Freitag, 19. April 2024

Archiv

Asylpolitik
Schnelle Asylverfahren und Express-Abschiebungen

Flüchtlingslager in Nordafrika seien aus rechtlichen und logistischen Gründen nicht machbar, sagt der Politikberater Gerald Knaus. Das Recht auf Asyl müsse in der EU geprüft und entschieden werden. Knaus fordert stattdessen, dass in Griechenland und Italien europäische Experten schnell über Asylanträge entscheiden.

Von Katrin Bensch | 09.02.2017
    Flüchtlinge werden von Helfern vor der libyschen Küste gerettet.
    Ob schnellere Asylverfahren und Abschiebungen Menschen von der gefährlichen Reise über das Mittelmeer abhalten werden, ist fraglich (AFP / ANDREAS SOLARO)
    "Diese Idee ist absurd", sagt Gerald Knaus über den Plan, Flüchtlingslager in Nordafrika zu bauen. Der Österreicher ist Soziologe, Politikberater und Chef der Denkfabrik "Europäische Stabilitätsinitiative". Er gilt als Erfinder der EU-Türkei-Vereinbarung. Flüchtlingslager in Nordafrika sind für ihn aus rechtlichen und logistischen Gründen nicht machbar.
    "Wenn wir diese beiden Dinge betrachten, dann ist die Idee, dass die Europäische Union in Nordafrika, in den schwachen oder kollabierenden Staaten wie Libyen, oder in Staaten, die die Flüchtlingskonvention noch nicht einmal anerkannt haben wie Ägypten, Flüchtlingslager einrichten kann, diese Idee ist absurd."
    Libyen und Ägypten "keine sicheren Drittstaaten"
    Auch eine Übertragung des EU-Türkei-Abkommens auf das nordafrikanische Land Libyen hält Knaus für utopisch. Denn der Schlüssel der Vereinbarung mit der Türkei ist, dass jeder, der die griechischen Inseln erreicht, zunächst eine Prüfung seines Asylrechts erfährt, sagt der Österreicher.
    "Wenn man das als Blaupause nimmt, bedeutet das, dass nur diejenigen aus Italien oder von den Schiffen zurückgeschickt werden können nach Nordafrika, bei denen man garantieren kann, dass sie in Nordafrika sicher sind. Also Libyen oder Ägypten müssten sichere Drittstaaten sein. Wir können heute, nachdem was wir heute über diese Länder wissen, ausschließen, dass sie in absehbarer Zeit sichere Drittstaaten werden."
    Das Recht auf Asyl "muss in der EU geprüft und entschieden werden"
    Nach Ansicht des Politikberaters Knaus wäre es daher sogar gut, die EU-Türkei-Vereinbarung als Vorlage zu nehmen.
    "Denn es würde bedeuten, dass man eben niemand nach Nordafrika oder Niger oder in die Transitländer zurückschicken kann."
    Ob ein Flüchtling ein Recht auf Asyl hat, müsse in der Europäischen Union geprüft und entschieden werden. Damit das besser funktioniere als derzeit, brauche es deutlich schnellere Asylverfahren, wie es sie zum Beispiel in den Niederlanden gibt. Damit wäre zeitnah klar, wer Schutz bekomme und bleiben könne, und wer keinen Schutz bekomme und abgeschoben werde. Das wäre ein klares Signal an Wirtschaftsmigranten und Menschenschlepper, meint Gerald Knaus.
    "Das man ein sehr hohes Risiko eingeht, wenn man die Sahara überquert, Libyen überquert, sich in ein Schlauchboot setzt, aufs Meer hinaus fährt. Und dann, beispielsweise als Nigerianer, wo Dreiviertel der Anträge abgelehnt werden, innerhalb von vier Wochen wieder in Nigeria ist. Das würde die Zahlen senken, aber im Einklang mit der Konvention, ohne Leute zurückzuschicken, und ohne auf die Prüfung der Anträge zu verzichten."
    Schnelle Asylverfahren und Express-Abschiebungen
    Ob das jedoch tatsächlich viele afrikanische Migranten von der lebensgefährlichen Fahrt über das Mittelmeer abhalten würde, ist fraglich. Für schnelle Asylverfahren und Express-Abschiebungen braucht es deutlich mehr Beamte und Übersetzer, und eine bessere Organisation, meint Knaus.
    "Der Schlüssel muss sein, dass an den zwei Hauseingangstoren für irreguläre Migration in die EU, nämlich Italien und Griechenland, europäische Missionen sind."
    Italien und Griechenland müssten diese Missionen einladen und ihre Gesetze soweit ändern, dass europäische Asylexperten zum Beispiel aus Schweden, den Niederlanden und Deutschland, vor Ort entscheiden könnten. Der Unterschied wäre, dass diejenigen, die von der EU-Mission Asyl bekommen, dann auch in der Europa aufgenommen und nach einem bestimmten Schlüssel verteilt würden. Damit hätte man eine europäische Lösung, die den Grenzschutz integriere. Knaus Formel für eine humane Asylpolitik lautet:
    "Kein Zurückstoßen, nicht Leute festhalten unter unmenschlichen Bedingungen, schnelle Verfahren und Umsiedlungen von Flüchtlingen in Zusammenarbeit mit der UN."
    Und eben keine Flüchtlingslager in Nordafrika – vor den Toren der Europäischen Union.