflutungen - der Klimawandel ist für Menschen in vielen Teilen der Welt bereits zur Bedrohung geworden. Immer mehr verlieren aufgrund von Umweltkatastrophen ihre Lebensgrundlage und sind gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Hilfsorganisationen wie Oxfam fordern daher die Schaffung des Asylgrunds "Klimaflüchtling".

Von Daniela Siebert | 31.03.2017
    Menschen in einem Dorf 50 Kilometer von Gode entfernt, süd-östlich von Addis Abeba, warten auf Lebensmittelhilfen.
    Dürrekatastrophen - wie hier in Äthiopien - häufen sich und zwingen immer mehr Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat. (picture alliance / dpa / Joel Robine)
    Es gibt Mitbürger auf diesem Erdball, für die ist der Klimawandel bereits Teil ihrer Lebenswirklichkeit. Zwei Beispiele. Nummer eins: Tschinma George aus Nigeria. Die 30-Jährige ist selbstständige Beraterin mit Studienabschlüssen in Wirtschaft und Umweltmanagement und dazu noch Klimaaktivistin mit Erfahrung an internationalen Konferenztischen.
    In Nigeria realisierte man den Klimawandel vor fünf Jahren richtig bewusst, sagt sie. "2012 gab es bei uns enorme Regenfälle. Monatelang. Ununterbrochen. Das führte zu Überflutungen. Über sieben Millionen Menschen waren betroffen, im ganzen Land gab es Überflutungen, 30 von 36 Bundesstaaten waren betroffen."
    Beispiel Nigeria: Klimawandel seit fünf Jahren spürbar
    Auch häufige Dürren, die Ausbreitung der Wüste und die Erosion der Meeresküste führt Tschinma George auf den Klimawandel zurück.
    "Bei uns verlieren Menschen ihre Lebensgrundlagen, viele müssen umziehen, wir haben auch mit Hunger, Armut, Konflikten, zunehmenden Krankheiten und Nahrungsmittelknappheit zu tun."
    Auch Terrororganisationen wie Boko Haram profitierten von der klimabedingten Verschlechterung der Lebenslage, glaubt sie.
    Zwar steuere auch die nigerianische Regierung mittlerweile weg vom Erdöl, das bislang die Wirtschaft im Land dominiert, hin zu erneuerbaren Energiequellen. Aber Hilfe aus dem Ausland und Technologietransfer hält Tschinma George dennoch für angeraten. Außerdem wäre es gut wenn Deutschland komplett aus der Kohleverstromung aussteige.
    Beispiel Philippinen: Jahreszeiten vollkommen durcheinander
    Beispiel 2. Die Philippinen. Auch dort zeige sich der Klimawandel schon, berichtet A.G. Sanjo. Der Fotograf und Maler macht das an diesen Phänomenen fest:
    "Wir haben die drastischen Veränderungen erlebt. Vor allem beim Wetter. Die Jahreszeiten sind völlig durcheinander. Und die Taifuns sind immer stärker geworden. Das Wetteramt der Philippinen hat seine Warnstufen sogar auf fünf erhöht, vorher gab es nur drei."
    Die Stürme würden häufiger und intensiver. Das führe auf den Philippinen zu beträchtlicher Binnen-Migration, da man aus dem Insel-Staat nicht so leicht auf Nachbarländer ausweichen könne, so Samuel.
    "Zum Beispiel als der Supertaifun Haiyan die Insel Leyte traf, da flohen binnen Tagen nach der Katastrophe Hunderttausende in die nächsten Großstädte und sichere Gegenden, allein 100.000 auch nach Manila."
    Migration infolge des Klimawandels ist längst Gegenwart
    Auch für Marion Lieser, die Geschäftsführerin der Hilfsorganisation Oxfam, ist Migration infolge des Klimawandels längst Gegenwart. Etwa in der Sahelzone, wo Dürren den Menschen die Lebensgrundlagen raubten. Und die internationale Gemeinschaft reagiere noch viel zu wenig und viel zu schlecht darauf.
    "Die internationale Gemeinschaft ist damit beschäftigt, sich in Abschottungsszenarien zu ergießen, aber die Dinge, die wirklich notwendig sind, nämlich den Menschen vor Ort auch Migration als Anpassungsstrategie zu geben oder sie darin zu begleiten, das wird komplett ausgeblendet."
    Marion Lieser ist für die Schaffung des neuen Asylgrundes "Klimaflüchtling". Als Folge der derzeitigen Entwicklung. "Es muss ihn geben! Weil: ich wüsste jetzt nicht, wie man sonst, das ganze Thema anders noch ja aufgreifen kann und damit überhaupt eine Zukunft sieht."
    Flüchtlingskonvention sieht Klimawandel bisher nicht als Asylgrund vor
    Ganz anders Peter Fischer, im Auswärtigen Amt mit der Klimapolitik beauftragt. Den Asylgrund "Klimaflüchtling" werde es nicht geben ist er überzeugt. Auch weil das mit den Gründen, die die Genfer Flüchtlingskonvention vorgibt, nicht in Einklang zu bringen sei. In seinem Ministerium wird das Phänomen wohl ohnehin nicht so sehr unter humanitären Vorzeichen verfolgt.

    "Es scheint uns evident, dass aus dem Klimawandel erhöhte Sicherheitsrisiken erfolgen. Die wir jetzt schon beobachten können, die jetzt schon schwerwiegend sind, aber wenn wir den Klimawandel nicht aufhalten, wenn die schlimmsten Prognosen eintreten, dann stehen wir in 50 Jahren vor Herausforderungen, die noch viel viel größer sind."

    Für A. G. Sanjo aus den Philippinen ist solch eine Sichtweise bizarr. Er wurde Klima-Aktivist, weil Taifun Haiyan einen Freund von ihm mit in den Tod riss, er selbst überlebte nur knapp.
    "Die sind doch die Bedrohung für unsere Sicherheit. Es ist bewiesen, dass die Kohlenstoffemissionen tatsächlich schon heute viele Zerstörungen anrichten im Süden der Erdhalbkugel, in Ländern wie meinem. Für mich persönlich sind sie eine Bedrohung, nicht wir für sie."