Dienstag, 23. April 2024

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Atomabkommen mit dem Iran
Politologe: Deutschland und Frankreich müssen zusammenstehen

Der Politikwissenschaftler Andrew Denison glaubt nicht, dass US-Präsident Donald Trump das Atomabkommen mit dem Iran komplett aufkündigen wird. Er sagte im Dlf, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron müssten zusammenhalten - dann werde "sogar einer wie Trump zuhören".

Andrew Denison im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 26.04.2018
    Andrew B. Denison, Publizist und Politologe aus den USA, aufgenommen am 08.05.2014 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner"
    Andrew B. Denison, Direktor Transatlantic Networks (dpa / Karlheinz Schindler)
    Dirk-Oliver Heckmann: Emmanuel Macron, der französische Präsident, er hat international gute Noten bekommen für seinen Auftritt in den USA, wo ihm US-Präsident Donald Trump wortwörtlich den Roten Teppich ausrollen ließ. Es war eine Mischung aus Freundschaftsbekundung und einer klaren Botschaft gegen Protektionismus, für den Erhalt des Atomabkommens mit dem Iran beispielsweise. Bei seiner Rede vor dem Kongress wurde Macron vor allem vonseiten der Demokraten dafür gefeiert. Mitgehört hat Andrew Denison. Er ist Politikwissenschaftler des Think Tanks Transatlantic Networks. Schönen guten Tag, Herr Denison!
    Andrew Denison: Guten Tag!
    "Macron hat die Sympathie der Amerikaner gewonnen"
    Heckmann: Macron wird im Kongress gefeiert. Hat er bei seiner Reise in die USA alles richtig gemacht?
    Denison: Er hat alles richtig gemacht. Ich meine, er hat natürlich die Sympathie der Amerikaner gewonnen, vor allem der Mehrheit der Amerikaner, die der Meinung sind, es ist nicht nur im Interesse von kleinen Staaten wie Frankreich oder Deutschland, multilaterale Institutionen wie NATO oder UNO zu unterstützen. Sondern dass es auch gerade im Interesse der Supermacht Amerika ist, seine Macht einzubinden, sodass am Ende Amerika mehr Freunde hat als seine Konkurrenten. Diese These, die Macron auch getragen hat, die hat in Amerika Unterstützung gefunden, und nicht nur unter Demokraten. Es gibt auch Republikaner, die es so sehen. Aber Sie müssen verstehen: Es gibt auch eine Reaktion gegen diesen internationalen Ansatz, und die sagen, hey, wir wollen nicht unseren ganzen Schatz einem anderen geben, sondern das gehört uns. Und ja, das ist Amerika.
    Heckmann: Das ist Amerika. Zu Amerika gehört natürlich auch die intensive Berichterstattung, sowohl natürlich dort als auch hier. Viele Medien haben ja gesagt, Macron und Trump, die hätten sich überboten mit Freundschaftsbekundungen. Dabei waren ja auch eine ganze Menge von Fingerhakeleien da im Spiel. Da war zum Beispiel dieser Handschlag wieder, der ein bisschen eher wirkte wie ein Armdrücken. Da hat Trump vor laufenden Kameras angebliche Schuppen vom Anzug Macrons gewischt. Und Trump betonte, Macron würde ein großer Präsident werden, mit der Betonung auf werden. So konnte man es zumindest verstehen. Trump machte schon klar, wer da der Chef ist, so jedenfalls meine Wahrnehmung. Ist das eine zutreffende Wahrnehmung?
    Denison: Ja, aber man darf das nicht überbewerten. Politik besteht aus dieser Show und Reality-TV-Welt, in der wir sind. Das ist wichtig und da können alle das spielen, der eine so, der andere so. Aber nebenbei und oft hinter verschlossenen Türen ist dann die professionelle Seite. Das sind so die traditionellen Problemfelder mit den entsprechenden Experten, die die dann durcharbeiten. In diesem Sinne denke ich, dass Frankreich eine gute Rolle gespielt hat mit dieser Feiern und dieser Bromance. Darunter ist es auch wichtig, denke ich, für Europa zu sehen, dass es nicht nur Deutschland ist, das in der Führung ist, sondern Frankreich. Wenn die Amerikaner merken, dass Deutschland und Frankreich da zusammenstehen, dann hört natürlich sogar einer wie Trump zu.
    Iran-Abkommen: "Ein neuer Konsens mit Zuckerbrot und Peitsche"
    Heckmann: Da muss man mal gucken, was daraus wird. In der Tat: Die Substanz der Gespräche ist natürlich viel wichtiger als diese symbolischen Geschichten, die medial stark besprochen werden. Aber Macron scheint ja auch, was die Substanz angeht, nicht unbedingt so super optimistisch zu sein. Er hat getwittert: "Ich weiß nicht, wie die amerikanische Regierung entscheiden wird." Aber alle Äußerungen Trumps deuten darauf hin, dass er nicht alles tun wird, um das Atomabkommen mit dem Iran zu erhalten. Rechnen Sie auch damit?
