Donnerstag, 28. März 2024

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Atomabkommen mit dem Iran
Erfolg durch Engagement und Sanktionen

Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, hält es für gerechtfertigt, dass die Menschen im Iran das Atomabkommen feiern. Nach einer zwölfjährigen Diplomatie- und Sanktionsphase könne sich der Iran nun der Welt öffnen, sagte Perthes im DLF.

Volker Perthes im Gespräch mit Thielko Grieß | 14.07.2015
    Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
    Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. (Imago / Stefan Zeitz)
    Thielko Grieß: Das Palais Coburg ist eines der vornehmeren Hotels in Wien, gelegen im Ersten Bezirk. Dort sitzen seit 17 Tagen die Verhandlungsführer des Iran und der sechs übrigen beteiligten Staaten beieinander. Sie alle verhandeln praktisch ununterbrochen über ein Abkommen, das die Zukunft des Atomprogramms des Irans regeln soll. Verhandlungen, die heute zu einem Fahrplan geführt haben, so heißt es in Wien. Die Außenminister treffen sich zurzeit zu einem womöglich letzten Gespräch. Danach ist eine Pressekonferenz angesetzt. Seit Stunden aber gibt es Meldungen aus Diplomatenkreisen, von allen Seiten auch Bestätigungen über dies und jenes.
    Wir wollen das, was bekannt ist, einordnen und einschätzen, und dazu begrüße ich jetzt Volker Perthes am Telefon, den Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Herr Perthes, guten Tag.
    Volker Perthes: Schönen guten Tag.
    Grieß: Wir lesen in Agenturen, im Iran gebe es heute schon Genehmigungen für Straßenfeste in den großen Städten. Das Land bereitet sich also auf Feiern vor. Zurecht?
    Perthes: Ja, zurecht. Wir haben hier eine zwölfjährige Diplomatiephase gehabt. Wir haben für Iran mehr als zwölf Jahre Sanktionen gehabt. Wir haben verschiedene Präsidenten gehabt im Iran, die mehr oder weniger geschickt versucht haben, diesen Konflikt zu lösen. Und nun scheint es doch so zu sein, als könnte das Projekt von Präsident Rohani durchgesetzt werden, dass Iran sich endlich durch Lösung dieses Konflikts auch der Welt öffnet, und das ist eigentlich, was die Leute feiern.
    "Wenn Sanktionen fallen, gewinnt man Geld"
    Grieß: Sie feiern, dass die Sanktionen künftig fallen könnten und damit der Iran ja was, was gewinnen wird?
    Perthes: Nun ja. Erst mal, wenn Sanktionen fallen, gewinnt man Geld. Es ist viel Geld eingefroren, iranisches in den USA. Man gewinnt den Zugang zum internationalen Finanzmarkt. Das ist ganz wichtig, wenn man verkaufen will oder wenn man Produkte einkaufen will. Man wird Zugang gewinnen, nicht sofort, morgen oder übermorgen, aber mit der Zeit zu internationalen Firmen, die bereit sind, im Iran zu investieren oder Iran kritische Technologie zu verkaufen, etwa um die Offshore-Gasfelder zu explorieren im Persischen Golf.
    "Dieses Ergebnis ist ein Gewinn für die Nichtproliferation"
    Grieß: Was hat denn die Gegenseite, was haben die Vetomächte der Vereinten Nationen - Deutschland selbst hat auch mitverhandelt -, was haben diese Verhandlungspartner erreicht?
    Perthes: Es ist ganz interessant, dass Sie sagen, die Vetomächte plus Deutschland. Deutschland ist der einzige unter den verhandelnden Mächten, der selbst keine Atomwaffen hat und sich selbst klar dazu bekannt hat, dass wir auch keine Atomwaffen haben wollen. Ich würde sagen, dieses Ergebnis ist ein Gewinn für die Nichtproliferation, für den Atomwaffensperrvertrag, weil es zeigt, dass mit viel, viel Diplomatie man letztlich diesen Vertrag stärken kann und hier ein kritischer Staat, nämlich Iran deutlich macht, ja, er verzichtet langfristig auf die Entwicklung eines militärischen nationalen Atomprogramms.
    "Erfolgsrezept für diese Verhandlungen"
    Grieß: Ist es auch ein Erfolg der Sanktionspolitik, die ja sehr hart kritisiert worden ist?
    Perthes: Ich denke, das ist ein Erfolg dieser Politik, die immer zwei Elemente gehabt hat, nämlich Engagement und Sanktionen. Wir haben ja immer Stimmen gehabt, gerade auch in den USA, die gesagt haben, die Sanktionen alleine reichen eigentlich, irgendwann wird Iran zu Kreuze kriechen. Wir haben in Russland und China Stimmen gehabt, die gesagt haben, ach das reicht eigentlich - ich übertreibe jetzt vielleicht ein wenig -, wenn wir nett mit den Iranern reden. Aber letztlich die Einigung darauf, dass man Sanktionen gemeinsam im Sicherheitsrat beschließt - zusätzlich gab es Sanktionen der Europäischen Union und der USA -, dass auch Russland und China und andere sich halten an diese internationalen Sanktionen und gleichzeitig das Engagement nie aufgehört hat, das ist sicherlich das Erfolgsrezept für diese Verhandlungen gewesen.
    "Iran hat erhebliche Beschränkungen seines Atomprogramms akzeptieren müssen"
    Grieß: Nun handelt es sich nach diesen langen, langen Verhandlungen, bei denen eine Frist immer wieder verlängert worden ist, ja um einen Kompromiss. Sprechen wir darüber, Herr Perthes, was der Iran bei diesen Verhandlungen für sich nicht erreicht hat.
