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Atomkraft in der Kostenfalle, Teil 2
Kostenexplosion beim finnischen AKW-Bau

Das größte und sicherste Kraftwerk der Welt sollte das finnische Olkiluoto 3 sein, ein in Beton gegossenes Comeback für die Kernenergie. Heute ist es mit über acht Milliarden Euro die wohl teuerste Baustelle der ganzen Welt.

Von Tim Krohn | 10.03.2014
    Auf den ersten, flüchtigen Blick denkt man: Aha, da steht ein Atomkraftwerk.
    "Rein physisch sieht Olkiluoto 3 fast fertig aus. Die Außenverkleidung ist schon angebracht, die Gebäude stehen und sind auch innen fast fertig. Aber wir warten halt immer noch auf die Lieferung der Automatik."
    Pasi Tuohimaa, der Sprecher der finnischen Betreiberfirma TVO, hat die Nase gestrichen voll. Das Atomkraftwerk Olkiluoto Drei steht da wie ein Auto ohne Motor.
    "Wir haben den französischen Bauunternehmer Areva erneut um eine Schätzung gebeten, um einen Zeitplan. Aber wir warten nun schon seit Jahresbeginn auf eine Antwort."
    Es ist, wie es immer war: Man sieht sich vor Gericht. Das französische Areva Konsortium und seine finnischen Partner überziehen sich mit Klagen und schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Inzwischen kann man sich nicht einmal mehr auf einen gemeinsamen Zeitplan einigen.
    "Als ich das erste Mal gehört hatte, dass die jetzt nicht einmal mehr schätzen können, wann das Atomkraftwerk denn an den Start gehen soll, da musste ich wirklich nur noch lachen. Das ist ja nun wirklich kaum noch zu fassen, auf wie vielen verschiedenen Ebenen da etwas schief läuft."
    Johannes Niemeläinen, der Energieexperte der finnischen Wirtschaftszeitung, Talous Sanomat, hat das Baudesaster von Olkiluoto von Anfang an begleitet.
    Das größte und sicherste Kraftwerk der Welt sollte es sein, ein in Beton gegossenes Comeback für die Kernenergie. Heute ist es die wohl teuerste Baustelle der ganzen Welt. Die Kosten sind von drei auf über acht Milliarden Euro gestiegen, die Bauarbeiten hängen inzwischen um acht Jahre hinter dem ursprünglichen Plan.
    Und jeder einzelne Tag mehr kostet Millionen. Alleine die Personalkosten sind kaum noch zu stemmen. In Olkiluoto arbeiten viertausend Menschen aus 60 verschiedenen Ländern. Dazu kommen hunderte Ingenieure, Lieferanten und Sub-Lieferanten.
    "Das ist zum einen ein Paradebeispiel für eine wirklich gescheiterte internationale Zusammenarbeit. Zum anderen sollte es ja ein völlig neuartiges Kraftwerk sein, es war also immer eine Art Testbaustelle. Man hat das Gefühl, als sei die gesamte Planung mehr oder weniger gescheitert."
    Augen zu und irgendwie weitermachen – etwas anderes, meint Niemeläinen, der Energieexperte, käme jetzt nicht mehr in Frage.
    "Sicherlich! Die haben ja nun schon so viel Geld investiert, so ein einmaliges immenses Infrastrukturprojekt lässt sich nicht mehr stoppen. Olkiluoto wird Strom erzeugen. Aber wann und zu welchem Preis, das ist eine andere Frage."
    Scheitert die Atomkraft am Ende an ihren eigenen Kosten? Drei Jahre nach Fukushima sind sich viele Ökonomen und Bankgutachter mittlerweile sicher: Solche Neubauten wie in Olkiluoto lohnen sich nicht. Das Risiko für die Privatwirtschaft sei einfach zu hoch.
    "Das kommt darauf an. Zumindest ist das hier kein typisch finnisches Problem. Atomkraftwerke kann man nur sicher und damit sehr teuer bauen. Ob aber Olkiluoto 3 jemals rentabel Strom produzieren wird und wie lange es dauert, bis sich das rechnet – das kann nur die Zukunft zeigen."