    Denison: Man muss die Geschäftsgrundlage der Zusammenarbeit über den Atlantik anschauen. Bei solchen Gipfeltreffen geht es auch um die Frage, ob man zeigen kann mit sogenannter Lieferware, dass man eine leichte Veränderung der Geschäftsgrundlage bekommen hat zum Vorteil vom einen oder vom anderen. – Was kann Macron Trump geben? Ein bisschen Legitimation, vielleicht Unterstützung in Syrien. Dafür kann Trump ihm auch entgegenwirken und vielleicht nicht so hart bei der Iran-Politik sein. Es ist möglich, aber Trump wird am Ende, glaube ich, weil er umzingelt ist von Professionellen, rhetorisch viel drohen, aber dann doch zurückkommen auf eine gemeinsame Geschäftsgrundlage auf Basis von diesem Gipfeltreffen von Macron, Merkel und Trump. Also nicht eine völlige Stornierung, sondern ein neuer Konsens mit Zuckerbrot und Peitsche gegenüber Iran.
    Heckmann: Die Europäer sagen ja, was Iran angeht, ohne dieses Abkommen werde die Welt unsicherer, und Donald Trump meint, das wäre der schlechteste Deal aller Zeiten. Weshalb ist dieser Deal eigentlich so schlecht aus Trumps Sicht?
    Denison: Vielleicht ist es wichtig für die Deutschen zu wissen: Es ist nicht nur Trump, der gegen diesen Deal ist, und deshalb bekommt er auch Haftung mit diesem Argument. Viele, wenn nicht alle Republikaner waren dagegen, und vor allem das war damals unter Obama, und jetzt sehen wir einen Iran, der zwar einen Deal hat und wirtschaftlich davon gewinnt, der aber in Syrien Assad unterstützt - unglaublich, was da vorgeht – und auch anderswo im Nahen Osten, einschließlich im Irak, Amerika große Probleme macht. Und wenn Europa bereit ist, auf diesen Bereich gegen Iran zu drücken, auch im Nahen Osten, die geeinten oder ungeeinten Europäer, ich denke, dann ist Trump auch bereit zu sagen, okay, dann finden wir eine Lösung für dieses Nuklearabkommen. Wenn die Europäer sagen, das Nuklearabkommen wollen wir halten und ihr seid dafür verantwortlich, Iran und den ganzen Nahen Osten einzudämmen und abzuschrecken, dann haben wir ein Problem, aber dann hätten wir auch unter Clinton oder Obama Probleme.
    "Die Erwartungen bei Merkels Besuch sind eher gering gehalten"
    Heckmann: Okay. – Der Iran, auch der Handelsstreit, der ja gerade schon Thema war, werden auch Themen sein beim Arbeitsbesuch Angela Merkels. Am späten Abend kommt sie in Washington an. Ist das eine lästige Pflicht für Trump, oder wird er ein offenes Ohr haben für ihre Argumente?
    Denison: Trump hat Angela Merkel beleidigt und das auch in seinem Wahlkampf als Schablone dafür benutzt, was man nicht machen darf. Das macht sicher die Chemie ein bisschen komplizierter. Aber Professionalität ist auch ein Teil von diesen Gipfeltreffen. Die sind nicht nur von den einzelnen Personen kontrolliert. Ich denke, wir haben die Möglichkeit, dass man vielleicht etwas enttäuscht darüber ist, was Macron an Lieferware mitbringen könnte, wenn er nach Hause geht. Die Erwartungen bei Merkels Besuch sind eher gering gehalten. Aber vielleicht schafft sie etwas im Bereich des Handels und vielleicht neue Wege, die Märkte weiter zu öffnen, vorzustellen bei Trump, und es wäre super, wenn auch Deutschland sagen würde, hey, wir werden jetzt auch mal einen Sonderfonds für die Bekämpfung von Terrorismus im Nahen Osten auflegen und wirklich Geld auf den Tisch legen im Verteidigungsetat. Sie kennen ja die Diskussion.
    Heckmann: Die Wirtschaftssanktionen sind ja bis zum 1. Mai ausgesetzt. Die Bundesregierung, aktuelle Meldung, die rechnet nicht damit, dass diese Aussetzung verlängert wird. Das heißt, man stellt sich darauf ein, dass die Sanktionen dann zum 1. Mai greifen werden. Sie auch?
    Denison: Es ist möglich. Trump spielt am Rande, aber er will natürlich erschüttern und schauen, was er dann als Konzessionen geben kann. Manchmal geht er zu weit, aber manchmal ist es auch möglich, dass diese Dinge stattfinden, und dann kann er sagen, guckt mal, ich habe Erfolg. Gleichzeitig aber wächst und gedeiht die deutsch-amerikanische Wirtschaftspartnerschaft, denn unter Trump ist sie gewachsen und nicht geschrumpft, trotz seiner Rhetorik.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.