    Perthes: Der Iran hat erhebliche Beschränkungen seines Atomprogramms akzeptieren müssen. Er hat strenge Inspektionen, Transparenzmaßnahmen akzeptieren müssen, die in der Form für keinen anderen Staat gelten. Das sind, wenn Sie so wollen, Souveränitätseinschränkungen, die über den Text des vom Iran bereits ratifizierten Atomwaffensperrvertrages hinausgehen, die vielleicht sogar ein Modell sind für weitere kritische Staaten in der Zukunft. Diese Einschränkung von absoluter Souveränität, an die sich Mitgliedsstaaten des Atomwaffensperrvertrages halten sollten, ist für einen so souveränitätsbewussten Staat wie Iran schon ein Problem, und das haben wir immer wieder gesehen, wenn der religiöse Führer gesagt hat, es soll bestimmte Inspektionen doch nicht geben. Der Iran musste auch akzeptieren, dass die Sanktionen nicht innerhalb eines Tages oder innerhalb einer Woche fallen, sondern dass das schrittweise geschehen wird.
    Zugeständnisse des Westen
    Grieß: Was sehen Sie auf der Gegenseite, was der Westen nicht erreicht hat, wo er hat Zugeständnisse machen müssen?
    Perthes: Der Westen hat Zugeständnisse machen müssen gegenüber seinen ursprünglichen Forderungen in der ersten Hälfte des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts, also zwischen 2003 und 2006. 2006 die Sicherheitsratsforderungen hießen, der Iran müsse sein Atomprogramm vollständig einstellen, es dürfe keine Anreicherung geben im Iran. Darauf hat man verzichten müssen. Iran wird in dieser Hinsicht behandelt wie jedes andere Mitglied des Atomwaffensperrvertrages, hat also das Recht auf ein friedliches Atomprogramm. Das ist hier sicherlich das wesentlichste Zugeständnis, was der Westen gemacht hat, wenn man das vergleicht mit den Ausgangspositionen der Verhandlungen, als auch die USA dazugestoßen sind im Jahre 2006.
    "Wie wird Iran sich jetzt verhalten in der Region?"
    Grieß: In den nächsten Wochen und in den nächsten Monaten wird es darum gehen, wie beide Seiten diesen Fahrplan, diese Roadmap, von der heute Mittag die Rede ist, umsetzen. Welche Stolpersteine sehen Sie im Iran selbst? Dort gibt es etliche Hardliner, etliche Konservative, gut vernetzt, mächtige Gruppen, die das Leben dem Präsidenten Rohani schwermachen können.
    Perthes: Ja. Da hat man das Gefühl, das sei ein Spiegelbild zu den USA, nicht wahr. Es gibt mächtige vernetzte konservative Gruppen, die es dem Präsidenten schwermachen wollen. Es gibt diese Kritik gerade aus dem Parlament. Ich denke aber, es gilt für Iran nicht anders als für die USA, dass das Parlament den Vertrag nicht zu Fall kommen lassen wird. Ich glaube, die entscheidende Frage, worauf auch die Nachbarstaaten Saudi-Arabien und andere schauen, ist: Wie wird Iran sich jetzt verhalten in der Region? Wird es die Chance nutzen zu sagen, wir haben hier einen Vertrauensvorsprung mit den internationalen Mächten, die mit uns verhandelt haben, und wir versuchen, uns auch in anderen regionalen Fragen konstruktiv zu verhalten? Oder wird es sozusagen ein Iran auf Steroiden werden, was von dem eigenen Erfolg so überzeugt ist, dass es den regionalen Nachbarn gegenüber auch die Muskeln zeigt?
    Grieß: Was glauben Sie, welche Tendenz sehen Sie? Heute Nachmittag, wenn wir Jubelfeiern aus dem Iran sehen werden, dann werden das Bilder sein, die steroid geprägt sind.
    Perthes: Na ja. Da ist die Frage, wer ist eigentlich auf Stereoiden. Und wenn deutlich wird, dass es die Zivilgesellschaft ist, die vor allem will, dass man aus der internationalen Isolierung herauskommt, dass man sich der Welt gegenüber öffnet, dass der außenpolitischen Öffnung auch eine innenpolitische Öffnung zu folgen hat, dann wird das Präsident Rohani und seine Leute unterstützen. Wenn es eher die Revolutionsgarden und die Hardliner sind, die das feiern und sagen, jetzt haben wir am Verhandlungstisch die USA besiegt, dann ist das ein Zeichen für eine nicht so gute Entwicklung.
    "Russland und China sind voll involviert gewesen in die Verhandlungen"
    Grieß: Sehen Sie Widerstände? Wir haben die Vereinigten Staaten angesprochen. Sehen Sie Widerstände bei den anderen Verhandlungspartnern? Gibt es Schwierigkeiten mit Russland, gibt es Schwierigkeiten mit anderen Partnern?
    Perthes: Nein. Russland und China sind voll involviert gewesen in die Verhandlungen und werden die nicht scheitern lassen. Da müssen auch die Parlamente nicht notwendig zustimmen. Und dass sich Russland und China im Sicherheitsrat gegen eine Aufhebung der Sanktionen stellen würden, das ist einfach nicht vorstellbar.
    Grieß: ... sagt Volker Perthes, der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk, zum Fahrplan, wie es weitergeht mit dem iranischen Atomabkommen. Herzlichen Dank, Herr Perthes, heute Mittag für Ihre Zeit.
    Perthes: Ja, sehr gerne. Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.