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Atmosfair: Manche Flugzeuge fliegen mit weniger als vier Litern

Auch wenn die Deutsche Luftfahrt für den Vier-Liter-Flieger werbe, gebe es bereits Fluglinien, die mit 3,5 Liter auf 100 Kilometer pro Passagier fliegen, sagt Dietrich Brockhagen von Atmosfair. Der Geschäftsführer der Klimaschutzorganisation ergänzt, dass mit einer engen Bestuhlung und guter Auslastung solche Werte erreicht werden könnten.

Britte Fecke im Gespräch mit Dietrich Brockhagen | 14.01.2013
    Britta Fecke: Heute startet die deutsche Luftfahrt ihre gemeinsame Kampagne, um auf den, wie sie sagen, niedrigen Treibstoffverbrauch aufmerksam zu machen. Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Luftverkehrswirtschaft:

    Klaus-Peter Siegloch: "Durch eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen haben wir gelernt, dass zwei Drittel der Deutschen den Treibstoffverbrauch der deutschen Fluggesellschaften viel zu hoch einschätzen. Fast die Hälfte glaubt, 40 Liter auf 100 Kilometer pro Passagier; es sind aber nur knapp vier Liter. Und deshalb starten wir heute diese Informationskampagne mit dem Slogan, "Vier bringen Sie weiter" an allen Flughäfen, in Bordmagazinen, auf Plakaten und Anzeigen, denn wir wollen damit auch deutlich machen, dass wir zu unserer Verantwortung für den Klimaschutz stehen und alles tun, um Energie zu sparen - übrigens nicht nur in der Luft, sondern auch auf den Flughäfen. Und wir hoffen, dass wir mit diesen Fakten jetzt auch eine Grundlage schaffen für den Dialog mit vielen, die eben den Luftverkehr doch sehr kritisch sehen in Sachen Klimaschutz."

    Fecke: Ich bin jetzt verbunden mit Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer von Atmosfair. Herr Brockhagen, wie wird denn dieser Pro-Kopf-Verbrauch eigentlich berechnet?

    Dietrich Brockhagen: Man nimmt den kompletten Treibstoffverbrauch aller Flotten, mittelt das über alle Flüge pro Person und hundert Kilometer, und dann kommen Sie auf so einen Mittelwert.

    Fecke: Gibt es Airlines, die besonders sparsam fliegen?

    Brockhagen: Ja und auch in Deutschland. Da gehören Air Berlin, TUIfly und Condor dazu, die sind auch international mit bei den besten dabei in puncto Treibstoffeffizienz.

    Fecke: Nun ist Herr Siegloch wahrscheinlich verständlicherweise relativ begeistert. Vier Liter Treibstoff pro Person auf 100 Kilometer Strecke, das ist schon ein gutes Ergebnis. Wäre aber durch technische Maßnahmen oder durch eine modernere Flotte noch viel mehr möglich?

    Brockhagen: Ja, auf jeden Fall, und die von mir eben genannten deutschen Airlines fliegen ja jetzt auch schon deutlich besser als vier Liter. Air Berlin ist, glaube ich, so ungefähr mit 3,5 Litern unterwegs, die Ferienflieger schaffen es schon unter die drei Liter. Und es geht auch mehr in der Zukunft, allerdings sind auch da Grenzen gesetzt. Wir sind jetzt in einem Bereich, wo wir oder die Technologie noch inkrementell sich verbessern kann, aber Quantensprünge sind nicht erreicht worden deswegen. Es gibt diesen großen europäischen Forschungsverbund ACARE, die hatten vor zehn Jahren ein Projekt gestartet, wo der Treibstoffverbrauch bis 2020 ungefähr um die Hälfte gesenkt werden soll, der spezifische. Die werden die Ziele nicht einhalten können, dazu sind die Potenziale einfach zu klein.

    Fecke: Um auf die Potenziale noch mal im Detail einzugehen: Sie nannten gerade einige Airlines, die es schon unter vier Liter schaffen. Warum schaffen es die jetzt dadrunter?

    Brockhagen: Die modernen Flugzeuge, die Sie heute kaufen können, die haben einfach eine jüngere Flotte und die neuen Flugzeuge, die Sie jetzt von Airbus und von Boeing beziehen können, die sind einfach alle schon wesentlich besser. Und wenn Sie die auch noch eng bestuhlen und gut auslasten, dann ist das kein Hexenwerk.

    Fecke: Ein Flug nach Berlin über Amsterdam klingt für mich nach einem ziemlich sorglosen Umgang mit Kerosin. Sehe ich das jetzt nur im Detail kritisch, oder ist das tatsächlich ein Problem?

    Brockhagen: Das ist tatsächlich ein Problem, und hier ziehen Umweltschützer und die Luftfahrtindustrie absolut an einem Strang. Wir versuchen, seit 15 Jahren und 20 Jahren den Single European Sky, wie er jetzt inzwischen heißt, zu verwirklichen. Da stehen nationale Egoismen und die 36 Flugsicherungen in Europa noch entgegen. Das ist wirklich eine Aufgabe für die Regierungschefs, hier mal einzuschreiten, denn da können erhebliche Potenziale gehoben werden.

    Fecke: Gibt es auch noch ein Potenzial, was den Treibstoff anbelangt, also alternative Treibstoffe zum Kerosin?

    Brockhagen: Ja, den gibt es, wobei Sie beim Thema Biosprit wie beim Auto auch beim Flugzeug schnell in diese "Teller-Tank-Diskussion" reingeraten. Deswegen: Ich finde es eigentlich vorbildlich, wie die deutsche Flugverkehrswirtschaft damit umgeht. Die hat ja einen eigenen Verband zu dem Thema gegründet und die wissen ganz genau, Teller-Tank-Problematik gibt es und dort dürfen keine Kompromisse gemacht werden. Deswegen rechnen die auch nur mit einer ganz geringen Beimischung in Zukunft von Biosprit im Jahr 2020 und darüber hinaus. Das heißt, die gehen an das Thema ganz konservativ heran. Das heißt aber auch, dass quantitativ über das Thema Biosprit nicht viel zu holen sein wird.

    Fecke: Man spricht jetzt ja meistens nur über die Klimaschädlichkeit der vielen Flugbewegungen. Wird beim Kerosin auch noch anderes freigesetzt, also noch andere Schadstoffe, die problematisch sind?

    Brockhagen: Ja. Da gibt es einmal die Stickoxide, die in großen Höhen wirklich Ozonsmog verursachen, der den Treibhauseffekt antreibt. Dazu kommen noch Kondensstreifen und Wolkenbildung. Das sind Effekte, die gibt es nur beim Flugverkehr und die finden eben in besonders sensiblen Höhen statt.

    Fecke: Die deutsche Luftverkehrswirtschaft wirbt mit ihrem niedrigen Treibstoffverbrauch. Ein bisschen eingeordnet habe ich das mit Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer von Atmosfair. Vielen Dank!

    Brockhagen: Gerne - tschüss!

    Fecke: Tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.